Aktuelles aus der Forschung: Bereich Rechtsextremismusforschung

Schwerpunkt „Gesellschaftlicher Zusammenhalt & Rassismus“

 

Im Kapitel „Aktuelles aus der Forschung“ werden Kurzzusammenfassungen ausgewählter wissenschaftlicher Publikationen internationaler Autor:innen zum Schwerpunktthema des Bandes präsentiert. In alphabetischer Reihenfolge vorgestellt werden im Folgenden wissenschaftliche Studien, Artikel und Bücher zum Thema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt & Rassismus“ aus dem Bereich Rechtsextremismus sowie aus dem Bereich Vielfalt, Engagement und Diskriminierung. Die Inhalte der jeweiligen Publikationen werden entweder zusammengefasst wiedergegeben oder es werden Passagen direkt aus den angegebenen Originalquellen zitiert; diese Stellen sind dann mit Anführungszeichen versehen.

Austermann, Nele et al. (2022). „Recht gegen rechts“ Report 2022

Über die Publikation

Der „Recht gegen rechts“ Report 2022 ist ein Sammelband, herausgegeben von kritischen Journalist:innen und Jurist:innen, der die wichtigsten Prozesse und Urteile aus dem vergangenen Jahr juristisch aufarbeitet und gesellschaftlich einordnet.

Methode

Anhand exemplarischer Fallschilderungen, z. B. zum juristischen und gesellschaftlichen Umgang mit der AfD, mit rechtsextremen Gewalttaten oder Diskussionen um den Schutz der EU-Außengrenzen, werden die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung in Deutschland und weltweit dokumentiert. Die prominenten Autor:innen (u. a. Georg Restle, Katarina Barley, Volker Beck, Mehmet Gürcan Daimagüler, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger) lassen sich dabei von folgender Einsicht leiten: „Rechtsextreme verstehen das Recht als Arena ihrer politischen Kämpfe und versuchen, es für ihre Zwecke auszunutzen. Wenn alle diese Versuche dokumentiert und bewertet werden, ist ein wichtiger Schritt getan, um sich besser wehren zu können.“ (S. 2)

Zentrale Befunde/Aussagen

Die kritische Beobachtung der Rechtsprechung durch die Zivilgesellschaft ist notwendig, auch 2022, wo viele Ankündigungen und Mahnungen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus folgenlos blieben. „Wie schon im ersten Report ‚Recht gegen rechts‘ 2020 verfolgen die Autor*innen dieses Jahrgangs deshalb akribisch und kritisch, wie sich die Institutionen des Rechts schlagen. Wie sie auf Neonazis reagieren – auch und gerade, wenn diese nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Wie sie, abseits schöner Worte, in der Praxis handeln. Auf wessen Seite sie sich stellen. Wie sie den Betroffenen von Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit beistehen. Und wie sie auch mit jenen Bedrohungen der Demokratie umgehen, die aus den Institutionen selbst kommen – etwa in Form von rechtsextremen Chatgruppen bei der Polizei.“ (S. 12)

Weiter heißt es: „Auf den starken Staat zu verzichten, muss man sich leisten können. Betroffene rechter Gewalt und diejenigen, die im Visier des Rechtsterrorismus stehen, sind auf den Schutz angewiesen, den der demokratische Rechtsstaat im Grundgesetz verspricht. Und bisher ist es nicht nachhaltig gelungen, die extrem rechten Kräfte alleine über die politische Auseinandersetzung zurückzudrängen. Die Diskussion, was hier zu tun ist und was hilft – und was nicht –, muss dringend weiter geführt werden. Auch mit diesem Report.“ (S. 13)

Die Publikation finden Sie hier:

www.fischerverlage.de/buch/recht-gegen-rechts-9783103971347

Quelle

Austermann, Nele/Fischer-Lescano, Andreas/Kleffner, Heike/Lang, Kati/Pichl, Maximilian/Steinke, Ronen/Vetter, Tore (2022) (Hg.). „Recht gegen rechts“ Report 2022. Frankfurt a.M., S. Fischer.

Baddiel, David (2021). Und die Juden?

