Projektvorstellung: Die Stärkenberatung der NaturFreunde Thüringen

Die 3.000-Seelen Gemeinde Themar in Südthüringen ist seit dem Sommer 2018 bundesweit zu einem Symbol für extrem rechte Großevents geworden. Im Nachbarort Kloster Veßra besitzen Neonazis mit dem Gasthaus „Goldener Löwe“ einen überregionalen Vernetzungsort. Politische Akteur*innen und Initiativen versuchen diesen Entwicklungen seither mit Friedensgottesdiensten, Demonstrationen oder Demokratiefesten entgegenzutreten. Nur gut 20 km entfernt liegt das beschauliche und weit weniger bekannte Dorf Gießübel. 2010 wurde hier ein zwischenzeitlich leer stehender Gasthof von den NaturFreunden Thüringen als Seminarhaus und Begegnungsstätte „Naturfreundehaus Thüringer Wald“ wiedereröffnet. Seither finden hier regelmäßig Workshops statt, Gruppen von jungen Menschen oder Familien treffen sich hier zu Ferienfreizeiten, auch lokalen Vereinen steht das Haus offen. Seit 2013 bilden die NaturFreunde Thüringen e.V. hier zudem Stärkenberater*innen aus – gefördert durch das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Das Programm will Vereine, Verbände und engagierte Multiplikator*innen insbesondere im ländlichen Raum stärken, die sich für ein friedliches, gleichwertiges und weltoffenes Zusammenleben einsetzen, um es demokratiefeindlichen Kräften zu erschweren, in diesen Regionen Fuß zu fassen.

Im Stärkenberatungsprojekt werden Ehrenamtliche in 4 Wochenendmodulen zu Berater*innen der Demokratie- und Partizipationsförderung ausgebildet. Sie erlangen Kenntnisse in Konfliktlösung, systemischer Beratung und Handlungsoptionen gegen menschenverachtende Einstellungen. Stärkenberater*innen können im eigenen Verband die Ideenfindung für partizipationsstärkende Formate unterstützen.

Die NaturFreunde stehen seit über 120 Jahren mit ihren Werten für Solidarität, Nachhaltigkeit, Frieden und internationalen Austausch. Zur Verteidigung dieser Werte arbeiten die NaturFreunde in Netzwerken, richten sich gegen rechte Bewegungen und sensibilisieren für eine demokratische Kultur. Die Stärkenberater*innen der NaturFreunde können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten – gerade an Orten, die selten in der Öffentlichkeit stehen. Sie abstrahieren gute Beispiele demokratischer Initiativen anderer Orte und bieten in Gießübel kreative Ideen im Umgang mit demokratiefeindlichen Einstellungen an. Mit einem breiten NaturFreunde-Netzwerk im Rücken können die Stärkenberater*innen Kontakt zu unterstützenden überregionalen Strukturen herstellen und so Vereine und Engagierte vor Ort in ihren Vorhaben begleiten. Entscheidender Kristallisationspunkt ist das Naturfreundehaus in Gießübel – als Anlaufstelle für die Dorfgemeinschaft, als Bekenntnis der NaturFreunde, sich nachhaltig und langfristig in der Region einbringen zu wollen, als Brücke zur landesweiten Struktur und Akteur*innen aus dem urbanen Raum. Das Haus sorgt für Akzeptanz der NaturFreunde-Aktivitäten in der örtlichen Bevölkerung und ist ein Türöffner in die Region. Vom Naturfreundehaus in Gießübel aus leisten Stärkenberater*innen einen Beitrag zur Demokratiestärkung im ländlich geprägten Raum Südthüringens.

Während Themar bundesweit pressebekannt ist, richten sich auf Gießübel kaum Blicke. Dabei bedürften alle strukturschwachen Regionen verstärkter Aufmerksamkeit, die aufgrund mangelnder Infrastruktur und Beteiligungsangebote potenzielle Resonanzräume für die extreme Rechte darstellen. Damit sind weder die extreme Rechte noch die Ursachen von Rassismus und anderen menschenverachtenden Einstellungen erklärt. Ehrenamtliche demokratische Aktivitäten und Orte des solidarischen Zusammenlebens aktiv und unbürokratisch zu unterstützen, ist jedoch ein zentrales Element, will man Themar nicht nur als Symptom erkennen, sondern an den Ursachen dieser Resonanzräume ansetzen.