Vorwort WsD 3: Gewalt gegen Minderheiten

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, wenn ein Mensch wegen seiner Hautfarbe, Sexualität oder politischen Gesinnung angegriffen wird, ist das nicht nur ein Angriff auf ihn, sondern ebenso ein Angriff auf die Gruppe, die von ihm verkörpert wird. Diese Gewalt gegen Minderheiten ist ebenso wenig zu tolerieren wie alle anderen gewaltsamen Angriffe – nichtsdestotrotz müssen in diesem Falle andere Mechanismen in Gang gesetzt werden als in anderen polizeilichen Ermittlungsverfahren.

So braucht es ein polizeiliches Erfassungssystem, das Hasskriminalität Rechnung trägt. Dieses wird im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes sichergestellt, da dort mehrere Untergruppen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität geführt werden. Aus meiner Sicht ist die gesonderte Erfassung, zum Beispiel von antisemitischen oder fremdenfeindlichen Straftaten, ein entscheidender Faktor zur Bekämpfung von Gewalt gegen Minderheiten.


Doch mit der reinen Erfassung ist es natürlich nicht getan. Der Umgang mit den beschriebenen Straftaten erfordert ebenso wie in anderen Deliktfeldern eine besondere Schulung und Sensibilisierung der eingesetzten Polizeikräfte. Sie müssen den zum Opfer gewordenen Menschen ein verlässlicher Ansprechpartner sein. Denn es muss unter allen Umständen vermieden werden, dass jemand eine Polizeidienststelle verlässt und das Gefühl hat, zum zweiten Mal Opfer geworden zu sein.


Ähnlich habe ich mich bereits bei einer Veranstaltung geäußert, die den Opferschutz bei extremistischen Straftaten zum Thema hatte. Dort ist genauso deutlich geworden: Gewalt gegen Minderheiten ist nichts, was allein durch die Polizei bewältigt werden kann. Stattdessen braucht es ein kluges und gut koordiniertes Zusammenwirken staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure. Nur durch dieses Zusammenspiel kann Repression von Straftätern und -täterinnen, Prävention von Straftaten sowie Beratung und Schutz von Opfern gewährleistet werden.


In Thüringen sehe ich uns auf einem guten Weg. In der Landespolizeidirektion (LPD) begleitet und überprüft die Stabsstelle Polizeiliche Extremismusprävention die Umsetzung des Opferschutzes bei extremistischen Straftaten in Thüringen. Außerdem erfolgen durch die Stabsstelle Fortbildungen zu diesem Thema für die eigenen Einsatzkräfte.


Die Stabsstelle pflegt „in Sachen Opferschutz“ engen Kontakt und Kooperationen zu den beiden exponierten Opferberatungsstellen in Thüringen. Hierzu zählt für die Betroffenen rechter Angriffe zum einen ezra, die mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, und zum anderen Der Weiße Ring, der Kriminalitätsopfer von Straftaten aller Deliktsbereiche sowie deren Angehörige ehrenamtlich unterstützt. Sie unterstützen bei der Bewältigung der Gewalterfahrungen. Aufgabe der Thüringer Polizeibeamten und -beamtinnen ist es, direkt nach Bekanntwerden der Straftat das Opfer über die kostenfreie Möglichkeit der angebotenen Unterstützung zu unterrichten und gegebenenfalls Kontakt zu der Organisation herzustellen.


Durch eine Kooperation der LPD mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. werden zum Ende dieses Jahres modulare Schulungen für Beamte und Beamtinnen zu den Themen allgemeine Diskriminierung, Antisemitismus und generell gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit angeboten. Hierin sollen die Einsatzkräfte sensibilisiert werden, menschenrechtsverachtende antisemitische Tendenzen zu erkennen und frühzeitig dagegen zum Schutz der Betroffenen zu wirken.


Gleiches gilt für das Thema Homophobie, welches bislang wenig Beachtung im Erkennen extremistischer Straftaten erhalten hat. Wir wollen Einsatzkräfte darauf aufmerksam machen, Homophobie als Tatmotiv erkennen zu können, aber auch innerpolizeilich einen angemessenen, gleichberechtigten Umgang mit homosexuellen Kollegen und Kolleginnen fördern.


Der vorliegende Konferenzband dokumentiert die aufschlussreiche und gewinnbringende Diskussion, die alle staatlichen und zivilgesellschaftlichen Kräfte in den Blick und in die Pflicht nimmt, das Thema der Hasskriminalität weiterhin aufmerksam zu verfolgen.

Udo Götze
Staatssekretär für Inneres im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales