Aktuelles aus der Forschung: Bereich Vielfalt, Engagement und Diskriminierung

Schwerpunkt „Gesellschaftlicher Zusammenhalt & Rassismus“

 

Im Kapitel „Aktuelles aus der Forschung“ werden Kurzzusammenfassungen ausgewählter wissenschaftlicher Publikationen internationaler Autor:innen zum Schwerpunktthema des Bandes präsentiert. In alphabetischer Reihenfolge vorgestellt werden im Folgenden wissenschaftliche Studien, Artikel und Bücher zum Thema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt & Rassismus“ aus dem Bereich Rechtsextremismus sowie aus dem Bereich Vielfalt, Engagement und Diskriminierung. Die Inhalte der jeweiligen Publikationen werden entweder zusammengefasst wiedergegeben oder es werden Passagen direkt aus den angegebenen Originalquellen zitiert; diese Stellen sind dann mit Anführungszeichen versehen.

Ahmed, Sara (2021). Complaint!

Über die Publikation

Sara Ahmed fokussiert Universitäten als institutionelle Orte, in denen Macht und Teilhabe verhandelt und Machtmissbrauch angeklagt werden. Im Zentrum steht das Erleben derer, die eine formale Beschwerde einreichen, ihre Wahrnehmung des Prozesses und seine Auswirkungen sowohl auf die Beschwerer:innen selbst als auch die Universität als soziales Umfeld.

Methode

Datengrundlage sind 40 Interviews mit „students, academics, researchers, and administrators [...]“ (S. 10) sowie 18 schriftliche Berichte und weitere informelle Gespräche.

Zentrale Befunde/Aussagen

Am Anfang einer jeden formellen Beschwerde steht ein Prozess der Bewusstwerdung des Problems bzw. der Diskriminierung, über das sich beschwert wird. Ahmed beschreibt die Schwierigkeit der Bewusstwerdung als „a difficulty you have in relation to the world […] The experience of reaching complaint […] changes your relationship to yourself as well as the world around you“ (S. 108). Dazu gehört eine neue Wahrnehmung und Entfremdung von der Institution, in der die Diskriminierung erlebt wurde. Das Erleben von Diskriminierung „becomes more difficult to process because to recognize what is going on can mean giving up a belief in an organization. It can be a lot to give up, […] that belief the organization you work for shares your beliefs.“ (S. 66) Ahmed beobachtet das Aussprechen von Warnungen als zentralen Mechanismus, der einerseits Beschwerden erschwert und andererseits zur Reproduktion diskriminierender Systeme führt. Somit kann es keine neutral Position geben, denn „[n]ot taking sides is taking sides: it is trying to stop the complaint about harassment rather than trying to stop the harassment“ (S. 133). Das Resultat: bleibende institutionelle Diskriminierung und Homogenität: „Those who most need to complain are those who cannot afford to complain. Those who most need to complain and cannot afford to complain often leave. [...] The escalation of violence against those who complain about violence is how violence remains.“ (S. 136)

Die Publikation finden Sie hier:

www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9781478022336/html

Quelle

Ahmed, Sara (2021). Complaint! Durham/London, Duke University Press.

 

Aikins, Muna AnNisa et al. (2021). Afrozensus 2020 – Perspektiven, Anti-Schwarzer Rassismus und Engagement Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland

Über die Publikation

Der Afrozensus 2020 bildet die bisher größte durchgeführte Studie zur Erfassung Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Lebensrealitäten innerhalb Deutschlands und ist somit ein Erhebungsinstrument, „welches die Verwobenheit afrodiasporischer mit postkolonialer deutscher Geschichte und Gegenwart auf einer empirischen Basis sichtbar zu machen vermag“ (S. 12).

Methode

Die Erhebung der Daten ist nach dem Mixed-Methods-Ansatz erfolgt. Zur Gewinnung quantitativer Daten wurde eine Online-Befragung über einen Zeitraum von vier Monaten 2020 durchgeführt. Für die qualitative Erhebung fanden Fokusgruppen und Interviews statt.

