Seit 2015 verdichteten sich in ganz Deutschland Bewegungen am rechten Rand, die versuchten, über die Flüchtlingsfrage eine neue rechte Mobilisierungswelle zu initiieren. Den deutlichsten Ausdruck stellten die Versuche rechtsextremer Gruppierungen dar, über das GIDA-Label aus der medialen Aufmerksamkeit der migrations- und islamfeindlichen Dresdner PEGIDA-Bewegung Profit zu schlagen. Es entfaltete sich eine Art Franchise-Operation: Rechtsextreme und neonazistische Gruppen verschafften sich ein annehmbares Äußeres, in der Hoffnung, breitere Kreise der Bevölkerung anzusprechen (Häusler 2017). Der Ausdruck des Protests, die Zusammensetzung der Teilnehmenden und der Erfolg variierten stark. Allerdings war der lokale Umgang in vielen Regionen Deutschlands (und darüber hinaus) ein Gradmesser des demokratischen Zusammenhalts (vgl. Marg et al. 2016). Eine dieser betroffenen Regionen war der Landkreis Lörrach im äußersten Südwesten der Bundesrepublik. Die ländlich geprägte Region in Baden-Württemberg war in der Vergangenheit nur vereinzelt mit rechtsextremen Vorfällen konfrontiert und ist geprägt von wirtschaftlicher Prosperität und politischer Stabilität. Umso überraschender war für viele, dass im Winter 2015/16 sieben rechtsextreme Demonstrationen in den beiden Städten Weil am Rhein und Kandern stattfanden. Sechs von ihnen firmierten unter dem Label Pegida Dreiländereck. Als sich kurze Zeit später ein Regionalverband der Neonazipartei Die Rechte gründete und eine Familie aus rassistischen Gründen wiederholt von einer rechtsextremen Clique attackiert wurde, war die Besorgnis über eine Eskalation der Situation groß.1 Das zeitgleiche starke Abschneiden der Alternative für Deutschland (AfD) ließ zudem einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Spielarten des Rechtsextremismus vermuten.
In Politik und Zivilgesellschaft stellte sich die Frage, wie die Ereignisse einzuordnen sind und langfristig eingedämmt werden können. Unter diesen Vorzeichen führten wir eine sechsmonatige Feldforschung in der Untersuchungsregion durch. Deren Kern war eine inhaltliche Analyse von Primärdokumenten und Zeitungsartikeln sowie die Befragung von Expert*innen vor Ort.2 Der vorliegende Beitrag abstrahiert von einem zentralen Ergebnis unserer Forschung: dem Scheitern der Gruppierung Pegida Dreiländereck. Während die meisten Studien und Berichterstattungen zu flüchtlingsfeindlichen Mobilisierungen eine stark problemorientierte Perspektive haben, nehmen wir das Scheitern einer Kampagne als Ausgangspunkt – auch um zu zeigen, dass ein starker Druck von rechtsaußen deutlich zurückgedrängt werden kann.
Woran scheiterten also die Mobilisierungsversuche in Lörrach? Und was können wir daraus lernen? Wir beschreiben zunächst die Besonderheiten der untersuchten Region und charakterisieren die rechte Szene vor Ort. In einem nächsten Schritt stellen wir das Vorgehen der rechten Akteur*innen vor. Schließlich beleuchten wir das zivilgesellschaftliche Engagement.
Rechtsextremismus im Ländle?
Die gegenwärtige rechte Welle wird zumeist als ein ostdeutsches Phänomen beschrieben und als urbanes Phänomen wahrgenommen. Während der Fokus der Aufmerksamkeit und der Forschung auf Sachsen, Brandenburg und Thüringen lag, versuchten rechte Agitator*innen (oft unter dem Radar der Öffentlichkeit), auch in westdeutschen Regionen menschenfeindliche Ideen zu verbreiten. Oft taten sie dies über eine radikalisierte Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Die teils breit aufgestellten Bündnisse ragten weit über die klassisch rechte Szene hinaus, organisierten sich über soziale Netzwerke und formierten sich anlassbezogen auf der Straße. Diese Form rechter ad-hoc Mobilisierung war im Westen Deutschlands geprägt von geringer Kontinuität. Zudem fehlte eine Strategie, um feste Strukturen aufzubauen. Obwohl Kandel als ein Symbol rechtsextremer Mobilisierungserfolge stilisiert wurde, konnte dieser Nimbus trotz vieler Versuche nicht auf andere Orte in Westdeutschland übertragen werden.
