Aktuelles aus der Forschung: Bereich „Vielfalt, Engagement und Diskriminierung“

In der Rubrik „Aktuelles aus der Forschung“ präsentieren wir Kurzzusammenfassungen ausgewählter aktueller wissenschaftlicher Publikationen internationaler Autor*innen. Vorgestellt werden wissenschaftliche Studien, Artikel und Bücher aus dem Bereich „Vielfalt, Engagement und Diskriminierung“. Die Inhalte der jeweiligen Publikationen werden entweder zusammengefasst wiedergegeben und/oder es werden Passagen direkt aus den angegebenen Originalquellen zitiert; diese Stellen sind dann mit Anführungszeichen versehen.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) (2024). Diskriminierung in Deutschland – Erkenntnisse und Empfehlungen

Über die Publikation

Der Bericht beschreibt Diskriminierungserfahrungen und -risiken in unterschiedlichen Lebensbereichen und formuliert Empfehlungen zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung.

Methode

Grundlage des Berichts ist eine Onlineerhebung bzw. softwaregestützte Erweiterung der Onlineerhebung, in denen das Beratungsaufkommen im Jahr 2022 abgefragt wurde. An der Erhebung nahmen 49 staatliche, zivilgesellschaftliche sowie universitäre Beratungsstellen teil.

Zentrale Befunde

Der Bericht betont die Auswirkungen internationaler Krisen der vergangenen Jahre auf Diskriminierung in Deutschland und verdeutlicht, dass Diskriminierungserfahrungen für viele Menschen alltäglich sind. Der Bericht liefert hierfür zentrale Erkenntnisse und spezifische Handlungsansätze in verschiedenen Lebensbereichen, beispielsweise, dass die meisten Ratsuchenden Diskriminierung im Arbeitsleben melden oder dass der Wohnungsmarkt ein Hochrisikogebiet für rassistische Diskriminierung darstellt. Auch schildern immer mehr Ratsuchende Diskriminierung durch staatliches Handeln. Außerdem identifiziert der Bericht sechs Themenbereiche, in denen besonderer Handlungsbedarf besteht, u. a. die Reformierung des AGGs und Verbesserung des rechtlichen Schutzes vor Diskriminierung sowie die Aufwertung der Antidiskriminierungspolitik und eine stärkere Institutionalisierung.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/BT_Bericht/gemeinsamer_bericht_fuenfter_lang_2024.pdf?__blob=publicationFile&v=10

Quelle

ADS (2024). Diskriminierung in Deutschland – Erkenntnisse und Empfehlungen. Fünfter Gemeinsamer Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Berlin.

 

Blätte, Andreas et al. (2023). Vielfältige Repräsentation unter Druck: Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik

Über die Publikation

„Mit der Großstadtbefragung 2022 kann diese Studie auf einer neuen Datengrundlage aufbauen, die breit angelegte, aussagekräftige statistische Befunde zur politischen Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt und zu Bedrohungslagen in den Großstädten Deutschlands ermöglicht.“ (S. 11)

Methode

„Adressat*innen der Großstadtbefragung 2022 waren alle Personen, die in den insgesamt 80 deutschen Großstädten und Stadtstaaten ein kommunales Mandat bzw. Amt ausüben.“ (S. 15)