Zentrale Befunde/Aussagen

In der Befragung zu Diskriminierungserfahrungen in 14 Lebensbereichen konnte festgestellt werden, dass insbesondere „Befragte mit Beeinträchtigung in allen Lebensbereichen signifikant häufiger angeben, in den letzten zwei Jahren diskriminiert worden zu sein“ (S. 94). Cis-Frauen gaben meist die Lebensbereiche Bildung, Gesundheit, Öffentlichkeit und Freizeit, Kunst und Kultur und Privatleben als Orte, an denen sie Diskriminierung erfahren an, während Cis-Männer insbesondere die Lebensbereiche Wohnungsmarkt, Polizei, Sicherheitspersonal sowie Geschäfte und Dienstleistungen nannten. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen insbesondere im Gesundheitswesen Diskriminierung erleben. „Insgesamt gehen 98 % der Afrozensus-Befragten (von n = 4.339) davon aus, dass es im Bereich ‚Gesundheit und Pflege‘ zu Diskriminierung kommt“ (S. 151). In diesem Kontext identifizierten die Teilnehmenden der Studie „‚Schwarze Professionelle Expertisen‘ und die ‚Thematisierung von ASR‘ als zentral für die Antirassismusarbeit sowie für Empowermentarbeit“ (S. 156). Innerhalb der Studie werden in allen Kontexten Schwarze Präsenz und Schwarzes Engagement als Empowermentquellen hervorgehoben (S. 247).

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

afrozensus.de/reports/2020/Afrozensus-2020-Einzelseiten.pdf

Quelle

Aikins, Muna AnNisa/Bremberger, Teresa/Aikins, Joshua Kwesi/Gyamerah, Daniel/Yıldırım-Caliman, Deniz (2021). Afrozensus 2020: Perspektiven, Anti-Schwarze Rassismuserfahrungen und Engagement Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland, Berlin.

Bendel, Petra et al. (2021). Auswirkungen und Szenarien für Migration und Integration während und nach der Covid-19 Pandemie

Über die Publikation

„Die [...] Studie untersuchte die Auswirkung der durch die Pandemie veränderten Umstände auf Migration und auf die Integration in Deutschland.“ (aus der Beschreibung)

Methode

Aufgrund mangelhafter Datenlage „nutzte die […] Studie die Technik des Scenario-Buildings, um mit Expert:innen mittels der „Shell-Methode“ mehrere plausible Szenarien zur mittelfristigen Zukunft der Migration und vor allem der Integration in Deutschland zu entwickeln“ (S. 8).

Zentrale Befunde/Aussagen

Negative Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Dtl. sind nahezu in allen Bereichen wie Mobilität, Gesundheit, Wohnen, Arbeit, Bildung und Diskriminierung und Rassismus enthalten. Im Bereich Gesundheit kam es zu migrationsspezifischen Barrieren insb. bei vulnerablen Gruppen wie „Menschen mit Behinderung [...]“ (S. 31). Außerdem war der Zugang zu psychologischen und psychiatrischen gesundheitlichen Diensten eingeschränkt. Die Sammelunterkünfte boten keinen Infektionsschutz und der Zugang zu Hygienemaßnahmen konnte nicht gewährleisten werden. „Hinzu kommt die psychische und mentale Verfassung der Menschen in den Unterkünften“ (S. 34). „Auch der Zugang zu Schulbildung […] und zu Sprach- und Integrationskursen […] erwies sich infolge von Home-Schooling als schwierig“ (S. 6). Diskriminierende und rassistische Diskurse gegenüber Geflüchteten und Migrant:innen wurden vor allem seit Beginn der Pandemie in sozialen Netzwerken verstärkt geführt. Auf Grundlage dieser Tendenzen wurde ein Zukunftsbild mit drei Szenarien entworfen: 1) Die Exklusionsgesellschaft, welche weniger solidarisch, sicherheitsfixiert und rassistisch ist und somit Migration verhindert und Assimilation an die Stelle von Integration und Inklusion setzt; 2) Die utilitaristische Gesellschaft mit einer Migrationspolitik, die „selektiv nach qualifizierten, gesunden und jungen Migrant:innen Ausschau“ (S. 4) hält; 3) Die teilhabeorientierte Gesellschaft, welche aus der COVID-19-Pandemie gelernt hat und „den Beitrag aller zu allen Teilbereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens wertschätzt […] und somit auch die politische Inklusion vorantreibt“ (S. 5). Auf Grundlage der drei Szenarien wiederum wurden Handlungsempfehlungen generiert.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

www.covid-integration.fau.de/files/2021/04/studie_covid19-integration_fau.pdf

Quelle

Bendel, Petra/Bekyol, Yasemin/Leisenheimer, Marlene (2021). Auswirkungen und Szenarien für Migration und Integration während und nach der Covid-19 Pandemie. Erlangen, Institut für Pol. Wissenschaft.

