In Frankreich tobt seit Jahren eine Debatte über die Ursachen der Radikalisierung junger Menschen in den Dschihadismus. Dabei dreht es sich insbesondere um die Frage, welche Rolle der Islam dabei spielt. Während Forscher_innen wie Gilles Kepel davon ausgehen, dass wir es beim Dschihadismus mit einer Radikalisierung der Islamauslegung zu tun haben, stellt dem Olivier Roy seine These entgegen, dass wir es mit einer Islamisierung der Radikalität zu tun haben. Für Roy besteht die Faszination am dschihadistischen Terrorismus in der Revolte an sich und nicht in einer Hinwendung zu einem utopischen Heilsversprechen. Gewalt sei somit kein Mittel, sondern Zweck (S. 16). Laut Roy haben wir es demnach nicht mit einer religiösen Radikalisierung zu tun, sondern mit einer neuen Form der militanten Betätigung, die im Dschihad eine neue Ausdrucksform altbekannter Generationskonflikte findet, die zuvor bereits in andere Formen des westeuropäischen Terrorismus mündeten. Roys Thesen sind umstritten, allerdings ermöglichen sie eine differenzierte Perspektive auf den Gegenstand und räumen mit einigen Axiomen in der Radikalisierungs- und Terrorismusforschung auf.

Geeignet für: Vertiefung

Schlagworte: Dschihad, Radikalisierung, Terrorismus, Frankreich