Über die Publikation

Der britische Comedian und Drehbuchautor David Baddiel diskutiert in diesem Buch Befunde über die mangelnde Sensibilität für oder gar Akzeptanz von Antisemitismus durch Menschen, die von sich selbst sagen und denken, dass sie gegen jede Art der Diskriminierung seien. „Und die Juden?“, im englischen Original „Jews don’t count“, ist eine Bestandsaufnahme anhand zahlreicher Beispiele insbesondere aus dem britischen Twitter-Kontext und bietet Erklärungen für diesen Missstand.

Methode

Anhand zahlreicher eigener Beobachtungen macht Baddiel auf das Phänomen mangelnder Antisemitismus-Sensibilität aufmerksam. Dass er selbst Comedian und nicht Wissenschaftler ist, trägt dazu bei, dass seine Beobachtungen und Einsichten niedrigschwellig zugänglich sind.

Zentrale Befunde/Aussagen

Während man sich auf Twitter in bestimmten Kreisen darüber einig ist, dass alle Formen von Diskriminierung abzulehnen sind und diskriminierende Aussagen oft scharf und laut verurteilt, „zählt“ die Diskriminierung von Juden:Jüdinnen in eben jenen Kreisen oft nicht. Baddiel führt dies zum einen auf mangelndes Wissen über die Funktionsweisen von Antisemitismus zurück und dass sich dieser keineswegs auf die „Ablehnung einer Religion“ reduzieren lasse. Zum anderen deckt Baddiel anhand von linken und vermeintlich progressiven Diskussionen auf, dass Juden:Jüdinnen gerade deswegen in diesen Kreisen nicht „zählen“, weil sie als mächtig und privilegiert und eben nicht als diskriminiert gelten. Das Stereotyp, demzufolge Jüdinnen:Juden mächtig und privilegiert seien, ist aber selbst Kernbestand des Antisemitismus. So legt Baddiels Buch Zeugnis ab von Diskriminierungserfahrungen eines Juden auf Twitter. Baddiel regt zur Reflexion des eigenen Empfindens und Verhaltens an und formuliert eine Aufforderung an das sogenannte progressive Lager, Antisemitismus ernst zu nehmen – so wie alle Formen der Diskriminierung.

Die Publikation finden Sie hier:

www.hanser-literaturverlage.de/buch/und-die-juden/978-3-446-27148-7/

Quelle

Baddiel, David (2021): Und die Juden? München, Carl Hanser Verlag.

Bale, Jeffrey M./Bar-On, Tamir (2022). Fighting the last war. Confusion, partisanship, and alarmism in the literature on the radical right

Über die Publikation

In den vergangenen Jahren ist das Interesse am Thema Rechtsextremismus exponentiell gewachsen. Oft geht damit eine Einschätzung einher, dass es demokratische Gesellschaften mit einer stets weiteren Verschärfung der Gefährdungslage zu tun haben. Gegen diese als Alarmismus bezeichnete Tendenz in Forschung und Zivilgesellschaft argumentieren Jeffrey Bale und Tamir Bar-On, dass das Aufleben der radikalen Rechten stets überschätzt werde.

Methode

Der Ansatz der knapp 450-seitigen Monografie über den Stand der Forschung zur radikalen Rechte ist als Metaanalyse konzipiert.

Zentrale Befunde/Aussagen

Bale und Bar-On machen von Beginn an deutlich, worum es ihnen in dem Buch geht: Die öffentliche Debatte über die radikale Rechte sei getrieben von einer „moralischen Panik“, die einer marginalen Kraft zu einer nationalen Gefahr erhebe, den Kurs emotionalisiere und durch die eigene Befangenheit nicht an den Kern des Problems komme. Grund dafür sei eine Verschiebung akademischer Machtverhältnisse, die tribale Forschungs-Communitys schaffen, welche sich einem kritischen Dialog und notwendigen Debatten verweigern würden. Beim Lesen wirkt das Buch stellenweise wie ein Rundumschlag gegen sich als progressiv und antifaschistisch verstehende Forschung. Die Autoren sprechen wiederholt valide Punkte an – insbesondere die fehlende methodologische Empathie für den eigenen Forschungsgegenstand –, die methodische Ansätze zur Erforschung der radikalen Rechten ausschließen. Allerdings sind bis auf das Plädoyer zu konzeptueller Sorgfalt und einem möglichst unvoreingenommenen Blick wenig Anhaltspunkte gegeben, wie die Autoren sich eine andere Forschungspraxis vorstellen. Viele Passagen gehen in tiefe Fallstudien über, ohne den roten Faden beizubehalten, und versuchen eine definitorische Eindeutigkeit zu schaffen, die den heterogenen Phänomenbereich heute kaum noch abbilden kann. Nichtsdestotrotz wirft das Buch Debatten nach den normativen Grundlagen der Erforschung der radikalen Rechten auf.