Coffey, Judith/Laumann, Vivien (2021). Gojnormativität – Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen

Über die Publikation

Judith Coffey und Vivien Laumann legen einen Vorschlag vor, wie die bisherige Leerstelle des Antisemitismus in intersektionalen Debatten gefüllt werden kann. Damit versteht sich das Buch als Intervention in die aktuellen Antisemitismus- und Intersektionalitätsdiskurse. Sie beziehen sich insb. auf Deutschland und Österreich sowie auf den Diskurs der Mehrheitsgesellschaft und auf innerlinke Debatten. Ihr Ziel ist es, neben der Sichtbarmachung von Juden:Jüdinnen in Intersektionalitätskonzepten, Ansatzpunkte für solidarische Bündnisse zu liefern.

Methode

Judith Coffey und Vivien Laumann beziehen sich in ihrem Buch sowohl auf wissenschaftliche als auch aktivistische Debatten sowie auf persönliche und (familien-)biografische Erfahrungen.

Zentrale Befunde/Aussagen

Coffey und Laumann führen den Begriff der „Gojnormativität“ ein, um Mechanismen zu bezeichnen, durch die „das Nicht-Jüdische zur Norm erklärt wird, und dadurch das Jüdische und jüdische Menschen entweder unsichtbar gemacht, (bewusst oder unbewusst) ausgeschlossen oder in eine ganz bestimmte, vorgegebene Rolle gedrängt werden“ (S. 19). Dabei bezieht sich die Bezeichnung „Goj“ auf Nicht-Jüd:innen. Coffey und Laumann analysieren die Bedeutung der Gojnormativität u. a. für die reduzierte Wahrnehmung von Juden:Jüdinnen auf das Dreieck Antisemitismus, Shoa und Israel; für die Art und Weise, wie die deutsche Erinnerungs- und Gedenkkultur, aber auch das Sprechen über Antisemitismus stattfindet und die unterkomplexe Analyse von ambivalenten (Un-)Sichtbarkeiten in Diskriminierungsverhältnissen. Im Hinblick auf das Intersektionalitätskonzept schlagen sie vor „zur Beschreibung eines Kontinuums entlang von Positionierungen entlang der Achse des Herrschaftsverhältnisses Antisemitismus die Pole Jude_Jüdin – Goj ein[zu]führen“ (S. 90). Ziel dieser Erweiterung ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es sich bei Antisemitismus „um eine reale Unterdrückungs- und Gewalterfahrung handelt, die reale Personen in der heutigen Gegenwart betrifft“ (S. 180). Zudem möchten die Autor:innen solidarische Anschlussfähigkeit zu anderen Antidiskriminierungsdiskursen und -kämpfen schaffen und sichtbar machen.

Die Publikation finden Sie hier:

www.verbrecherverlag.de/book/detail/1072

Quelle

Coffey, Judith/ Laumann, Vivien (2021): Gojnormativität – Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen. Berlin: Verbrecher Verlag.

Graevskaia, Alexandra et al. (2022). Institutioneller Rassismus in Behörden

Über die Publikation

Im deutschsprachigen Raum gibt es laut den Autorinnen bisher wenig Forschung zu institutionellem Rassismus, obwohl staatlichen und sozialstaatlichen Institutionen durch ihre regelmäßige (Re-)Produktion von Ein- und Ausschlüssen eine besondere diskriminierende Rolle zukommt. In Kurzstudien zu den Bereichen Polizei, Gesundheit und Arbeit wurden der Zusammenhang von diesen Mechanismen und der Nutzung bzw. Generierung von rassistischem „Wissen“ erforscht.

Methode

Die aus länger angelegten Forschungsprojekten stammenden drei Kurzstudien wurden zur Vorbereitung eines Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors für das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung angefertigt. Sie basieren auf qualitativen Interviews.