Zentrale Befunde

„[D]as allgemeine, eindeutige Ergebnis ist: Bedrohungserfahrungen sind nahezu überall in Deutschland in den deutschen Großstädten Teil des politischen Alltags.“ (S. 41) „60 Prozent der befragten kommunalen Repräsentant*innen berichten von eigenen Erfahrungen mit Beleidigungen, Bedrohungen oder tätlichen Übergriffen. Diese sind unabhängig von der politischen Orientierung, dem Geschlecht, dem Migrationshintergrund, der Schichtzugehörigkeit oder der Region. [...] Dabei zeigen die kommunalpolitischen Amts- und Mandatsträger*innen eine bemerkenswerte Widerstandskraft: Die wenigsten denken wegen der Bedrohungslage an einen Rückzug aus der Politik. [...] Bei knapp einem Drittel der Amts- und Mandatsträger*innen, die Anfeindungen und Aggressionen selbst erlebt haben, führt die Sorge vor (weiteren) Beleidigungen, Bedrohungen oder tätlichen Übergriffen zu Veränderungen des persönlichen Verhaltens.“ (S. 11) Die Folgen aus dem Umgang der Amts- und Mandatsträger*innen mit den Bedrohungssituationen und den daraus resultierenden Verhaltensänderungen sind „gruppenspezifisch ungleich verteilt und verstärken bestehende Schieflagen der Repräsentation. [Dieses Ergebnis spricht] für eine zielgruppenorientierte Entwicklung von Unterstützungsstrukturen. Die Instrumente des Rechtsstaats und der Strafverfolgung bleiben dabei wichtig.“ (S. 12)

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

https://www.boell.de/sites/default/files/2022-12/studie_vielfaeltige-repraesentation-unter-druck_anfeindungen-und-aggressionen-in-der-kommunalpolitik-.pdf

Quelle

Blätte, Andreas/Dinnebier, Laura/Schmitz-Vardar, Merve (2023). Vielfältige Repräsentation unter Druck: Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.). Schriften zur Demokratie, Band 64. Berlin.

 

European Union Agency for Fundamental Rights (2024). Jewish People’s Experiences and Perceptions of Antisemitism

Über die Publikation

Die Studie wurde von der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) veröffentlicht und stellt eine umfassende Untersuchung zu den Erfahrungen und Wahrnehmungen jüdischer Menschen in Europa mit Antisemitismus dar. Sie analysiert Daten aus 13 EU-Ländern, innerhalb welcher mehr als 96 % der jüdischen Bevölkerung in der EU leben. Ziel der Publikation ist es, politische Entscheidungsträger*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Öffentlichkeit für das Ausmaß und die Formen des Antisemitismus zu sensibilisieren und Empfehlungen zur Bekämpfung dieses Problems zu liefern.

Methode

Die Studie basiert auf einer groß angelegten Online-Umfrage, an der sich fast 8.000 jüdische Menschen ab 16 Jahren beteiligten. Die Auswahl der Länder und Teilnehmer*innen wurde so gestaltet, dass repräsentative Daten zur Lebensrealität der jüdischen Bevölkerung in Europa erfasst werden konnten.

Zentrale Befunde

Die Studie zeigt, dass Antisemitismus in Europa nach wie vor ein strukturelles gesellschaftliches Problem ist und die Lebensrealität jüdischer Menschen erheblich beeinflusst: Die überwiegende Mehrheit der Befragten sieht Antisemitismus als großes Problem und berichtet von einer wahrgenommenen Zunahme in den letzten Jahren. Über die Hälfte der Befragten hat in den letzten fünf Jahren unterschiedliche Formen antisemitischer Diskriminierungen erlebt. Dabei sieht sich ein großer Teil im Internet als Hauptquelle solcher Vorfälle mit antisemitischen Inhalten und Diskriminierungen konfrontiert. Besonders häufig fallen antisemitische Abwertungsmechanismen online in den Kontext des sogenannten Nahostkonflikts. Dies hat u. a. zur Folge, dass viele der Befragten sich unsicher fühlen, ihre jüdische Identität öffentlich zu zeigen, während fast die Hälfte schon einmal über eine Auswanderung nachgedacht hat. Die überwiegende Mehrheit der Befragten fühlt sich nicht ausreichend von staatlichen Strukturen und Initiativen geschützt oder unterstützt.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

https://fra.europa.eu/en/publication/2024/experiences-and-perceptions-antisemitism-third-survey

Quelle

European Union Agency for Fundamental Rights (2024). Jewish People’s Experiences and Perceptions of Antisemitism. Wien.