Die Publikation finden Sie hier:

rowman.com/ISBN/9781793639370/Fighting-the-Last-War-Confusion-Partisanship-and-Alarmism-in-the-Literature-on-the-Radical-Right

Quelle

Bale, Jeffrey M./Bar-On, Tamir (2022). Fighting the last war. Confusion, partisanship, and alarmism in the literature on the radical right. Lanham/Boulder, New York/London, Lexington Books.

Benz, Wolfgang (2021). Querdenken: Protestbewegung zwischen Demokratieverachtung, Hass und Aufruhr

Über die Publikation

Der im November 2021 erschienene Sammelband vereint 16 Beiträge von Wissenschaftler:innen, Journalist:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft mit kritischen Analysen und Einschätzungen zur Anti-Corona-Protestbewegung.

Methode

Die Beiträge sind überwiegend qualitativ-empirisch bzw. beinhalten analytische Problembeschreibungen und deren Interpretation. Dabei werden unterschiedliche Facetten der Protestbewegung herausgearbeitet und durchleuchtet. Aus dem Inhaltsverzeichnis: „Querdenken: Usurpation und Radikalisierung – Verweigerer und Aufsässige“, „Zürnen mit der Obrigkeit – erboste Bürger im Kontakt mit Volksvertretern“, „Auf der Suche nach dem gemeinsamen Boden: Populistische Verschwörungserzählungen und die politische Jugendbildung“, „Die Radikalen von nebenan“, „Antisemitismus – Bindekitt für Verdrossene und Verweigerer“, „Warum sind Verschwörungsmythen so attraktiv?“, „‚Geeinte deutsche Völker und Stämme‘: Einblicke in die Reichsbürgerszene“, „Aufruhr in Stuttgart“, „Nicht angekommen? Ist Demokratieverdrossenheit ein besonderes Problem der Ostdeutschen? Ein Gespräch“ ...

Zentrale Befunde/Aussagen

„‚Querdenken‘ ist zum Markenzeichen einer Auflehnung geworden, die als ‚Bewegung‘ nach den Regeln des Marketing von Werbestrategen organisiert ist, die ihre Impulse von Populisten und Verschwörungsideologen, von Identitären und ‚Reichsbürgern‘, von Rechtsextremen, von kreidefressenden AfD-Politikern im Schafspelz, von Sektierern und Narren erhält. Provokation und Usurpation sind die Methoden, Ziel ist die Destruktion von Normen und Regeln, die friedlichem Miteinander und vernünftigem Interessensausgleich in Staat und Gesellschaft dienen. Ursachen sind die Verweigerung von Solidarität und Toleranz und die kollektive Entfaltung unbeschränkter Egozentrik.“ (S. 8)

Die Publikation finden Sie hier:

metropol-verlag.de/produkt/querdenken-protestbewegung-zwischen-demokratieverachtung-hass-und-aufruhr/

Quelle

Benz, Wolfgang (2021) (Hg.). Querdenken: Protestbewegung zwischen Demokratieverachtung, Hass und Aufruhr. Berlin, Metropol.

 

Institut für Demoskopie Allensbach (2022). Politischer Radikalismus und die Neigung zu Verschwörungstheorien. Ergebnisse einer Repräsentativumfrage

Über die Publikation

2022 führte das Allensbach-Institut im Auftrag des SWR eine Bevölkerungsbefragung zum Demokratievertrauen und zu autoritären sowie verschwörungsideologischen Einstellungen durch.