Zentrale Befunde/Aussagen

Die Autorinnen kommen zu dem Fazit, dass die Mitarbeitenden in den Behörden auf bestehende rassistische Wissensbestände zurückgreifen. Diese sind teilweise intersektional mit sexistischen oder klassistischen Wissenskonstruktionen verwoben. Durch die Reproduktion von Rassismus wird versucht, Handlungsunsicherheiten und Überforderungen in den Behörden zu reduzieren. Diese Unsicherheiten und Überforderungen resultieren laut Autorinnen zum Teil aus den Organisationsstrukturen, die Finanzierungsengpässe für bestimmte Leistungen, wie Übersetzungshilfen und kurzfristige medizinische Betreuungen, erzeugen (S. 8f.). Bei strukturellen Herausforderungen greifen die Mitarbeiter:innen auf (individuelle) Ad-Hoc-„Lösungen“ zurück, die manchmal eine Verantwortungsverschiebung hin zu den von Rassismus Betroffenen bewirken. Neben der Nutzung von bereits generiertem rassistischen „Wissen“ werden gemäß der Studien in Behörden neue rassistische Wissenskonstruktionen produziert, sodass Ausschlüsse legitimiert und sowohl eigene als auch andere zukünftige Herangehensweisen beeinflusst werden. Eine weitere Verstetigung dieses Wissens besteht im „Lernen“ auf Basis der Verallgemeinerung von Einzelfällen. Die Autorinnen nennen die Anerkennung von institutionellem Rassismus und damit einhergehenden Machtverhältnissen in den Behörden als essenziellen Faktor, um Lösungsmöglichkeiten für die diskriminierenden Praktiken zu entwickeln.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:464-20220216-082232-0.

Quelle

Graevskaia, Alexandra/Menke, Katrin/Rumpel, Andrea (2022). Institutioneller Rassismus in Behörden – Rassistische Wissensbestände in Polizei, Gesundheitsversorgung und Arbeitsverwaltung. IAQ-Report 2.

Keskinkılıç, Ozan Zakariya (2021). Muslimaniac

Über die Publikation

Keskinkılıç folgt in seinem Buch den Spuren des gesellschaftlichen Feindbildes „Islam“ von der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Dabei geht es ihm um die Frage, was es heute heißt, in Deutschland muslimisch zu sein oder als Muslim:a gelesen zu werden. Er zeigt Verstrickungen u. a. mit den Themen Feminismus, Homosexualität und -phobie auf und weist auf Wege hin, wie eine emanzipatorische muslimische Perspektive Impulse für Diskurse über Diversität und Gleichberechtigung liefern kann.

Methode

Das Buch besteht aus einer Mischung aus historischer Abhandlung & persönlichen Erfahrungen.

Zentrale Befunde/Aussagen

Keskinkılıç erfindet den Begriff „Muslimaniac“, um eine „jahrhundertealte Diagnose, die Muslim:innen zum Problem erfindet – sexuell, gesundheitlich, kulturell, religiös, politisch“ (S. 20) zu bezeichnen: „Die Figur des Muslimaniac steht für eine strukturelle Paradoxie: Musliminnen und Muslime sollen Loyalität unter Beweis stellen, sich integrieren und anpassen, sich zu Rechtsstaat und Demokratie bekennen, den Schritt aus der Tradition in die Moderne machen und sich ‚nach westlichem Vorbild‘ weiterentwickeln. Die Liste an Forderungen ist lang, doch das Versprechen auf Gleichheit und Gerechtigkeit löst sich nicht ein. Es besitzt nur eine Alibifunktion. [...] Die Karriere dieses [antimuslimischen] Feindbildes reicht weit zurück. Sie steht im Zusammenhang mit anderen Feindbildern und Diskursen über ‚die‘ Ausländer, ‚die‘ Migranten, ‚die‘ Geflüchteten über ‚die‘ Gastarbeiter, ‚die‘ Asiaten und ‚die‘ Afrikaner, über ‚die‘ Menschen mit Migrationshintergrund. […] Muslimaniac – in diesem Wort mischt sich die Fremdkonstruktion mit dem Geist des Ausbruchs aus den Stereotypen. Es steht für europäische Fantasien und Sehnsüchte nach Homogenität und Kontrolle, die sich am Feindbild Islam ausbilden. Aber genauso für die Gefühlswelt von Musliminnen und Muslimen selbst. Dafür, was es heißt, in ein Integrationskorsett gezwängt zu werden und sich ununterbrochen beweisen zu müssen. Es steht auch für die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstbild. Dafür, sich in den Debatten, die über den eigenen Kopf hinweg geführt werden, nicht mehr erkennen zu können. [...] Es ist schwer, unter der Last der Fremdbilder ein selbstbestimmtes Ich auszubuchstabieren.“ (S. 21f.)

