In den letzten Jahren gab es immer wieder Kontroversen um den Umgang mit Denkmälern aus vergangenen Zeiten, die heute als anstößig empfunden werden. In jüngster Zeit sorgten etwa die Debatte um das Nettelbeck-Ufer in Erfurt, benannt nach dem „Held vom Kolberg“ und frühen Befürworter des deutschen Kolonialismus Joachim Nettelbeck, oder die Auseinandersetzung um die Wittenberger „Judensau“, ein antijüdisches Schmäh-Relief aus dem Mittelalter an der Wittenberger Stadtkirche für Furore.
Besonders in Jena gibt es eine ausgeprägte Gedenk- und Erinnerungslandschaft. So gibt es vier Gedenkorte für den in Jena wirkenden Philosophen Jakob Friedrich Fries (1773-1843): Seine Grabplatte von 1843 an der Friedenskirche auf dem Johannisfriedhof, eine 1873 eingeweihte überlebensgroße Büste im Fürstengraben, den 1914 eingeweihten Friesweg im Philosophenviertel und eine im Jahr 2000 eingeweihte lebensgroße Büste im Hörsaal Z12 der FSU Jena. Fries, der selbst in philosophischen Fachkreisen nur wenigen bekannt ist, und das Gedenken an ihn stehen wegen Fries herausragenden judenfeindlichen Äußerungen immer wieder in der Kritik. Grund dafür ist insbesondere das 1816 von Fries publizierte Pamphlet „Über die Bedrohung des Wohlstands und des Charakters der Deutschen durch die Juden“, in dem er unter Verwendung von Ungeziefer- und Krankheitsmetaphern unter anderem fordert, dass die „Kaste“ der Juden „mit Stumpf und Stil ausgerottet werde“.
Ausgehend vom Beispiel Fries soll kontrovers erörtert werden, wie ein angemessener Umgang mit dieser Gegenwart der Vergangenheit im Rahmen einer kritischen Erinnerungskultur aussehen könnte.
Es diskutieren:
- Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland
- Prof. Dr. Stefanie Middendorf, Professorin für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der FSU Jena, Mitglied des Boards der „Koordinationsstelle Koloniales Erbe Thüringen"
- Prof. Dr. Martin Leiner, Professor für Systematische Theologie und Ethik an der FSU, Gründungsdirektor des Jena Center for Reconciliation Studies und Initiator des offenen Briefes zur Entfernung der Fries-Büste im Fürstengraben
- Joël Ben-Yehoshua, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Wie umgehen mit Rassismus, Sexismus, Antisemitismus in Werken der klassischen Deutschen Philosophie?“ an der FSU Jena und affiliierter Wissenschaftler am IDZ Jena
Moderation:
- Lisa Johanne Jacobs, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Recherche- und Inforationsstelle Antisemitismus (RIAS) Thüringen am IDZ Jena und Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Veranstaltungsort:
Die Podiumsdiskussion findet statt am 19.10.2023 zwischen 18.00 - 20.00 Uhr im
Vortragssaal in der Thüringer Landesbibliothek, Fürstengraben 22, 07743 Jena
Der Vortragssaal ist barrierefrei erreichbar.
Die Veranstaltung wird organisiert vom IDZ Jena und dem Projekt „Rassismus, Sexismus, Antisemitismus in Werken der klassischen Deutschen Philosophie?“ und findet im Rahmen der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus 2023 sowie der Alternativen Orientierungstage an der Friedrich-Schiller-Universität Jena statt.