Methode

Für die Erhebung wurden im Zeitraum Jan-Feb. 2022 1.033 Personen befragt. Die Auswahl der Befragten erfolgte im Quotenverfahren und ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

Zentrale Befunde/Aussagen

Im Ergebnis zeigten sich relative hohe demokratieskeptische Einstellungspotenziale und deutliche Unterschiede in den politischen Haltungen ost- und westdeutscher Befragungsteilnehmer:innen.So gab knapp ein Drittel der Deutschen (31 %) an, sie würden nur „scheinbar in einer Demokratie“ leben, in der die Bürger:innen „tatsächlich nichts zu sagen“ hätten. Frappierend sind die regionalen Unterschiede. Während 28 % der Westdeutschen zustimmten, waren es unter ostdeutschen Befragten 45 %. Deutliche Unterschiede zeigten sich auch bei der Krisenwahrnehmung und dem Vertrauen in das politische System zur Krisenlösung. Bundesweit stimmten 28 % der Befragten zu, das „[…] unsere Gesellschaft unaufhaltsam auf eine große Krise zusteuert“, die nur „[…] wenn wir unser politisches System grundlegend ändern“, zu lösen wäre. Während in Westdeutschland rund ein Viertel der Befragten hier zustimmte, fand sich unter ostdeutschen Befragten eine deutlich höhere Zustimmung (40 %). Auch autoritäre Positionen sind im Osten (58–45 % je nach Item) stärker als im Westen ausgeprägt (44–28 %). Ein weiterer Schwerpunkt der Befragung lag auf der Affinität zu Verschwörungserzählungen im Kontext der Coronapandemie. Im Mittel stimmten 12,6 % der Befragten derartigen Verschwörungsnarrativen zu. Ostdeutsche Befragte stimmten einzelnen Aussagen – insbesondere solchen, die eine hohe Skepsis gegenüber Regierung und staatlichen Institutionen ausdrückten – erkennbar häufiger zu. Häufigere Verbreitung fanden die Verschwörungserzählungen tendenziell u. a. unter jüngeren Altersgruppen (15,2 %) gegenüber dem Durchschnitt (12,6 %).

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

www.presseportal.de/download/document/866899-allensbachstudie1.pdf

Quelle

Institut für Demoskopie Allensbach (2022): Politischer Radikalismus und die Neigung zu Verschwörungstheorien. Ergebnisse einer Repräsentativumfrage im Auftrag der FF Framework TV & Media GmbH.

Kärgel, Jana (2021). Terrorismus im 21. Jahrhundert

Über die Publikation

Der bei der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) erschienene, knapp 500 Seiten starke Band enthält Beiträge von 35 unterschiedlichen Autor:innen, die mit Bild- und Kartenmaterial angereichert sind. Der Band kann für 7,- Euro (zzgl. Versandkosten) bei der BpB bestellt werden.

Methode

Neben historischen Überblicksdarstellungen, politikwissenschaftlichen und soziologischen Dossiers sind Fallstudien, Täterbiografien und Interviews versammelt, die das weltweite Phänomen des Terrorismus auf anschauliche und informative Weise vermitteln – auch gegenüber einem Lesepublikum, das bisher über nur wenig Wissen über den Gegenstand verfügt. An die einleitenden Kapitel, in denen Terrorismus grundsätzlich erklärt, seine Geschichte vor der Zäsur der Terroranschläge vom 11. September 2001 und seitdem dokumentiert und zusammengefasst werden, schließen sich die knapper gehaltenen, abwechslungsreichen Beiträge an: Zunächst unter der Überschrift „Alles neu, alles anders? Dimensionen des ‚Neuen‘ im Terrorismus des 21. Jahrhunderts“, später unter der Überschrift „Antworten auf und Umgang mit Terrorismus im 21. Jahrhundert“. Die an diesem „Zeitbild“ (BpB) Beteiligten sind deutsche und internationale wissenschaftliche Expert:innen sowie Journalist:innen und Fotograf:innen, die u. a. Betroffenen von Terrorismus eine Stimme geben und Schauplätze terroristischer Anschläge – von New York über Afghanistan bis Halle (Saale) – porträtieren. Auch zwei IDZ-Kollegen sind unter den Autor:innen: Matthias Quent erläutert am Beispiel des Christchurch-Attentäters den „Terror im Namen der ‚Neuen Rechten‘“ (S. 164f.) sowie den Fall des OEZ-Attentäters von München (S. 406ff.); Maik Fielitz erklärt „Die digitalen Sphären des rechten Terrors: Neue Vermittlungsstrategien von Gewalt“ (S. 166).

