Ebner, Julia (2023). Massenradikalisierung. Wie die Mitte Extremisten zum Opfer fällt
Über die Publikation
In ihrem Buch beleuchtet die Rechtsextremismus- und Radikalisierungsexpertin Julia Ebner die Netzwerke, Inhalte und Strategien radikalisierter politischer Submilieus.
Methode
Das Buch besteht aus mehreren Kapiteln mit Reportage-ähnlichem Charakter. Mit teils investigativen Recherchen wie verdeckten On- und Offlineinfiltrationen von Netzwerken und Veranstaltungen, aber auch durch Vorortbeobachtungen und die Auswertung von Social-Media-Aktivitäten werden relevante aktuelle politische Submilieus beschrieben.
Zentrale Befunde/Aussagen
Julia Ebner beschreibt den Weg des Mainstreaming-Prozesses von „randständigen Subkulturen“ (S.282), die zu internationalen Netzwerken heranwuchsen, alternative Mediensysteme etabliert haben und von dort Stück für Stück in die öffentlichen Diskurse eingesickert sind und einen politischen Kulturkampf befeuert haben, der relevante Teile der amerikanischen und europäischen Gesellschaften erfasst hat. Entlang der Bruchlinien Antidiskriminierung, Geschlechtergleichheit, Queer-Rechte, Klimaschutz und Impfstoffakzeptanz erleben wir das Aufkommen und Wachsen von „hyperpolarisierten Communitys“ (S.293). Diese diffundieren im Kontext der multiplen Krisenlagen (Corona, der russische Angriffskrieg, die Debatte um Migration und den Klimaschutz) immer erfolgreicher in vormals politisch eher voneinander entfernte Milieus. Den sozialen Medien kommt während des gesamten Prozesses der Massenradikalisierung eine zentrale Rolle zu.
Die vollständige Publikation finden Sie hier:
https://www.suhrkamp.de/buch/julia-ebner-massenradikalisierung-t-9783518473146
Quelle
Ebner, Julia (2023). Massenradikalisierung. Wie die Mitte Extremisten zum Opfer fällt. Berlin, Suhrkamp.
Hoven, Elisa (2023). Das Phänomen „Digitaler Hass“. Ein interdisziplinärer Blick auf Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen
Über die Publikation
Der Sammelband von Elisa Hoven gibt einen Einblick in die rechts- und sozialwissenschaftliche Forschung zum Phänomen des digitalen Hasses. Er bildet eine Grundlage für differenzierte Diskussionen über die strafrechtliche Reaktion auf Hasskommentare und die Notwendigkeit weiterer Reformen.
Methode
Der interdisziplinäre Band ist das Resultat einer Tagung, die 2021 an der Universität Leipzig organisiert wurde und führt in neun Texten Erkenntnisse aus Sozial-, Kommunikations- und Medienwissenschaft, Linguistik und Kriminologie zusammen, die sich mit zunehmendem digitalen Hass auseinandersetzen.
Zentrale Befunde/Aussagen
Der Band beleuchtet den Begriff des digitalen Hasses und seine Abgrenzung zum eher gruppenbezogenen Phänomen der „Hate Speech“. Darüber hinaus wird eine Interviewstudie mit Adressat*innen und Verfasser*innen digitaler Hasskommentare vorgestellt. Die Ergebnisse geben Aufschluss über das Erleben und die Auswirkungen aus der Perspektive der Betroffenen, aber auch über die Motivation und Vorgehensweise der Verfasser*innen. Darüber hinaus werden sichtbare Hasskommentare in moderierten Online-Foren sowie die Hassdichte und Art von Hasskommentaren auf den Facebook-Seiten reichweitenstarker deutscher Medien untersucht. Ebenso wird das Ausmaß von Hasskommentaren in weniger regulierten Facebook-Gruppen analysiert. Zudem wird gezeigt, dass Kommunikation in sozialen Medien emotional ist, Emotionen weckt und Nährboden für politische oder religiöse Radikalisierung sein kann. Bei der Betrachtung koordinierter Hasskampagnen im Internet zeigt sich, dass Hass nicht nur das Ergebnis emotionaler Empörung ist, sondern auch strategisch eingesetzt wird. Außerdem wird untersucht, inwieweit Anonymität die Entscheidung beeinflusst, Hass im Internet zu verbreiten. Abschließend wird die besondere Bedeutung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Internet dargestellt.
