Wir untersuchen als FGZ-Standort Jena die Gefährdungen des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch radikale Rechte, Populismus und gesellschaftliche Krisen. Im Sinne einer kritischen, öffentlichen Sozialwissenschaft analysieren wir Inklusions- und Exklusionsprozesse und beleuchten emanzipatorische Potenziale in einer diversen Gesellschaft.
Wir adressieren insbesondere regionale und überregionale Herausforderungen für die demokratische Kultur. Der FGZ-Standort Jena ist am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) angesiedelt.
Jena ist einer von drei ostdeutschen FGZ-Standorten. Die Forschungs- und Transferarbeit verbindet sich eng mit den regionalen Gegebenheiten. Thüringen weist eine stark ländliche Prägung auf und steht politisch vor Herausforderungen für die demokratische Kultur, insbesondere durch den erstarkten Rechtspopulismus.
Unsere Forschungsarbeit orientiert sich an einem umfassenden Konzept der demokratischen Kultur, basierend auf der Definition des Europarats. Diese demokratische Kultur umfasst Werte, Einstellungen und Praktiken. Sie beinhaltet das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten sowie die Anerkennung von Vielfalt. Der Schutz von Minderheiten und ihren Rechten sowie der transkulturelle Dialog sind ebenfalls zentrale Bestandteile. In unsere Forschungs- und Transferarbeit fließen Erfahrungen und Expertisen aus Praxis, Wissenschaft und Lebenswelt derer, die mit gesellschaftlichen Exklusionsprozessen konfrontiert sind, ein.
In der zweiten Förderphase des FGZ konzentrieren wir uns auf zwei zentrale Bereiche:
Allyship:
Erstens untersuchen wir die sozialen Dynamiken zwischen der Dominanzgesellschaft und marginalisierten Gruppen. Das Konzept des solidarischen Engagements (Allyship) steht im Fokus. Wir analysieren, wie marginalisierte Gruppen das Engagement der Dominanzgesellschaft wahrnehmen und welches Potenzial es zur Förderung des Zusammenhalts birgt. Diese Perspektive ermöglicht es, differenziert Bedingungen zu betrachten, unter denen Solidarität entsteht und wie sie zu einem stabileren gesellschaftlichen Gefüge beitragen kann.
Strategien antidemokratischer Akteure und digitale Polarisierung:
Zweitens untersuchen wir die Strategieoptionen antidemokratischer Akteure im Kontext der Klimakrise und der ökologischen Transformation. Wir erforschen, wie diese Akteure gesellschaftliche Krisen für ihre Zwecke nutzen, unser Fokus liegt dabei auf der ökologischen Transformation. Wir analysieren, welche Polarisierungsdynamiken in den sozialen Medien auftreten. Antidemokratische Kräfte instrumentalisieren im digitalen Raum Themen wie Klimaschutz und ökologische Transformation besonders stark. Dadurch verschärfen sie Spaltung und Konflikte. Wir prüfen, welche gesellschaftlichen Anschlussmöglichkeiten diese Akteure finden können. Zudem entwickeln wir Gegenstrategien zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Krisenzeiten.
Der Wissenstransfer am FGZ-Standort Jena bietet diverse Möglichkeiten. So fördern wir durch öffentliche Veranstaltungsformate und an spezifischen Zielgruppen orientierten Publikationen den Austausch zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Politik und Medien. Dazu gehören eine Gesprächsreihe im Deutschen Nationaltheater Weimar sowie die am Standort betreute Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung (ZRex). Die ZRex widmet sich den Facetten der Bedrohung der demokratischen Kultur und des Zusammenhalts durch radikal bis extrem rechte Ideologien.
Principal Investigator:
Dr. Axel Salheiser
Principal Investigator
Standort Jena:
Dr. Axel Salheiser
Principal Investigators:
Dr. Janine Dieckmann
Dr. Johanna Treidl
Referentin für Wissenschaftskommunikation
Kontakt:
Telefon: 0151 / 420 155 73
E-Mail: kathy.kursawe(at)idz-jena.de
In der ersten Laufzeit waren sieben Einzelprojekte in Jena angesiedelt: drei Forschungsprojekte und vier Transferprojekte. Mit unserem Beitrag zum Verbundprojekt „Institutionen und Rassismus“, das seit 2022 vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) gefördert wird und in die Strukturen des FGZ integriert wurde, sind es sogar acht. Das IDZ ist einer der kleinsten FGZ-Standorte, kann aber nun mit dem Ablauf der ersten Förderperiode zum Ende Mai 2024 eine sehr ertragreiche und erfolgreiche Bilanz ziehen.
Auf der Grundlage unserer Forschung haben wir viele Fachbeiträge, Buchartikel, mehrere Sammelbände und Broschüren vorgelegt, unzählige Interviews gegeben, Austauschrunden, Hintergrundgespräche und selbstverständlich öffentliche Vortragsund Diskussionsveranstaltungen durchgeführt. Über unsere jährlichen interdisziplinären FGZ-Fachtagungen haben wir in den IDZ-Insights detailliert berichtet. Aus ihnen sind mehrere Schwerpunkthefte unserer Schriftenreihe „Wissen schafft Demokratie“ hervorgegangen.