Zentrale Befunde/Aussagen

„Islamistischer Terrorismus und Rechtsterrorismus sind die beiden zentralen Ideologien, die Terrorismus im 21. Jahrhundert prägen. Der Linksterrorismus, der insbesondere Westeuropa, aber auch die USA in den 1970er- und 1980er-Jahren erschütterte, wirkt vor allem durch die Erinnerung daran nach, beeinflusst aber als Referenzpunkt auch heute noch den Blick vieler auf das Phänomen ‚Terrorismus‘.“ (S. 9)

Die Publikation finden Sie hier:

www.bpb.de/shop/buecher/zeitbilder/344841/terrorismus-im-21-jahrhundert/

Quelle

Kärgel, Jana (2021) (Hg). Terrorismus im 21. Jahrhundert: Perspektiven. Kontroversen. Blinde Flecken. Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung.

 

Lamberty, Pia et al. (2022). Das Protestpotential während der COVID-19-Pandemie

Über die Publikation

Der Einfluss der organisierten Rechten auf das Protestgeschehen in Deutschland während der COVID-19-Pandemie war lokal verschieden, was eine Einordnung und Umgangsstrategien durch Politik, Medien und die Zivilgesellschaft erschwert. Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie hat deshalb eine repräsentative Erhebung durchgeführt, die sich mit den Teilnehmenden der weiterhin anhaltenden Proteste und deren Einstellungen befasst.

Methode

Die Ergebnisse der Studie beruhen auf einer Befragung, bei der eine repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung zu ihren Verhaltensweisen und Einstellungen befragt wurden. Die Rekrutierung der Teilnehmenden wurde so gewählt, dass die Stichprobe die Verteilung in der Gesamtbevölkerung nach zentralen Parametern wie Alter, Geschlecht und Bundesland widerspiegelt. Der Schwerpunkt der Befragung lag auf Verschwörungserzählungen sowie den Einstellungen zu den staatlichen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie. Die Daten wurden im Zeitraum vom 17.01–22.01.2022 online erhoben.

Zentrale Befunde/Aussagen

Die Befragung zeigt: Insgesamt haben 4,3 % der Menschen in Dtl. an Protesten gegen die staatlichen Coronaschutzmaßnahmen teilgenommen. Das Potenzial zur Mobilisierung liegt jedoch höher: Insgesamt gaben 11,1 % der Befragten an, dass sie auf jeden Fall oder eher bereit sind, an den Protesten teilzunehmen. Weitere 7,1 % gaben an, teilweise mit dem Gedanken einer Protestteilnahme zu spielen. Die Befragung zeigt zudem, dass bei der Bereitschaft, an Protesten teilzunehmen, der Impfstatus, die Wahlabsicht und ein ausgeprägter Verschwörungsglaube eine Rolle spielen. Die Protestierenden stammen zwar aus verschiedenen sozialen und politischen Milieus und wirken von außen heterogen, jedoch nehmen sie sich selbst als Einheit wahr, die sich gegen diverse „Feinde“ wehrt. Auch wenn im Moment die Teilnehmendenzahlen der Proteste rückläufig sind, haben die letzten zwei Jahre gezeigt, dass sich das Protestmilieu immer wieder neu erfindet und unterschiedliche Protestformen ausprobiert. Eine neue COVID-19-Welle im Herbst könnte den Protesten noch einmal Aufwind geben.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

cemas.io/blog/protestpotential/

Quelle

Lamberty, Pia/Holnburger, Josef/Goedeke Tort, Maheba (2022). Das Protestpotential während der COVID-19-Pandemie. Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS).