Die Publikation finden Sie hier:

koerber-stiftung.de/edition/buchprogramm/muslimaniac/

Quelle

Keskinkılıç, Ozan Zakariya (2021). Muslimaniac – Die Karriere eines Feindbildes. Hamburg, Edition Körber.

Sabel, Anna et al. (2021). Die Erfindung des muslimischen Anderen

Über die Publikation

Die meisten Beiträge des Sammelbandes wurden von Mitarbeiter:innen des Forschungsprojektes „(Un)Sichtbarkeiten in der Migrationsgesellschaft“ verfasst und widmen sich Fragen, Stereotypen, Mechanismen und Funktionen bzw. Funktionsweisen des antimuslimischen Rassismus in Dtl. Im letzten Teil melden sich namhafte Professor:innen zur Frage, worüber eigentlich gesprochen werden muss.

Methode

Die einzelnen Beiträge fassen die wichtigste Literatur zu den Themen antimuslimischer Rassismus und (post-)migrantische Gesellschaft zusammen und kommentieren sie.

Zentrale Befunde/Aussagen

„In unserer Gesellschaft herrscht offensichtlich der Drang, über den ‚Islam‘ und die ‚Muslim:innen‘ zu sprechen. Es sind in erster Linie rassistische (Islam-)Bilder, Vorstellungen und Denkweisen, die sich fest in das kulturelle Gedächtnis der Dominanzgesellschaft eingebrannt haben: archaische Kultur, rückständige Religion, übergriffige, gewaltaffine Männer und unterworfene Frauen. Der vorliegende Essayband erklärt nicht, wie ‚Muslim:innen wirklich sind‘, sondern wirft den Blick zurück auf jene, die diese Bilder produzieren und weitertragen.“ (aus dem Klappentext) Bezüglich der Frage, worüber wir also auch oder eigentlich reden müssten, wünscht sich Claudia Brunner Gespräche über Wege, „wie wir eine schonungslose Hegemonieselbstkritik einerseits und eine an Gerechtigkeit, Würde und der Erhaltung von Lebensgrundlagen für alle Menschen orientierte Vielstimmigkeit andererseits organisieren und leben können“ (S. 111). Dabei plädiert María do Mar Castro Varela für einen „wohltemperierten Streit“, also die Suche nach Wegen, „wie es gelingt, Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Argumente darzulegen, ohne die ‚Anderen‘ verachten zu müssen“ (S. 114). Statt dabei Interessen und die Bekämpfung unterschiedlicher Formen von Diskriminierung gegeneinander auszuspielen, müssen wir, so Sabine Hark, „eine global orientierte politische Moral erlernen, die sich offen zeigt für die Welt und bereit ist, sich von dem, was sich in ihr ereignet, berührt und bewegt zu werden“ (S. 122).

Die Publikation finden Sie hier:

www.verband-binationaler.de/verband/publikationen/buecher-broschueren/details/die-erfindung-des-muslimischen-anderen-20-fragen-und-antworten-die-nichts-ueber-muslimischsein-verraten

Quelle

Sabel, Anna/Karadeniz, Özcan/Verband binationaler Familien und Partnerschaften (2021) (Hg.). Die Erfindung des muslimischen Anderen – 20 Fragen und Antworten, die nichts über Muslimischsein verraten. Münster, Unrast Verlag.