Forschung – vor allen in großen Forschungsverbünden – erfordert einen großen Organisations- und Planungsaufwand. Aufgrund der Pandemie sah sich auch das FGZ mit neuen Herausforderungen konfrontiert, da auf die Auswirkungen und Erschwernisse der Krise reagiert werden musste: Einerseits haben wir viele Aktivitäten und öffentliche Veranstaltungen in die digitale Sphäre verlagert. Das Team des Transferprojektes "Transfer innovativ denken" entwickelte mit den Wissenschaftler*innen neue Veranstaltungskonzepte für online oder hybrid, um vorhandene Barrieren und räumliche Distanzen zu überbrücken. Andererseits haben wir uns aufgrund IDZ-spezifischer Perspektiven auf Rechtsextremismus und Demokratiegefährdung intensiv mit der antidemokratischen Protestmobilisierung in Zeiten von Krisen und Unsicherheit beschäftigt. Wir haben damit unsere Forschungsgegenstände erweitern können – und auch mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der Energiekrise und der intensivierten Vernetzung und Radikalisierung rechtspopulistischer, verschwörungsideologischer Akteur*innen zeigten sich vielfältige Kontinuitäten und neue Dynamiken.
Die drei Forschungsprojekte befassten sich mit wichtigen gesellschaftlichen Themen und trugen dazu bei, aktuelle Herausforderungen besser zu verstehen.
Im Forschungsprojekt „Diversität – Engagement – Zusammenhalt" beschäftigten wir uns mit In- und Exklusionserfahrungen gesellschaftlich marginalisierter Gruppen. Im Fokus standen die Heterogenität dieser Gruppen, ihr Engagement in Selbstorganisationen und ihre Sicht auf gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ziel war es, ein inklusives Verständnis von Zusammenhalt zu entwickeln, das die Vielfalt der Gesellschaft berücksichtigt. Der Fokus im Projekt „Internationaler Rechtspopulismus im Kontext globaler ökologischer Krisen“ lag vor allem auf der rechtsextremen Agitation gegen Klimapolitik und gegen die ökologische Nachhaltigkeitstransformation der Gesellschaft. Es wurde untersucht, wie rechtsextreme Akteure die Debatten um klima- und umweltpolitische Maßnahmen nutzen, um ihre politischen Ziele voranzutreiben. Zudem wurde analysiert, inwieweit dies zu einer zunehmenden Polarisierung und zur Destabilisierung demokratischer Gesellschaften beiträgt. Unter dem Titel „Relativierung, Revisionismus, Wiederkehr. Die Abwehr der Erinnerung an den Nationalsozialismus seit 1990“ forschten wir zu Kontinuitäten und neuen Entwicklungen hinsichtlich der Verbreitung und Wirkung antisemitischer und schuldabwehrender Erzählungen in der deutschen politischen Kultur seit 1990.
Diese Forschungsprojekte trugen zu einem tieferen Verständnis der gesellschaftlichen Herausforderungen und Spannungen bei und leisteten einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über Zusammenhalt, Erinnerungskultur und Demokratie.
In der ersten Laufphase des FGZ verantworteten wir vier Transferprojekte: In enger Kooperation mit Wissenschaftler*innen von anderen FGZ-Standorten entstand der Sammelband „Forschungsbasierter Wissenstransfer und gesellschaftlicher Zusammenhalt – Theorie, Empirie, Konzepte und Instrumente“. In einem weiteren Projekt in Kooperation mit der Ernst-Abbe-Hochschule Jena konnte der Master-Studiengang „Civic Education – Demokratiebildung in der digitalen Gesellschaft“ entwickelt, akkreditiert und an den Start gebracht werden. Im Dezember 2022 wurde der erste Bewerbungszeitraum geöffnet und im April 2023 ist die erste Studiengruppe in den Studiengang gestartet. Die Studierenden haben verschiedene sozial- und verhaltenswissenschaftliche Hintergründe und kommen aus dem gesamten Bundesgebiet für das Studium nach Jena. Entsprechend der Planung fand nach dem ersten Semester eine Evaluation unter den Studierenden statt. Insgesamt wurde der Studiengang positiv bewertet. Besonders hervorgehoben wurde die Interdisziplinarität und Zusammensetzung der Studierendenschaft. Im Rahmen des FGZ entwickelten wir die Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung (ZRex) mit, die von uns redaktionell betreut wird und zweimal im Jahr im Open-Access-Format online und als Printausgabe im Verlag Barbara Budrich erscheint. Durch die Corona-Pandemie stand das Transferprojekt "Transfer innovativ denken" vor neuen Herausforderungen, da viele Transferideen für den digitalen Raum angepasst oder neu entwickelt werden mussten. Heute sind Veranstaltungskonzepte für online oder hybrid im Wissenstransfer des Standortes nicht mehr wegzudenken.