Warum das NPD-Verbot auch scheitern darf

Ein Verbot der rechtsextremen NPD ist nicht frei von Risiken: Teile ihrer heutigen Anhänger_innen könnten sich weiter radikalisieren, Ersatzorganisationen scheinen bereits gefunden zu sein. Matthias Quent führt aus, warum das NPD-Verbot auch scheitern darf.


Zuerst erschienen als Gastbeitrag beim "Vorwärts"

Das zweite NPD-Verbotsverfahren ist ein Paradebeispiel für einen politischen Schnellschuss als Reaktion auf schockierende Terroraktivitäten: Wenige Tage nach dem öffentlichen Bekanntwerden des NSU-Komplex im November 2011 forderte der Deutsche Bundestag die Regierung auf, zu prüfen, ob sich aus den Ermittlungsergebnissen Konsequenzen für ein NPD-Verbot ergeben. Obwohl die Aufklärung des NSU-Komplex auch über fünf Jahre später noch nicht abgeschlossen ist, stellte der Bundesrat bereits im Dezember 2012 den Antrag, die NPD zu verbieten. Der NSU und mögliche Verquickungen zur NPD nehmen in der Begründung des Verbotsantrags nur eine marginale Rolle ein: Es gibt schlicht keinen Hinweis, dass die NPD operativ etwas mit den Terrortaten zu tun hatte.

Demokratie ist widersprüchlich - und das ist auch gut so!

Klar: Es ist eine paradoxe Situation, dass einerseits Millionen Euro aus der Staatskasse in Präventions- und Interventionsprojekte gegen Rechtsextremismus fließen, andererseits aber die Agitation, Wahlwerbung, Logistik und der Lebensunterhalt von rechtsextremen Abgeordneten und Mitarbeitern mit Steuergeld finanziert wird. Wer sich mit Rechtsextremismus auseinandersetzt, wird mit diesem Widerspruch konfrontiert. Offenkundig besteht ein Bedürfnis nach Klarheit, Ordnung und Widerspruchsfreiheit gegen die Unordnung des Demokratischen, welche die NPD symbolisiert. Doch moderne Demokratien sind per se ambivalent und widerspruchsvoll. Der Streit um die Deutung, Bewertung und Moderation des Sozialen und des Politischen garantiert ihre Anpassungs- und Integrationsfähigkeit.

Ein Großteil der Rechtsextremismusforschung belegt in Widerspruch zum Verbotsantrag, dass Rechtsextremismus durchaus ein ‚Symptom tieferliegender sozialer Probleme‘ ist. Die aktuellen Erfolge des Rechtspopulismus in Deutschland zeigen: Es braucht keineswegs die NPD, um gefährliche Ideologien wie die des „ethnischen Volksbegriff“, die der Bundesrat bei der NPD zurecht nachgewiesen und kritisiert hat, zu forcieren. Gewalttäter, die Anschläge auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte begehen, brauchen die NPD nicht.

NPD-Ersatzorganisationen stehen schon bereit

Ja, die Legalität der NPD erschwert die Ausgrenzung des Rechtsextremismus. Demgegenüber ist die inhaltliche, politische Auseinandersetzung mit der NPD und dem Rechtsextremismus – also die Frage nach ihrer Legitimität – ungleich aufwendiger. Denn um die NPD inhaltlich zu kritisieren, braucht es zum einen eine wehrhafte demokratische Grundhaltung. Zum anderen, das zeigt die Einstellungsforschung, sind rechtsextreme Positionen keineswegs so marginal und stehen nicht derart im sozialen Abseits, wie die behördliche Verwendung des Extremismusbegriffes glaubhaft machen will.

Ein Verbot der NPD mag die Rechtsextremen kurzzeitig irritieren und einige Randständige abschrecken. Wenn das Verbotsverfahren erneut - und damit wohl endgültig - scheitern sollte, dann voraussichtlich, weil die NPD politisch bedeutungslos ist und keine Gefahr für die parlamentarische Demokratie in Deutschland darstellt. Natürlich würden die letzten NPD-Aktivisten dann jubeln. Über das Verbot der NPD wiederum würden sich „Der Dritte Weg“, „Die Rechte“, die „Identitäre Bewegung“, die AfD und zahllose Kleingruppen freuen. Denn in diesen Zusammenschlüssen werden Kernbestandteile der Ideologie und Programmatik der NPD fortgeführt.

Auf Verbot könnte Radikalisierung folgen

Die sozialen Ursachen von Rassismus und seiner politisierten Form im Rechtsextremismus bleiben von einem Parteiverbot unberührt. Mehr noch läuft ein Verbot der NPD Gefahr, die Radikalisierung militanter Rechtsextremer weiter zu befördern und noch die letzte Übersichtlichkeit im rechtsextremen Bewegungsspektrum über Bord zu werfen. Wie auch immer die Verhandlung ausgeht: Immerhin bedeutet es das Ende einer jahrzehntelangen Phantomdiskussion.