Schnetzer, Simon/Hurrelmann, Klaus (2022). Jugend in Deutschland – Trendstudie Sommer 2022. Jugend im Dauerkrisen-Modus – Klima, Corona, Krieg

Über die Publikation

„Zum vierten Mal legen wir hier im halbjährlichen Turnus eine Studie zur Situation der Jugend in Deutschland vor. Die Studien bauen aufeinander auf [...] und sind direkt miteinander vergleichbar. Einige der Fragen aus den zurückliegenden Erhebungen wurden wiederholt [...]. Dies ermöglicht es nachzuvollziehen, wie die 14 bis 29 Jahre alten Angehörigen der jungen Generation auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ereignisse im Zeitverlauf reagieren.“ (S. 4)

Methode

„Die Stichprobe wurde so zusammengestellt, dass sie der soziodemografischen Altersstruktur der deutschsprachigen Gesamtbevölkerung [...] im Alter von 14 bis 29 Jahren entspricht.“ (S. 46)

Zentrale Befunde/Aussagen

„Die Sorge vor einem Krieg in Europa schockiert die jungen Menschen. Ein ungewöhnlich hoher Anteil von ihnen ist hierdurch geprägt. Der Krieg stellt alle ihre Zukunftsaussichten infrage und zerstört ihr bisheriges Sicherheitsgefühl. Die allermeisten von ihnen haben mit einer kriegerischen Zuspitzung in Europa nicht gerechnet und fühlen sich ohnmächtig. Die Kriegsangst setzt ihnen vermutlich auch deshalb stark zu, weil sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie immer noch spüren und als psychische Belastung empfinden. [...] Viele befürchten, dass ein Leben mit Angst vor dem Krieg zu einem Dauerzustand werden könnte.“ (S. 11) „Das für die junge Generation bisher so zentrale Thema des Klimawandels steht, im Wert (55 %) fast konstant, nun an zweiter Stelle. Auch an der Bedeutsamkeit der anderen Themen und Rangfolge ihrer Dringlichkeit hat sich gegenüber den früheren Befragungen nicht viel geändert: Die Sorgen vor einer Inflation (46 %), einer sozialen Spaltung der Gesellschaft (40 %) und einer Wirtschaftskrise (39 %) stehen weiter ganz oben auf der Liste. Deutliche Veränderungen gegenüber der letzten Befragung im Winter 2021/22 sehen wir in der Zunahme der Sorge vor einer Wirtschaftskrise (+6 %) [...] und die Abnahme der Sorge vor einem Konflikt der Generationen (-7 %).“ (S. 7)

Die Publikation finden Sie hier:

jungedeutsche.de

Quelle

Schnetzer Simon/Hurrelmann Klaus: Jugend in Deutschland – Trendstudie Sommer 2022. Jugend im Dauerkrisen-Modus – Klima, Corona, Krieg. Kempten, Datajockey Verlag.

Schweppe, Jennifer/Barbara, Perry (2021). A continuum of hate: delimiting the field of hate studies

Über die Publikation

Da sich eine Vielzahl von Disziplinen dem Feld der Hate Studies widmen, zielt dieser Artikel darauf ab, die Grenzen des Feldes zu diskutieren. Die Autorinnen schlagen eine Taxonomy of Hate vor, die folgende Phänomene, die in Zusammenhang mit Hate Crimes (Hasskriminalität) stehen, umfasst: Hate Incidents (Hassvorfälle), Hate Speech (Hassrede), Terrorismus und Völkermord.

Methode

Bibliografie

Zentrale Befunde/Aussagen

Zunächst ist Hass aus Sicht der Autorinnen „not simply or always an emotion; rather, for us, it also rigidly structured patterns of oppression.“ Hate crimes, Mikroaggressionen, Hate Speech, Terrorismus und Völkermord sind demnach allesamt identitätsbasierte Konflikte, die die marginalisierte Position der Opfer verstärken und direkt dem Opfer sowie indirekt der kollektiven marginalisierten Gruppe schaden, der das Opfer angehört. Während Mikroaggressionen rechtlich nicht eindeutig definiert sind (je nachdem, in welchem Kontext sie stattfinden, sind sie strafbar oder nicht), sind alle anderen genannten Phänomene rechtlich definiert. Gleichwohl sind die Definitionen jedoch nicht konsistent, da beispielsweise unterschiedliche Definitionen in den einzelnen Staaten der USA oder in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bestehen.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

doi.org/10.1007/s10611-021-09978-7

Quelle

Schweppe, Jennifer/Perry, Barbara (2021). A continuum of hate: delimiting the field of hate studies. Crime, Law and Social Change 77, 503–528.