Rechtsextremes Protestgeschehen verlagert sich oft in Kreis- und Landeshauptstädte, die größere Menschenmassen leichter zusammenbringen und mehr Chancen haben, politisch Gehör zu finden. Im Kontrast zu den urban geprägten Aufmarschgebieten rechter Bewegungen in Baden-Württemberg in den letzten Jahren wirkt der Landkreis Lörrach, der wiederholt zum Aufmarschgebiet eines Pegida-Ablegers wurde und durch rechtsextreme Provokationen mediale Aufmerksamkeit bekam, wie eine Ausnahme. Ein Faktor, der erklären kann, wieso gerade Lörrach in den Fokus geriet, ist die Grenznähe zu Frankreich und der Schweiz, die die Region prägt. Berichte über organisierte Kriminalität, Drogenhandel und irreguläre Migration werden regelmäßig von rechtsextremen Agitator*innen in denselben Kontext gestellt. Besonders im Fokus steht Friedlingen, der direkt an der Grenze zu Frankreich und der Schweiz liegende Stadtteil von Weil am Rhein. Aus unseren Gesprächen vor Ort lässt sich schließen, dass soziale Abgehängtheit und politische Verdrossenheit hier in einem engen Zusammenhang mit Geländegewinnen von Rechtsextremen und dem überdurchschnittlich guten Abschneiden der AfD stehen. Rechtsextreme Akteure versuchten in den Jahren 2015/16 Friedlingen als politische Arena zu nutzen, um auf Grundlage der örtlichen Spannungen soziale Konflikte in ethnisch-kulturelle umzudeuten. Der besonders aktive Teil der rechtsextremen Szene wohnte in Friedlingen oder auf der französischen Seite der Grenze. Es ist daher kein Zufall, dass die meisten Kundgebungen und Demonstrationsversuche hier stattfanden.
Der Landkreis Lörrach fiel in der Vergangenheit selten als rechtsextremer ‚Hotspot‘ im Bundesland Baden-Württemberg auf (vgl. Fliege/Möller 2001). Unsere Interviewpartner*innen berichteten von vereinzelten Versuchen, in Jugendklubs und öffentlichen Lokalitäten sichtbar aufzutreten. Das heißt allerdings nicht, dass keine Vorfälle oder Strukturen existieren: Unter einer Vielzahl von Gruppennamen organisierte sich über Jahre hinweg ein ideologisch gefestigter Personenkreis, der immer wieder versuchte, das subkulturelle Neonazispektrum in Kameradschafts- oder Parteistrukturen zu organisieren. Hierzu zählten der 2009 gegründete Lörracher ‚Stützpunkt‘ der Jungen Nationaldemokraten (JN). Die jugendlich geprägte Gruppe rekrutierte ihre Mitglieder aus dem subkulturell orientierten Spektrum besonders nach dem Niedergang der Freien Kräfte Lörrach (zuvor: Aktionsgruppe Lörrach). Dieser Kameradschaftsverband löste sich auf, nachdem Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Waffenbesitzes gegen deren Mitglieder aufgenommen wurden. Aufsehen erregte die neonazistische Szene aus der Region, als im August 2009 bei dem JN-Stützpunktleiter Thomas B. 22 Kilogramm Rohmaterial gefunden wurde, das sich zum Bau einer Rohrbombe eignete. Im Kontext der Migrationsbewegungen ereigneten sich nach 2015 vereinzelt Angriffe auf muslimische Einrichtungen und politische Gegner*innen. Es gibt zwei dokumentierte Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte.
Auffällig in dieser Region ist, dass rechtsextreme Organisationen meist eine kurze Lebensdauer besaßen. Im Untersuchungszeitraum hatten wir es mit Neugründungen und Umstrukturierungen in der rechtsextremen Szene zu tun. Was bedeutet das? Wir hatten es, erstens, mit einem kleinen, aber entschlossenen Kreis von Neonazis zu tun, der hauptsächlich in Weil am Rhein agierte. Über Jahre hinweg hat er trotz innerer Zerstrittenheit und geringem Output einen kollektiven Handlungszusammenhang aufrechterhalten, der sich immer wieder in verschiedener Form manifestiert. Zweitens, mit dem Aufkommen von Pegida Dreiländereck zeigte sich, dass dieser Kreis es erstmals schaffte, mit weiteren rechtsextremen Gruppen zu kooperieren und Menschen anzusprechen, die vorher nicht in rechtsextremen Kreisen aktiv waren. Durch die Aktivierung von rechtsextremen Schweizer Kadern zeigte sich, dass im Landkreis Lörrach gezielt versucht wurde, Anhänger*innen zu rekrutieren.
