Projekthintergrund
Politische Kultur beschreibt die Gesamtheit der politischen Überzeugungen, Werte, Normen, Einstellungen und Verhaltensweisen, die in einer Gesellschaft verbreitet sind und das politische System sowie das politische Handeln der Bürger*innen prägen. Sie umfasst die Art und Weise, wie Bürger*innen und politische Akteur*innen über Politik denken, wie sie sich politisch beteiligen und wie sie politische Institutionen und Prozesse wahrnehmen.
Die politische Kultur in Thüringen hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert: etwa auf der Einstellungsebene, messbar durch einen erheblichen Anstieg der Demokratieunzufriedenheit sowie rechtsextremer Einstellungen; ebenso auf elektoraler Ebene, das zeigen die entscheidend geänderte Zusammensetzung des Landtags und die gestärkten AfD-Fraktionen in den Kommunalparlamenten. Zudem gibt es eine Veränderung auf der Handlungsebene: Anfeindungen und Angriffe gegen Kommunalpolitiker*innen im Kontext der Wahlen sind dafür ein – auch medial viel beachtetes – Beispiel. Des Weiteren sind in Thüringen insbesondere zivilgesellschaftliche prodemokratische Akteur*innen, Interessensvertretungen bzw. Engagierte in der Demokratiearbeit zunehmend Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt. Die Bedrohungslage und erfahrene Gewalt führen in Teilen bereits dazu, dass sich zivilgesellschaftliche Strukturen oder Einzelpersonen zurückziehen – beispielsweise in Weimar oder Sonneberg. Die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen ezra registriert seit einigen Jahren steigende Fallzahlen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalttaten: Die Jahresstatistik 2024 dokumentiert mehr als 200 Angriffe in Thüringen. Extrem rechte Gewalt entwickelt sich demnach zu einem Massenphänomen.
Projektziel
Das Projekt Thüringen:2029 blickt auf die langfristigen Entwicklungen der politischen Kultur und des zivilgesellschaftlichen Engagements in Thüringen. Dabei werden insbesondere räumliche Unterschiede, aber auch landesweite Gemeinsamkeiten herausgearbeitet, um ein differenzierteres Bild zu erhalten.
Im Zentrum des Projektes stehen mehrere Forschungsfragen:
Methodisches Vorgehen
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird eine qualitative Längsschnittuntersuchung in drei Modellregionen Thüringens durchgeführt: Jährlich werden an zwei Messzeitpunkten in den jeweiligen Modellregionen aktive Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und gesellschaftlich marginalisierter Gruppen, Akteur*innen aus Beratungsstellen sowie Lokalpolitiker*innen mittels qualitativer Interviews befragt.
Diese Befragungen werden durch eine quantitative Inhaltsanalyse ergänzt: Hierfür werden in den Modellregionen betreffende Sekundärquellen (u. a. Kreistagsprotokolle, Medienberichte, Social-Media-Auftritte, Daten des Thüringen-Monitors bzw. der Topografie des Rechtsextremismus) in Bezug auf die Forschungsfragen hin untersucht. Zusätzlich fließen auch landesweite Quellen in die Analyse ein (u. a. landesweite Berichterstattung/Medienbeiträge im Kontext des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2025; Auswertung von Parlamentsdokumenten des Landtags). Auch Analysen des IDZ (Wahlanalysen, Situations- und Ressourcenanalysen) werden hierbei berücksichtigt.
Projektlaufzeit
Das Projekt ist – vorbehaltlich der Weiterfinanzierung durch das Thüringer Landesprogramm denk bunt – bis Ende 2029 angesetzt. Der Projektzeitraum erstreckt sich damit über die aktuelle Legislaturperiode des Landes- und der Kommunalparlamente.
Wissenschaftlicher Leiter des IDZ
Bereichtsleiter Rechtsextremismusforschung und demokratische Kultur in Thüringen