Welche Erfahrungen haben Bürger*innen mit Hate Speech und wie sind ihre Einstellungen zu Hassrede im Internet? Um das zu erfassen, wurde im Auftrag von Campact e.V., durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut YouGov und ausgewertet vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) im April und Mai 2019 die bisher größte deutsche repräsentative Online-Befragung mit 7.349 Teilnehmenden im Alter zwischen 18 und 95 Jahren realisiert.
Aggressive oder allgemein abwertende Aussagen gegenüber Personen, die bestimmten Gruppen zugeordnet werden, werden „Hate Speech“ genannt (bzw. synonym auch „Hassrede“, „Hasssprache“ oder „Hasskommentare“). Mit Hate Speech ist also vor allem vorurteilsgeleitete, abwertende Sprache gemeint.
Jede*r zwölfte Teilnehmende (8 % der Befragten) war bereits persönlich von Hate Speech im Netz betroffen. Manche Gruppen trifft es besonders stark. Jüngere Menschen (18- bis 24-Jährige: 17 %) und Menschen aus Einwandererfamilien (14 %) weisen signifikant höhere Werte auf.
40 % der Befragten haben schon online Hasssprache wahrgenommen. Jüngere Menschen im Alter von 18 – 24 Jahren haben dabei deutlich häufiger (73 %) online Hate Speech beobachtet als ältere (25 – 44 Jahre: 51 %, 45 – 59 Jahre: 33 %, über 60 Jahre: 26 %). Befragte mit Migrationshintergrund (48 %) sahen häufiger Hasskommentare im Netz als Befragte ohne Migrationshintergrund (38 %). 76 % der Befragten haben den Eindruck, dass Hate Speech im Internet in den letzten Jahren zugenommen hat.
Zwei Drittel (66 %) derer, die schon persönlich mit Hasskommentaren im Netz angegriffen wurden, benennen verschiedene negative Auswirkungen dieser Erfahrungen (Mehrfachantworten waren möglich): emotionaler Stress (33 %), Angst und Unruhe (27 %), Depressionen (19 %), Probleme mit dem Selbstbild (24 %). Für 15 % ergeben sich Probleme mit und bei der Arbeit bzw. in ihrer Bildungseinrichtung.
Für jüngere Menschen unter 25 Jahren ist das noch deutlicher: Jede*r Zweite (49 %) der Betroffenen berichtet von emotionalem Stress, mehr als jede*r Dritte (38 %) von Angst und Unruhe, fast jede*r Dritte (31 %) bestätigt Depressionen und nahezu jede*r Zweite (42 %) berichtet von Problemen mit dem Selbstbild. Weibliche Teilnehmende berichten von solchen negativen Auswirkungen häufiger als männliche.
„Hassbotschaften gefährden die Vielfalt im Internet, weil sie Menschen einschüchtern und verdrängen.“ Dieser Aussage stimmen drei von vier Internetnutzer*innen (74 %) zu. Die Existenz von Einschüchterungs- und Verdrängungseffekten wird durch den Umgang mit Hassrede im Internet bestätigt: Etwa die Hälfte der Internetnutzer*innen gibt an, sich in Reaktion auf Hassrede im Internet seltener zu ihrer politischen Meinung zu bekennen (54 %) und sich seltener an Diskussionen im Netz zu beteiligen (47 %). Das bedeutet, dass Menschen durch Hassbotschaften systematisch aus Onlinediskussionen vertrieben werden und sich vertreiben lassen, auch wenn sie (noch) nicht persönlich durch Hate Speech angegriffen wurden, sondern diese nur beobachtet haben. Darunter leiden die betroffenen Personen, der Meinungspluralismus im Netz und somit letztlich die demokratische (Diskurs-)Kultur. Hate Speech verringert die Meinungsvielfalt im Netz und führt zu einer Verschiebung der Wahrnehmung über die gesellschaftliche Realität, wenn die Hater*innen in den Kommentarspalten dominieren.
Aus der Sicht der Befragten unternehmen deutsche Institutionen nicht genug gegen den Hass im Netz. Die Forderung „Der Staat sollte die bestehenden Gesetze gegen Beleidigungen, Hassrede und Verleumdung auch im Internet konsequent durchsetzen.“ findet eine Zustimmung von 75 %.
Ein sehr großer Teil der Internetnutzer*innen ist mit diesen Hassbotschaften nicht einverstanden. Die Mehrheit fordert, dass etwas gegen den Hass im Netz getan wird. Die konkreten Forderungen, mit denen Campact e.V. den Hass im Internet eindämmen, Betroffene stärken und konsequente Strafverfolgung von Täter*innen durchsetzen will, finden sehr große Zustimmung.
Sie können den Forschungsbericht hier herunterladen.
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