Mobilisierungsversuche im Rahmen der Flüchtlingsbewegungen
Rechtsextremes Denken ist fast überall in der Republik anzutreffen, doch das Potenzial setzt sich nicht automatisch in Handlungen, z. B. in Wahlentscheidungen und Demonstrationsteilnahmen, um. Dafür benötigt es Strukturen, die Vorurteile und Ressentiments kanalisieren, die Druck auf die Politik ausüben und eigene Strukturen bilden. Scharnierthemen wie die Kritik bzw. Ablehnung von Migration und Islam sind verbindende Elemente, mit denen weit in das konservative Lager gewirkt werden soll (Held et al. 2017). Insgesamt fanden zwischen November 2015 und Januar 2016 sieben Kundgebungen in den beiden Städten Weil am Rhein und Kandern statt, die mit durchschnittlich 50 bis 60 Menschen besucht waren. Gehen wir an den Ausgangspunkt zurück, sehen wir, dass es die etablierten rechtsextremen Kader waren, die unter dem Label Friedlicher Widerstand Dreiländereck zu einer Demonstration über Facebook aufriefen. Nicht einmal 15 Leute beteiligten sich in Weil am Rhein an einem angekündigten ‚Spaziergang‘, der durch antifaschistischen Gegenprotest verhindert wurde. Die Rhetorik ist eindeutig von den Pegida-Versammlungen in Dresden inspiriert und der Wille, von deren medialen Aufmerksamkeit zu profitieren, ist leicht durchschaubar.
In der Folge kam es zu einer Verbindung mit den Schweizer Pegida Aktivisten Ignaz Bearth und Tobias Steiger, die beide in der völkisch-nationalistischen Partei National Orientierter Schweizer aktiv waren bzw. sind. Ignaz Bearth entwickelte sich zu einem zentralen Redner auf Pegida-Demonstrationen und organisierte selbst Kundgebung unter dem Namen Pegida Schweiz, bis er mit Pegida-Frontmann Lutz Bachmann brach. Es ist deutschlandweit ein Unikum, dass sich aus diesen persönlichen und politischen Kontakten ein Pegida-Zusammenschluss herausbildete, der sich über die Bundesgrenze hinaus organisierte und ihre Anführer im Ausland hatte. Schließlich schloss sich der AfD-nahe Lokalpolitiker Klaus Springer, der aus Friedlingen kommt und früher CDU-Gemeinderatskandidat war, Pegida an.3 Springer gilt durch seine verschwörungstheoretischen und vulgären Äußerungen als eine kontroverse Figur in der Lokalpolitik. Seine politische Tätigkeit besteht hauptsächlich im Verbreiten und Kommentieren von Nachrichten über Facebook. Mit mehr als 12.000 Follower*innen haben die von ihm administrierten Gruppen eine beachtliche Reichweite im Landkreis.
Auf den Kundgebungen selbst wirken die Protestteilnehmenden den Videoaufzeichnungen nach verloren: Viele kleine Gruppen stehen zusammen, allerdings scheint sich kein Zusammenhang herauszubilden. Über Wochen hinweg wurden die immer gleichen Redner*innen präsentiert. Migration, Islam und Merkel bilden die Eckpunkte der polemischen, uniformen und hetzerischen Reden. Allerdings war das Talent der Redner*innen, die Teilnehmenden zum aktiven Mitmachen zu bewegen, begrenzt. Die geringe Bindungskraft wurde versucht, durch eine Konzentration auf Kampagnen und Aktivitäten in Online-Diskussionsforen auszugleichen. Dies trifft auf einen generellen Trend rechtsextremer Mobilisierungen: Soziale Medien sind unerlässlich für die Formierung von Protestbewegungen und die Ausweitung von Resonanzräumen rechtsextremer Botschaften (Valjent et al. 2013). Das Schaffen einer Gegenöffentlichkeit und der Aufbau von rechten Alternativmedien gelten sowohl in Deutschland als auch international als ein Erfolgskonzept, um eigene (toxische) Narrative in Umlauf zu bringen (Baldauf et al. 2016).
Bei der Übersetzung von diffusen Online-Ressentiments in lokales Protestverhalten spielen rechte Bewegungsunternehmer*innen eine zentrale Rolle (Erb 2006). Allerdings waren alle vorgestellten Schlüsselfiguren mit Makeln behaftet: Die Gruppe um den rechtsextremen Kader Andreas Weigand ist wegen ihrer neonazistischen Einstellungen für viele untragbar, die Gruppe um die Schweizer Aktivisten ist lokal schlecht verankert und die Eskapaden von Klaus Springer verliehen den Kundgebungen einen unseriösen Charakter.