Mullis, Daniel/Miggelbrink, Judith (2020). Lokal extrem Rechts. Analysen alltäglicher Vergesellschaftungen

Über die Publikation

Die Herausgeberinnen Daniel Mullis und Judith Miggelbrink präsentieren in ihrem Sammelband 13 thematisch facettenreiche Kapitel. Darin werden alltägliche und lokale Konstellationen der extremen Rechten vorrangig aus einer qualitativen und räumlich differenzierten Perspektive in den Blick genommen. So schließen sie an internationale sowie im deutschsprachigen Raum geführte Debatten an und leisten einen Beitrag zur Akzentuierung raumbezogener und humangeografischer Rechtsextremismusforschung.

Methode

21 Autor:innen widmen sich den räumlichen Differenzierungen rechter Einstellungen und möglichen Erklärungsansätzen, den rechtsextremen Raumaneignungen in alltäglichen Vergesellschaftungen sowie den methodischen Herausforderungen qualitativer Forschung im Themenfeld.

Zentrale Befunde

Um aktuelle Machtkonstellationen, Normalisierungen der extremen Rechten sowie erfolgreiche Widerstände zu verstehen, ist ein genauer Blick auf historisch gewachsene lokale Ordnungen zentral. Dabei ist lokales Engagement, welches Raumnahmen zulässt oder zurückweist, Radikalisierung stoppt oder auch fördert, von enormer Bedeutung. So fußen die heutigen Erfolge der AfD in längst zurückliegenden lokalisierten Normalisierungsprozessen vergleichbarerer Positionen ihrer Vorgänger:innen und Wegbereiter:innen. Die Beiträge veranschaulichen, dass die regionalen Entwicklungen der extremen Rechten gerade aufgrund der Einbindung ihrer Politisierung in lokale Ordnungen so uneinheitlich sind. Ansätze, die auf großmaßstäblicher Ebene eindeutige Prozesse und Zusammenhänge benennen, können deshalb nur ein unvollständiges Bild zeichnen. Das betrifft sowohl vermeintlich klare Stadt-Land-Unterschiede wie auch die oft betonten Ost-West-Gegensätze. Der Band zeigt bezüglich der Gestaltungsmacht der extrem Rechten auf, dass im Lokalen nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern auch das polizeiliche Handeln von besonderer Bedeutung sind. Der Band legt den Mehrwert qualitativer Untersuchungen und lokaler Analysen als notwendige Ergänzung zur quantitativen Einstellungsforschung offen.

Die vollständige Publikation finden sie hier:

www.transcript-verlag.de/media/pdf/0e/0a/e7/oa9783839456842S4su0jkrs0UoE.pdf

Quelle

Mullis, Daniel/Miggelbrink, Judith (2020) (Hg.). Lokal extrem Rechts. Analysen alltäglicher Vergesellschaftungen. Bielefeld, transcript.

Reichardt, Sven (2021). Die Misstrauensgemeinschaft der „Querdenker“

Über die Publikation

Der im Juli 2021 erschienene Sammelband legt in zehn Beiträgen Konstanzer und Dresdner Wissenschaftler:innen differenzierte empirische Befunde zur Corona-Protestbewegung vor.

Methode

Der Sammelband ist in vier Abschnitte gegliedert: „Die Protestierenden“, „Im Netz“, „Situierte Praktiken vor Ort“ und „Resonanzen“. Die einzelnen Beiträge basieren auf unterschiedlicher Methodik und reichen von der Beobachtung der Großdemonstration in Konstanz im Oktober 2020 über teilstandardisierte Interviews mit Protestteilnehmer:innen, die Analyse von Bild- und Videomaterial der Interaktion auf den Protestveranstaltungen bzw. den dabei gezeigten Transparenten, Bannern, Symbolen usw. sowie der Analyse der ‚Querdenken‘-Chatgruppen bei Telegram bis hin zur Auswertung einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung zur Wahrnehmung der Proteste sowie Medienanalysen.