 

Jacobsen, Astrid/Bergmann, Jens (2024). Diskriminierungsrisiken in der Polizeiarbeit

Über die Publikation

Der Beitrag dokumentiert die Ergebnisse eines vierjährigen Forschungsprojekts am Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (IKriS) der Polizeiakademie Niedersachsen.

Methode

Es wurden drei Tätigkeitsfelder untersucht: „Einsatz- und Streifendienst, ausgewählte Bereiche kriminalistischer Ermittlung und Bereitschaftspolizei. Mittels teilnehmender Beobachtungen wird die polizeiliche Praxis zum empirischen Gegenstand erhoben. An ihr setzt die soziologische Analyse typischer Routinen, Praxismuster und Verfahren an [...].“ (2024a, 2)

Zentrale Befunde

„Allgemein gesagt identifizieren wir Diskriminierungsrisiken dort, wo der Arbeitsprozess Eindeutigkeit erfordert, während die im Hier und Jetzt verfügbaren Informationen aber Uneindeutigkeiten und prozessbezogene (nicht persönlich empfundene!) Unsicherheiten bereithalten“ (2024b, 8). Diskriminierungen können auf Basis des Forschungsprojekts nicht vorhergesagt werden, allerdings wurden diskriminierungsanfällige Momente innerhalb polizeilicher Prozesse identifiziert, die als Risikokonstellationen bezeichnet werden. Innerhalb der untersuchten Tätigkeitsfelder der Polizei werden in der Studie 12 Ansatzpunkte für eine diskriminierungssensible Polizeiarbeit herausgearbeitet „sowie eine Kritik am Konzept der „Clankriminalität“ formuliert“ (2024b, 35).

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

Jacobsen, Astrid/Bergmann, Jens (2024a): www.pa.polizei-nds.de/startseite/ikris/forschung/schriftenreihe_des_ikris/ sowie Jacobsen, Astrid; Bergmann Jens (2024b): https://www.pa.polizei-nds.de/download/77054

Quelle

Jacobsen, Astrid/Bergmann, Jens (2024a). Diskriminierungsrisiken in der Polizeiarbeit. Ergebnisse des Forschungsprojekts „Polizeipraxis zwischen staatlichem Auftrag und öffentlicher Kritik. Herausforderungen, Bewältigungsstrategien, Risikokonstellationen“. Schriftenreihe des Instituts für Kriminalitäts- und Sicherheitsforschung. Nienburg, IKriS sowie Jacobsen, Astrid/Bergmann Jens (2024b). Kurzfassung zum Forschungsbericht: Diskriminierungsrisiken in der Polizeiarbeit. Ergebnisse des Forschungsprojekts „Polizeipraxis zwischen staatlichem Auftrag und öffentlicher Kritik. Herausforderungen, Bewältigungsstrategien, Risikokonstellationen“. Nienburg, IKriS.

 

Laux, Thomas/Lindenauer, Teresa (2024). Engagiert und gefährdet. Ausmaß und Ursachen rechter Bedrohungen der politischen Bildung in Sachsen

Über die Publikation

„[M]it einem Fokus auf Sachsen untersucht diese Studie (1) welche Gefährdungen für Aktive in der politischen Bildung [...] bestehen, (2) welche Konfliktkonstellationen die Gefährdungen bedingen und (3) wie die erlebten Gefährdungen die Lebensführung der Aktiven in der politischen Bildung prägen.“ (Kurzfassung der Studie, 1f.)

Methode

„Die Studie nutzt ein methodenplurales Forschungsdesign. Dazu wurden zunächst Informationen mittels einer standardisierten Online-Umfrage unter Aktiven in der politischen Bildung in Sachsen erhoben. Anschließend wurden zehn Leitfadeninterviews mit Aktiven in der politischen Bildung geführt. Die Analyse der Konfliktkonstellationen erfolgt mit einer Qualitative Comparative Analysis.“ (Kurzfassung der Studie, 2)