Das Scheitern einer Mobilisierung
Die rechten Mobilisierungsbemühungen im Landkreis Lörrach scheiterten schon nach wenigen Wochen. Der fehlende Zuwachs an Teilnehmenden und die starken Reaktionen aus der Zivilgesellschaft mündeten in internen Streitigkeiten innerhalb des Organisationsteams. Die fehlende Organisationsfähigkeit war ein prägendes Merkmal der Kundgebungen: Technische Probleme prägten jede Versammlung, angekündigte Redner*innen kamen nicht, unter den Teilnehmenden mangelte es an Interesse – viele gingen vor Versammlungsende. Das belegt eine fehlende Kreativität, eigene inhaltliche Akzente zu setzen und zeigt einen Mangel an Know-how, die politischen Entwicklungen im Bund mit denen im Landkreis Lörrach zu verbinden. So fehlte es der Mobilisierung an lokalen Anlässen, die Menschen zum Handeln zu bewegen. Erst im April 2018 versuchte der gleiche Personenkreis, den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete zu politisieren.4
Pegida war ein etabliertes Label, das für die extreme Rechte versprach, über das traditionelle Milieu hinaus zu mobilisieren und Wissen aus anderen Zusammenhängen zu akquirieren. Allerdings dauerte es nach dem Scheitern, dieses Label in der Region zu etablieren, nicht lange, bis sich die Szene zu reorganisieren versuchte. Dem bundesweiten Trend folgend, sich unter dem Schutz des Parteienrechts zu stellen, gründeten die rechtsextremen Kader einen Ortsverband der neonazistischen Partei Die Rechte und zeigten damit deutlich, wessen Geistes Kind sie sind. Der Versuch, eine Demonstration im September 2016 in Weil am Rhein durchzuführen, scheiterte frühzeitig.5 Weitere Beachtung fand die Bedrohung einer jungen Familie im Stadtteil Friedlingen, die gezielt angegriffen und terrorisiert wurde.6 Diese Form der Isolierung und Radikalisierung ist allerdings weniger ein Zeichen der Stärke, sondern drückt vielmehr das Scheitern einer rechtsextremen Kampagne aus, da sich deren Akteur*innen nun stärker in subkulturell homogene Bereiche zurückzogen.
Einen neuen Schub erhoffte man sich durch die Initiierung des Frauenbündnisses Südbaden. Dafür stellte das Frauenbündnis Kandel eine Blaupause dar. Die sich als ‚Stimme von Kandel‘ darstellende Myriam Kram traf sich gleich zu Beginn mit Vertreterinnen des Bündnisses. Man konnte sich an den Erfolgen und Fehlern der Bewegung orientieren, akquirierte hunderte von Facebook-Likes, die die Unterstützung des Bündnisses massiver aussehen ließen. Allerdings wurde schnell deutlich, dass das Frauenbündnis Teil der rechtsextremen hybriden Netzwerke war und durch eben jene Schweizer Aktivisten gesteuert wurde, die auch Pegida mit initiierten. Während die wahren Intentionen durch die kodierte Sprache auf der Facebookseite anfangs nur wenigen zugänglich waren, wurden viele offen rechtsextreme Inhalte über VK, das russische Pendant zu Facebook, kommuniziert.
Die wiederkehrenden Versuche, sich zu reorganisieren, zeigen: Das extrem rechte Potenzial ist weiterhin in der Region vorhanden und Lörrach bleibt als Aktivitätsgebiet attraktiv. Das künftige Scheitern dieser Versuche hängt auch weiterhin vom schnellen und entschlossenen Reagieren der Zivilgesellschaft ab.
Zivilgesellschaft 2.0
Nachdem wir die Angebote extrem rechter Gruppierungen betrachtet haben, wenden wir uns den zivilgesellschaftlichen Aktionen zu. Insgesamt lassen sich drei Kategorien von Engagement ausmachen: zum einen langfristige, mit Geflüchteten solidarisch arbeitende Gruppen; zweitens breite Bündnisse, die aus einer Vielfalt an Partner*innen jeweils lokal entstanden; drittens dauerhafte Formen der Begegnung und Bildung für Vielfalt. Sie sind das Rückgrat der demokratischen Zivilgesellschaft in Lörrach, die kurz- oder langfristig eine Alternative zum Rechtsruck aufbauen.