Zentrale Ergebnisse

„Die professionelle, in Teilen auch profitorientierte Bündelung und Lenkung der Proteste ermöglichte den Aufbau eines Netzwerks von Individuen, regionalen Gruppen und überregionalen Bewegungsorganisationen, das im Laufe des Jahres 2020 zahlreiche Demonstrationen und andere Protestaktionen organisierte. Der zeitweilige Erfolg der Bewegung wird sichtbar an den zahlreichen unter dem ‚Querdenken‘-Label veranstalteten Demonstrationen, die häufig hunderte, teilweise auch Zehntausende Teilnehmer:innen mobilisieren konnten. (S. 13) „Sowohl für die Organisation und Planung als auch während der Demonstrationen spielten digitale Kommunikationstechnologien und insbesondere die Nutzung von Smartphones eine große Rolle. Eine soziale Bewegung, die auf die Nutzung dieser Technologien verzichten würde, ist heutzutage kaum noch vorstellbar.“ (S.15) „Die Teilnehmer:innen der ‚Querdenken‘-Proteste eint weder ein politisches Programm noch eine gemeinsame politische Ideologie. Ihre Gemeinschaft ist in doppelter Hinsicht negativ definiert: einerseits durch die Ablehnung großer Teile der Infektionsschutzpolitik, andererseits durch das grundsätzliche Misstrauen gegenüber den politisch Handelnden, ihren wissenschaftlichen Ratgeber:innen und den etablierten Medien. An Misstrauen kann man sich ähnlich verlässlich orientieren wie an Vertrauen, insofern es ebenfalls eine – sogar recht drastische – Vereinfachung sozialer Komplexität ermöglicht.“ (S. 18)

Die Publikation finden Sie hier:

www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/soziologie/die_misstrauensgemeinschaft_der_querdenker-16801.html

Quelle

Reichardt, Sven (2021) (Hg.). Die Misstrauensgemeinschaft der „Querdenker“. Frankfurt a. M., Campus.

Scharloth, Joachim (2021). Hässliche Wörter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten

Über die Publikation

Die Monografie des LinguistenJoachim Scharloth wirft einen Blick auf „[d]as Wiedererstarken rechter Parteien und Denkweisen [...] in Deutschland [, das] zu einer wachsenden gesellschaftlichen Polarisierung [führt]. Ihr Medium ist die Sprache, die Neurechte von der AfD bis zu den Kommentatoren in den dunklen Ecken des Internets um ein unerschöpfliches Repertoire an Schimpfwörtern bereichert haben. Das Buch bietet eine akribische Sammlung von Beleidigungen und gibt so einen verstörenden Blick in die sprachlichen Abgründe neurechter Weltbilder.“ (aus dem Klappentext)

Methode

Der Schimpfwortschatz der neuen Rechten wurde korpuslinguistisch ermittelt. Dafür „wurden 29 Nachrichtenseiten und Blogs mitsamt ihrer Kommentare zunächst [...] automatisiert aus dem Netz heruntergeladen. Die Auswahl fiel auf solche Plattformen, die von der Szene selbst als rechts bewertet [...] wurden.“ Die „insgesamt 350 Mio. Wörter“ (S. 11) dieses Korpus wurden anschließend mit dem Wortschatz eines umfangreichen Referenzkorpus verglichen und statistisch, morphologisch und qualitativ analysiert, um eine Liste neurechter Schimpfwörter zu erstellen. Auf Basis dieser Liste werden in einzelnen Kapiteln typische Wortbildungsarten der neuen Rechten sowie ihr Gebrauch in verschiedenen Gesellschafts- und Politikdomänen (z. B. Geografie, Medien, Wissenschaft, Religion, Wirtschaft, Familie) besprochen.

Zentrale Befunde/Aussagen

Die analytische Interpretation des Schimpfwortschatzes der neuen Rechten gibt einen umfassenden „Einblick in die oft widersprüchliche Ideologie der Neurechten. [...] Die Neuschöpfung von abwertenden Wörtern in allen Politikbereichen ist ein Frontalangriff auf die herrschende Semantik und mit ihr auf die Werte, die öffentliches Handeln steuern. Denn bestimmte begriffliche Fassungen der Welt machen auch ein bestimmtes Handeln plausibel.“ (S. 9) „In den vielfältigen Formen herabwürdigenden Sprechens wird [...] ein ganzes Weltbild sichtbar, das geprägt ist von wenigen binären Grundunterscheidungen. Mit ihnen teilen Neurechte die Welt in gut und schlecht, wertvoll oder nutzlos ein“ (S. 243)

Die Publikation finden Sie hier:

link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-63502-5

Quelle

Scharloth, Joachim (2021). Hässliche Wörter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten. Heidelberg, Metzler.