Zentrale Befunde

„Die empirischen Erhebungen und Analysen zeigen, dass Aktive in der politischen Bildung in erheblichem Ausmaß Beleidigungen und gar Bedrohungen ausgesetzt sind. Körperliche Übergriffe spielen dabei glücklicherweise (noch) keine allzu große Rolle, wohl aber Störungen der Arbeit. Die befragten Personen nehmen größtenteils eine Steigerung der Gefahren innerhalb der letzten Jahre wahr, was jedoch bei einer sehr großen Mehrheit nicht zu Überlegungen über einen Wechsel der Tätigkeit führt. Die erlebten Bedrohungen, Beleidigungen und Störungen sind [ferner] als Mittel im Konflikt über die kulturelle Ordnung der Gesellschaft [...] zu verstehen [...]. Dabei zeigen sich zwei unterschiedliche Kontrollmechanismen: So werden zum einen von Seiten der Bewegung des autoritären Nationalradikalismus Bedrohungen, Beleidigungen und Störungen eingesetzt, um sich in der Zivilgesellschaft zu institutionalisieren und Räumungsgewinne zu erzielen [...]“ (S. 48).

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AP68-Engagiert-und-gefaehrdet.pdf

Quelle

Laux, Thomas/Lindenauer, Theresa (2024). Engagiert und gefährdet. Ausmaß und Ursachen rechter Bedrohung der politischen Bildung in Sachsen. Frankfurt a. M., Otto Brenner Stiftung.

 

Von Auer, Katja et al. (2023). Intersektionalität und Gewalt. Verwundbarkeiten von marginalisierten Personen und Gruppen sichtbar machen

Über die Publikation

Vor dem Hintergrund der alltäglich verübten geschlechtsbezogenen Gewalt und der Tatsache, dass besonders vulnerable Gruppen von Schutz und Hilfe strukturell ausgeschlossen werden, thematisiert der Sammelband die Frage, wie die Verwundbarkeit marginalisierter Personen und die Ausschlüsse, die sie erfahren, sichtbar gemacht werden können. Zusätzlich stellen praxisnahe Überlegungen einen zentralen Bestandteil des Sammelbandes dar.

Methode

Der interdisziplinäre Sammelband führt in 17 Aufsätzen Erkenntnisse von Autor*innen aus Praxis und Wissenschaft zusammen und basiert auf aktuellen Forschungsergebnissen und der Auseinandersetzung mit queer-feministischen Theorien.

Zentrale Befunde

Der Sammelband zeigt in unterschiedlichen Beiträgen verschiedene Aspekte geschlechterbezogener Gewalt auf und plädiert für eine intersektionale Öffnung dieses Begriffes. Durch diese Öffnung sollen nicht etwa Gewalterfahrungen relativiert, sondern vielmehr bestehende Herrschaftsverhältnisse wie bspw. Rassismus, Klassismus und Bodyismus in Bezug auf ihre Wechselwirkungen innerhalb von Gewalterfahrungen thematisiert werden. Durch eine konsequent intersektionale Analyse von Gewalt sollen besonders vulnerable Menschen in ihren Lebenssituationen angemessen unterstützt werden können. Während im Abschnitt „Differenzlinien“ Praktiker*innen und Expert*innen darlegen, wie besondere Vulnerabilität in Bezug auf Gewalt entstehen kann, werden in den Beiträgen im Abschnitt „Politik, Institutionen und Recht“ unterschiedliche strukturelle Bedingungen herausgearbeitet, die zu verschiedenen Verwundbarkeiten von Menschen führen können. Bestehende Probleme und Lösungsansätze in der Praxis des Gewaltschutzes werden im Abschnitt „Zugänge und Ansätze“ thematisiert.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

https://unrast-verlag.de/produkt/intersektionalitaet-und-gewalt/

Quelle

Von Auer, Katja/Micus-Loos, Christiane/Schäfer, Stella/Schrader, Katja (2023). Intersektionalität und Gewalt. Verwundbarkeiten von marginalisierten Personen und Gruppen sichtbar machen. Münster, Unrast-Verlag.