Simonson, Julia et al. (2022). Freiwilliges Engagement in Deutschland – Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019

Über die Publikation

Der Deutsche Freiwilligensurvey ist eine repräsentative Befragung zum freiwilligen Engagement in Deutschland. Die Studie wird „seit 1999 alle fünf Jahre als telefonische, bevölkerungsrepräsentative Studie durchgeführt“ (S. 19).

Methode

Die Befragung der Grundgesamtheit des Freiwilligensurveys wird in Form von Telefoninterviews „über Festnetz und [...] über Mobilfunk“ (S. 31) durchgeführt. Die Interviews „finden auf Deutsch sowie [...] in fünf weiteren Sprachen statt (Englisch, Arabisch, Russisch, Türkisch, Polnisch)“ (S.31).

Zentrale Befunde/Aussagen

Der Anteil freiwillig Engagierter ist von 1999 bis 2019 insgesamt gestiegen. Während die Engagementquote 1990 noch bei 30,9 Prozent lag, gaben im Jahr 2019 insgesamt 39,7 Prozent der Befragten an, sich freiwillig zu engagieren. Den Anstieg freiwilligen Engagements innerhalb der letzten 20 Jahre halten die Herausgeber:innen „vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen wie beispielsweise der fortschreitenden Digitalisierung in diversen Lebensbereichen oder der gestiegenen Anzahl der Vereine“ (S. 1) für plausibel. Der zweite zentrale Befund des Surveys sind Differenzen in der Engagementbeteiligung je nach Bildungsgruppe. „Die höchsten Engagementquoten finden sich bei Personen, die noch zur Schule gehen (51,4 Prozent), sowie bei Menschen mit hoher Bildung (51,1 Prozent); die niedrigsten bei Personen mit niedriger Bildung (26,3 Prozent)“ (S. 2). Im Zeitvergleich haben Differenzen zwischen den Gruppen zugenommen. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass Frauen sich „anteilig häufiger als Männer in Bereichen, die als familienbezogen oder sozial charakterisiert werden können“ (S. 3) engagieren. Männer hingegen „sind anteilig häufiger in den Bereichen Sport und Bewegung, Unfall- oder Rettungsdienst oder freiwillige Feuerwehr und auch im Bereich der Politik und der politischen Interessenvertretung freiwillig tätig“ (S. 3). Geschlechtsunabhängig ist dabei insgesamt „das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen und die Zufriedenheit mit der Demokratie […] bei Engagierten stärker ausgeprägt als bei Nicht-Engagierten“ (S. 7).

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-658-35317-9.pdf

Quelle

Simonson, Julia/Kelle, Nadiya/Kausmann, Corinna/Tesch-Römer, Clemens (2022). Freiwilliges Engagement in Deutschland: Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019. Empirische Studien zum bürgerschaftlichen Engagement. Wiesbaden, Springer VS.

Weinstein, Jensen et al. (2021). Victimized in many ways: Online and offline bullying/harassment and perceived racial discrimination in diverse racial-ethnic minority adolescents

Über die Publikation

Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Online- und Offline-Mobbing/Belästigung und rassistischer Diskriminierung. Die Annahme, dass Jugendliche, die einer ethnischen Minderheit angehören, mehreren Arten von Viktimisierung ausgesetzt sind, wird anhand der Daten bestätigt.

Methode

Es wurden 735 Jugendliche im mittleren Westen der USA, die einer ethnischen Minderheit angehören, im Alter von 10–19 Jahre von 2010–2014 in 3 Wellen mittels einer Online-Umfrage u. a. zu ihren Erfahrungen mit Offline- und Online-Mobbing/Belästigung und rassistischer Online- und Offline-Diskriminierung sowie ihrem psychischen Wohlbefinden befragt. Die erhaltenen Panel-Daten wurden für eine multivariate statistische Modellberechnung unter Berücksichtigung diverser Kontrollvariablen genutzt.

