Fragt man nach der Genese von Ungleichheitsideologien, fragt man genau genommen, wie und warum Menschen, an welchen Orten und zu welchen Zeiten auch immer, zu der Auffassung kamen, andere Menschen hinsichtlich einer wahrgenommenen Unterschiedlichkeit abzuwerten und/oder ihnen ihr Recht auf Leben und physische und psychische Unversehrtheit abzusprechen. Wozu dies führen kann, hat in Bezug auf die deutsche Nationalgeschichte die administrative Ermordung von Millionen unschuldiger Menschen durch das Hitler-Regime gezeigt – eine Vernichtung, die Theodor W. Adorno in dem von Gerd Kadelbach erstmals im Jahr 1971 herausgegebenen Band „Erziehung zur Mündigkeit“ den „furchtbarste(n) Ausbruch von Barbarei seit Menschengedenken“ (Adorno 2013: 121) bezeichnete und zur Verhinderung ihrer Wiederholung eine „Erziehung zur Entbarbarisierung“ (ebd.: 120ff.) und zur „Mündigkeit“ (ebd.: 133ff.) anmahnte; damit meinte er eine Erziehung, in der in Schulen eine Scham vor roher, primitiver physischer Gewalt geweckt wird.
Geht man davon aus, dass ein Mensch weder als Antisemit noch als Rechtsextremist geboren wird, liegt es aus soziologischer oder sozialpsychologischer Perspektive nahe, sich für ihren Sozialisierungsprozess zu interessieren, in dessen Verlauf es zu einer Radikalisierung hin zu einem Extremisten kam. Dies erfordert methodisch eine entsprechende Datenbasis und eine für die Interpretation dieser Daten geeignete Methodologie.Ohne im Vorwort auf die einzelnen Beiträge eingehen zu können, kann gesagt werden, dass hier Themen behandelt werden, die leider nicht nur aktuell sind (wie „Hassgewalt und fehlende Solidarität“), sondern über Analysen hinaus auch (wie der Beitrag von Kurt Möller) Hinweise geben für „die Unterstützung von Distanzierungsbestrebungen“ von Kindern aus Familien, die dem rechtsextremen Milieu zuzurechnen sind. Lesenswert finde ich auch den Beitrag von Alexander Bosch, dessen zentrale These lautet, dass das Kernproblem bei den staatlichen Ermittlungen der Mordserie des NSU im institutionellen Rassismus der Polizei gelegen habe – auch wenn ich mich aufgrund meiner Kenntnisse der polizeilichen Aus- und Fortbildung und der Arbeit der Stabsstelle Polizeiliche Extremismusprävention nicht seiner These anschließen würde, dass die Polizei heute noch heute die Dimension des institutionellen Rassismus verkenne und folglich die Fehler wiederhole, die nach den Ergebnissen der Untersuchungsausschüsse in der NSU-Fallserie begangen wurden. Der wesentliche Grund für meinen Optimismus ist der heute selbstverständliche Einbezug zivilgesellschaftlicher Akteure in die polizeiliche Aus- und Fortbildung, der nach meiner Einschätzung dazu geführt hat und weiter dazu beitragen wird, dass eingeschliffene polizeilich-kriminalistische Denk- und Handlungsweisen konstruktiv kritisch hinterfragt werden und dadurch die praktische Fähigkeit zur Bewältigung von Sachverhalten geschult wird.
In diesem Sinne wünsche ich der Auflage eine möglichst große Resonanz.