Die vollständige Publikation finden Sie hier:
https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783748930396/das-phaenomen-digitaler-hass
Quelle
Hoven, Elisa (2023). Das Phänomen „Digitaler Hass“. Ein interdisziplinärer Blick auf Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen. Baden-Baden, Nomos Verlag.
Jungkunz, Sebastian (2023). Politischer Extremismus. Struktur und Ursachen links- und rechtsextremer Einstellungen in Deutschland
Über die Publikation
Die Monografie ist der politikwissenschaftlichen Extremismustheorie verpflichtet und verteidigt diese gegen Generalkritik. Vor allem die Kapitel, die konzeptionelle Grundlagen sowie Ideologie- und Bewegungsgeschichte behandeln, enthalten einige diskutable Einschätzungen und teils wenig begründete Aussagen. Interessant sind die empirischen Befunde, die methodisch sauber hergeleitet werden und viel differenzierter als die theoretischen Vorannahmen sind.
Methode
Analysiert werden die multivariaten Zusammenhänge und Einflussfaktoren von Einstellungen, die in repräsentativen Bevölkerungsbefragungen gemessen wurden. Die Auswertungen sind gestützt auf die GLES-Wahlkampfpanels aus den Jahren 2009, 2013 und 2017 sowie auf die Studie zu u. a. politischen Einstellungen im wiedervereinigten Deutschland aus den Jahren 1994, 1998 und 2002 (vgl. S. 13).
Zentrale Befunde/Aussagen
Der Autor stellt fest, dass Linksextremist*innen und Rechtsextremist*innen häufig einen ähnlichen sozialen Hintergrund hätten. Dabei stützt er sich auf ältere Befunde, u. a. jene von Seymour Martin Lipset aus dem Jahr 1959 (S. 52). Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass „auf beiden Seiten des politischen Spektrums“ ideologische Gemeinsamkeiten bestünden und Extremist*innen „oft auch die gleiche psychologische Verfassung“ haben (S. 51–88). Die datengestützten Analysen zu links- und rechtsextremistischen Einstellungen zeigen allerdings, dass Unterschiede hinsichtlich der verstärkenden Faktoren bestehen. So seien linksextreme Einstellungen stark von finanziellen Sorgen der Befragten sowie von ihrer wahrgenommenen Zugehörigkeit zu einer benachteiligten Gruppe in der Gesellschaft beeinflusst, während die Übernahme von rechtsextremen Einstellungen vor allem durch materialistische Wertorientierungen und eine tief verwurzelte Erosion der demokratischen Unterstützung geprägt werde (S. 173–229).
Die vollständige Publikation finden Sie hier:
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-031-22747-9
Quelle
Jungkunz, Sebastian (2023). Politischer Extremismus. Struktur und Ursachen links- und rechtsextremer Einstellungen in Deutschland. Wiesbaden, Springer VS.
Leidig, Eviane (2023). The women of the far right. Social media influencers and online radicalization
Über die Publikation
Die Soziologin Eviane Leidig taucht tief in den digitalen Kosmos rechter Influencerinnen ein. Dabei untersucht sie die Frage, welche Rolle diese Frauen innerhalb der – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – doch sehr männlich dominierten rechten Szene spielen.
Methode
Über drei Jahre hat Leidig rechte Influencerinnen-Kanäle in den sozialen Medien beobachtet und analysiert. Ihr methodischer Ansatz entspricht einer Art „digitalen Ethnographie“. Ergänzend gibt es Expertise-Interviews und ein Gespräch mit einer ehem. rechten Influencerin und nunmehr „Aussteigerin“.