Zentrale Befunde/Aussagen

Jugendliche, die mehr von einer Art der Viktimisierung berichteten, gaben häufiger an, von anderen Viktimisierungsarten betroffen zu sein und mehr Zeit online zu verbringen. Es konnten einige, wenn auch nicht durchweg konsistente zeitliche Einflüsse nachgewiesen werden. Jugendliche, die in Welle 1 mehr Offline-Mobbing/Belästigung erlebten, berichteten mit größerer Wahrscheinlichkeit in Welle 2 von Viktimisierung in einem anderen Kontext (Online-Mobbing/Belästigung) und in anderen Inhalten (rassistische Offline-Diskriminierung). In der 2. Welle konnte diese Assoziation nicht mehr nachgewiesen werden. Dafür zeigte sich bei Jugendlichen, die in Welle 2 von mehr Online-Mobbing/Belästigung betroffen waren, ein erhöhtes Risiko für Offline-Mobbing-Belästigung in der 3. Welle. Jugendliche, die allgemein mehr Zeit online verbringen, erleben nicht mit größerer Wahrscheinlichkeit Viktimisierungen. Anhand der Ergebnisse verweisen die Autor:innen darauf, wie wichtig es sei, die Mehrfachviktimisierung von Jugendlichen, die einer ethnischen Minderheit angehören, sowohl in der Forschung als auch in Interventions- und Präventionskontexten zu berücksichtigen.

Die vollständige Publikation finden Sie hier:

www.apa.org/pubs/journals/releases/cdp-cdp0000436.pdf

Quelle

Weinstein, Mariani/Jensen, Michaeline R./Tynes, Brendesha M. (2021). Victimized in Many Ways: Online and Offline Bullying/Harassment and Perceived Racial Discrimination in Diverse Racial-Ethnic Minority Adolescents. Cultural Diversity and Ethnic Minority Psychology 27(3), 397–407.

Wiedlitzka, Prati/Smith, Walters (2021). Hate in Word and Deed: The Temporal Association Between Online and Offline Islamophobia

Über die Publikation

„In this article, we enrich the growing body of research on the link between online and offline hate by investigating whether there is a temporal association between anti-Islamic online hate and Islamophobic offline hate crimes and incidents, and if so in which direction.“ (S. 3)

Methode

Die Autor:innen analysierten anti-islamischen Hate Speech auf Twitter in den UK im Zeitraum von 24. Februar 2016 bis zum 14. März 2017, wobei die täglichen Tweets über die Text- und Analyse-Plattform Methods52 (entwickelt vom Centre for Analysis of Social Media and Demos der University of Sussex) gesammelt und gefiltert wurden. Geografische Informationen wurden über Geotagging der Position und basierend auf dem Tweet-Inhalt gesammelt und ebenso mit Hilfe von Methods52 analysiert. Darüber hinaus wurden Wochen-Daten zu islamfeindlichen Hate Crimes (Hassverbrechen), welche durch den Metropolitan Police Service zwischen dem 28. Februar 2016 und dem 05. März 2017 dokumentiert wurden, für die Untersuchung herangezogen. Der erste Datensatz enthielt 159.309 anti-islamische Tweets, der zweite Datensatz 1.239 anti-islamische Hate Incidents (Hassvorfälle) und 1.246 anti-islamische Hate Crimes (Hassverbrechen). Zur Analyse der Daten in einer Zeitreihenanalyse wurde das Statistik-Programm STATA angewendet.

Zentrale Befunde/Aussagen

Im Zeitverlauf zeigen die Daten eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen Online- und Offline-Hass. Die statistischen Analysen (vektorautoregressive Modellierung, Granger-Kausalitätstest, Impulsantwortfunktionsanalysen) zeigen, dass im Vereinigten Königreich sowohl anti-islamische Hate Crimes (Hassverbrechen) als auch Hate Incidents (Hassvorfälle) zeitlich prädiktiv für anti-islamische online Hate Speech (Online-Hassreden) sind – jedoch nicht umgekehrt.

Die Publikation finden Sie hier:

link.springer.com/article/10.1007/s10940-021-09530-9

Quelle

Wiedlitzka, Susann/Prati, Gabriele/Brown, Rupert/Smith, John/Walters, A. Mark (2021). Hate in Word and Deed: The Temporal Association Between Online and Offline Islamophobia. In: Journal of Quantitative Criminology.