Eine der am längsten wirkenden Initiativen, die sich für die Bedarfe von Geflüchteten einsetzen, ist der Arbeitskreis Miteinander. Die zweite Möglichkeit bürgerschaftlichen Engagements gegen rechts finden wir in Bündnissen. Dies bedeutet, dass verschiedene Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen gemeinsam Aktionen planen. Ein Beispiel hierfür ist das Weiler Aktionsbündnis Miteinander. Es entstand kurz nach den öffentlichen Aktionen des Friedlichen Widerstandes bzw. Pegida Dreiländereck 2015/16 in Weil am Rhein. In dem Bündnis fanden sich Vertreter*innen aus sozialen Einrichtungen, Vereinen, Kirchen, des Gemeinderates und Einzelpersonen sowie Aktive des Stadtteilvereins in Weil wieder. Die dritte Variante, für Vielfalt und Menschlichkeit zu werben, findet über Begegnungsorte und Bildungsangebote statt. Im breiten Angebot nehmen wir das Beispiel Bücherei Kandern. Diese bietet neben Lesungen auch Schreibwerkstätten an. Diese helfen, die eigene Selbstäußerungskompetenz zu stärken. Allen vorgestellten Projekten ist gemein, dass sie mit unterschiedlichen Zielgruppen arbeiten und somit breite Bevölkerungsschichten abdecken. Dadurch sind sie inhaltlich festgelegt, aber offen für die Beteiligung von Menschen verschiedener Kontexte.
Kritisch betrachtet werden muss: Der vermehrten Nutzung und Vereinnahmung des Internets durch extrem rechte Positionen stellen die zivilgesellschaftlichen Akteur*innen selten etwas entgegen. Es fehlen im Internet konkrete Protest- und Organisationsformen. Doch genau hier weist die extreme Rechte aktuell ihr größtes Mobilisierungspotenzial auf. Eine gute Selbstdarstellung im Netz fördert nicht nur das Verständnis der Bevölkerung für die demokratischen Projekte, sondern hilft auch, Interessierte zum Engagement zu motivieren. Es könnten neue Ehrenamtliche gewonnen oder auf aktuelle lokale Ereignisse schnell und flexibel reagiert werden. Die öffentliche politische Stellungnahme vonseiten der Zivilgesellschaft im Internet ist unerlässlich, um keine Normalitätsgewinne der Rechten zuzulassen.
Fazit
Dieser Beitrag hat mit einer besonderen Fallstudie gezeigt, dass es gerade im ländlichen Raum auf schnelle und vielfältige Reaktionen ankommt, die einer Verfestigung rechtsextremer Demonstrationspolitik entgegenstehen und – neben eigenem Unvermögen – zum Scheitern einer rechten Mobilisierung führen können. Im Fall des Landkreises Lörrach können wir festhalten, dass es eine starke sowohl kurz- als auch langfristige Arbeit zivilgesellschaftlicher demokratischer Gruppen gibt. Diese haben sich gegen Pegida Dreiländereck offen bekannt. Das führte dazu, dass wenig Raumgewinne dieser Gruppe zu verzeichnen waren. Offen bleibt, ob die vergleichsweise geringe Präsenz der Zivilgesellschaft im Internet über kurz oder lang zur Vereinnahmung und somit zu Raumgewinnen an anderer Stelle als im öffentlichen Raum führen wird. Sich mit dem Scheitern einer rechten Mobilisierung auseinanderzusetzen soll nicht heißen, die Potenziale des organisierten Rechtsextremismus oder latente Einstellungsmuster zu unterschätzen, die sowohl in Lörrach als auch sonst überall verbreitet sind. In einer Zeit, in der die Inszenierung des Protests wichtiger wird als der Protest selbst, muss allerdings rechten Medienstrategien der Empörung und Skandalisierung mit besonderer Sensibilität entgegnet werden. Nach 2015 stellte die Debatte um Flucht und Asyl eine Gelegenheitsstruktur für die extreme Rechte dar, diskursiv und praktisch eine „atmosphärische Verdichtung“ (Held 2008: 42) von Vorurteilen und Abwertungseinstellungen zu erzeugen, die durch Desinformationskampagnen und Manipulationsversuche befeuert wurden. Diese gilt es, durch robuste Analysen zu entschärfen.
1 Die Oberbadische (01.12.2016): Kreis Lörrach: Für ein friedvolles Miteinander. Online: www.verlagshaus-jaumann.de/inhalt.kreis-loerrach-fuer-ein-friedvolles-miteinander.fadd459a-7492-4a74-9939-5dfe81fdd736.html [05.01.2019].
2 Der vollständige Bericht erscheint unter dem Titel: Fielitz, Maik/Müller, Lisa (i.E.): Rechte Mobilisierung und Demokratische Kultur. Eine Regionalstudie zur Untersuchung von Herausforderungen und Handlungsstrategien für die demokratische Kultur im Landkreis Lörrach. Hrsg. von: Demokratiezentrum Baden-Württemberg.
3
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4
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5
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