Zentrale Befunde/Aussagen
Im Hauptteil ihres Buches folgt Leidig mit detaillierten Beschreibungen und Beispielen dem chronologischen Ablauf vom Eintritt über die Radikalisierung bis hin zu den Herausforderungen des Austritts aus diesem sehr spezifischen rechtsextremen Kosmos. Dabei unterstreicht sie mehrfach die Bedeutung rechtsextremer Influencerinnen bei der Errichtung und Stärkung eines globalen Alt-Right-Netzwerkes (S. 169). Eine zentrale Rolle spielt hierbei auch das Medium ihrer Propaganda (YouTube, Instagram etc.), da es sich um herkömmliche Online-Plattformen handelt, über die viele Interessierte erreicht werden (S. 217). Hinzu kommt, dass die Möglichkeit eines effektiven Widerstands gegen diese Form der rechten Propaganda im digitalen Raum eingeschränkt ist (S. 171). Strategisch ist insbesondere die Mischung von Livestyle und Alltäglichem mit politischen Inhalten bemerkenswert: „At the end of the day, these far-right women influencers serve as propagandists. Underneath their personal stories of disavowing feminism and feeling the pain of losing friends and family after being red-pilled, they are promoting the ideological agenda of an exclusionary movement“ (S. 203f.). Weiterhin macht Leidig auf Ambivalenzen und Widersprüche innerhalb des rechten Influencerinnentums aufmerksam: So etwa könnten viele dieser Frauen ohne die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte diese Position gar nicht einnehmen. Leidig attestiert eine „generational amnesia“ (S. 201).
Die vollständige Publikation finden Sie hier:
https://www.degruyter.com/document/doi/10.7312/leid21016/html
Quelle
Leidig, Eviane (2023). The women of the far right. Social media influencers and online radicalization. New York, Columbia University Press.
Leimbach, Katharina (2023). Doing Radikalisierung. Eine rekonstruktive Untersuchung der Extremismusprävention
Über die Publikation
Tragen Akteur*innen der Präventionsarbeit durch ihr spezifisches Vorwissen und gesellschaftliche und institutionelle Vorstellungen zur Konstruktion des gesellschaftlichen Problems der Radikalisierung zum Teil selbst bei? Dieser Frage geht Katharina Leimbach in ihrem Buch „Doing Radikalisierung“ nach.
Methode
Mittels leitfadengestützten Interviews wurden 28 professionelle Präventionsakteuer*innen zu ihrer Arbeit und den daraus erwachsenen Erfahrungen befragt. Zusätzlich wurden 15 Adressat*innen von Präventionsmaßnahmen biografisch-narrativ interviewt. Im Zentrum der Untersuchung standen intervenierende Präventionsmaßnahmen in Form von Deradikalisierungs - und Ausstiegsprogrammen.
Zentrale Befunde/Aussagen
Die Interviews mit den Praktiker*innen zeigt deutlich, dass sich in Deutschland ein institutionalisiertes Erfahrungswissen zu rechtsextremer Radikalisierung etabliert hat. Die Autorin kritisiert, dass jene Praktiker*innen Rechtsextremismus als soziales Problem von vor allem Männern in prekären Lebenslagen mit hoher (multipler) sozialer Belastung verorten und damit stark individualisieren. Auch sozialstrukturellen Problemen, wie fehlenden Männlichkeitsvorbildern, wird eine Verantwortung zugesprochen. Rechtsextremismus als ideologisches Problem rückt so in den Hintergrund und es wird eine Hilfsbedürftigkeit von Adressat*innen konstruiert, die das Opfer-Täter-Bild von Radikalisierten als Bildungsverlierer*innen und Deindustriealisierungsopfer reproduziert und festigt. Islamismus wird deutlich diffuser wahrgenommen. Die Islamismusprävention kann dagegen auf weniger detailliertes Wissen und verankerte Erfahrungen zurückgreifen und stellt Problemgruppen, Radikalisierungsgründe und Ausstiegsverläufe komplexer und diverser dar. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass sowohl Präventionsprojekte als auch wissenschaftliche Forschungen Mitproduzent*innen der eindimensionalen Problematisierung von Rechtsextremismus und Islamismus seien.
Die vollständige Publikation finden Sie hier:
Quelle
Leimbach, Katharina (2023). Doing Radikalisierung. Eine rekonstruktive Untersuchung der Extremismusprävention. Weinheim, Beltz Juventa.
Neumann, Peter R. (2023). Logik der Angst. Die rechtsextreme Gefahr und ihre Wurzeln
Über die Publikation
In seinem jüngsten Buch widmet sich der Terrorismusexperte Peter Neumann der Analyse des Rechtsextremismus als einem globalen, vielfältigen und widersprüchlichen Phänomen. Neumanns Analyse erschöpft sich nicht in einer Aneinanderreihung von Ereignissen, Konjunkturen und Detailwissen, sondern nimmt das große Bild in den Blick, indem er die Wurzeln und Logiken des Rechtsextremismus untersucht. Die Abhandlung vermittelt die Vielfältigkeit des Phänomens in einer klug strukturierten Weise und stellt ein wichtiges – wenn auch voraussetzungsvolles – Überblickswerk dar.
Methode
Neumanns Buch ist als eine ordnende und vertiefende Meta-Studie im Bereich der Rechtsextremismusforschung zu verstehen. Im ersten Teil des Buches setzt er sich mit Traditionalismus, der Konservativen Revolution und der Neuen Rechten auseinander und kombiniert verschiedene Forschungsstände zu relevanten Facetten des Rechtsextremismus. Die zweite Hälfte des Buchs ist stärker essayistisch und wartet mit debattierbaren Ansätzen zur Einhegung des Phänomens auf.
Zentrale Befunde/Aussagen
Das Buch hat zum Ziel, einen „Beitrag zur analytischen Durchdringung des Rechtsextremismus zu leisten“ (S. 158), indem es seine Wurzeln, die in den Kapiteln Pessimismus, Ordnung und Identität zusammengefasst werden, untersucht und dabei bestehendes Wissen neu ordnet. Es folgen vier Kapitel zu den Logiken des Rechtsextremismus: Angst, Flucht, Kampf und Macht. Im Zentrum steht dabei die titelgebende „Logik der Angst“, die Neumann aus zwei Perspektiven beschreibt: die Angst der Menschen vor gesellschaftlichem Wandel, die eine Nachfrage nach rechtsextremen Alternativen begründet; und die Angst, die Rechtsextreme erst schüren, um mit der Beschwörung von Bedrohungsszenarien Menschen in ihre Hände zu treiben. Neumann bringt widersprüchliche Elemente des Rechtsextremismus, wie Straßenkampf und Rückzug, innere Migration und Terrorismus in einer Narration zusammen. Als „negatives Spiegelbild der liberalen Moderne“ (S. 19) sei der Kampf gegen den Rechtsextremismus eine Aufgabe, „die niemals endet“ (S. 167).
Die vollständige Publikation finden Sie hier:
https://www.rowohlt.de/buch/peter-r-neumann-logik-der-angst-9783737101837
Quelle
Neumann, Peter R. (2023). Logik der Angst. Die rechtsextreme Gefahr und ihre Wurzeln. Berlin, Rowohlt.
Yazar, Mahir/Haarstad, Håvard (2023). Populist far right discursive-institutional tactics in European regional decarbonization
Über die Publikation
Der Beitrag ist in Co-Autorenschaft des Sozialwissenschaftlers Mahir Yazar und des Professors für Humangeografie Håvard Haarstad der Universität Bergen entstanden und im August 2023 in der wissenschaftlichen Zeitschrift Political Geography erschienen.
Methode
Die Autoren widmen sich der Frage, welche rhetorischen Strategien populistische, rechtsextreme Parteien anwenden, um Klimaschutz und die Energiewende zu verzögern. Hierfür vergleichen sie die konservative Volkspartei Estlands (EKRE), die Alternative für Deutschland (AfD) und Polens Recht und Gerechtigkeit (PiS) bezüglich ihrer zwischen 2014 und 2021 genutzten Taktiken, um die Dekarbonisierung der kohlenstoffintensiven Landesregionen zu verzögern.
Zentrale Befunde/Aussagen
Die Autoren argumentieren, dass die populistischen Taktiken rechtsextremer Parteien nicht statisch oder linear, sondern dynamisch und multidimensional sind. Dennoch typisieren sie drei Taktik-Kategorien: 1. die Politisierung der Dekarbonisierung durch rechtsextreme Narrative, 2. die Umrahmung mit kulturellen Werten und 3. die Destabilisierung von Institutionen. Trotz einiger Unterschiede im Selbstverständnis und Agieren setzen alle drei Parteien auf offensive Gegenreaktionen zu europäischer und progressiver Politik und wenden eine antidemokratische Rhetorik einschließlich menschenfeindlicher und nationalistischer Argumentation an, um gegen Klimawandel und Dekarbonisierung zu mobilisieren. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sich kohlenstoffintensive Regionen als besonders anschlussfähig für die populistische Agitation rechtsextremer Parteien erweisen und ihnen daher die Möglichkeit bieten könnten, die Energiewende weiter auszubremsen.
Die vollständige Publikation finden sie hier:
Quelle
Yazar, Mahir/Haarstad, Håvard (2023) Populist far right discursive-institutional tactics in European regional decarbonisation. Politcal Geography 105, 102936.