Der grundlegende gesetzliche Auftrag von Gleichstellungsbeauftragen
Gleichstellungsbeauftragte finden sich in ihrem Berufsalltag in einem besonderen Spannungsfeld wieder. Grundlegend stellt Absatz 2 Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes die gesetzliche Basis für die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten des Bundes, der Länder und der Kommunen dar:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Insbesondere der zweite, im Jahr 1994 eingefügte Satz enthält einen ausdrücklichen Verfassungsauftrag an die Bundesrepublik Deutschland zur Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter in der Lebensrealität. Die Verfassung fordert somit von der Gesetzgeberin, die strukturelle Gestaltung der Geschlechterverhältnisse aktiv anzugehen, um auf den bereits genannten Ebenen die tatsächliche Gleichberechtigung und daraus folgend die Gleichstellung zu erwirken. Dieser Verfassungsauftrag wird in der öffentlichen Verwaltung in der Regel durch die Einrichtung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten umgesetzt. Zu diesem Zweck wurden sowohl Bundes- als auch Landesgleichstellungsgesetze etabliert, in denen die genaueren Aufgaben des Amtes festgelegt werden (Hillermann 2021, 29).
In den folgenden Ausführungen wird der Fokus auf den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten liegen, deren Wirkungsfeld sich zumeist nicht nur auf die öffentliche Verwaltung der Kommune, sondern auch in die Kommune bzw. die Bürger*innenschaft hinein entfalten soll. Allgemein gesprochen gibt es hier eine Art interne Gleichstellungsarbeit, bei der es sich häufig um Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Erhöhung des Frauenanteils in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, und andere klassische Frauenfördermaßnahmen handelt. Dazu kommt die externe Gleichstellungsarbeit, die sich an die Bevölkerung der Kommune wendet und vor allem mit Netzwerk- und Bildungsarbeit umschrieben werden kann. Daneben gibt es Berührungspunkte mit der Lokalpolitik, die nicht immer produktiv verlaufen. Allerdings dürfen diese nur begrenzt vorkommen, da Gleichstellungsbeauftragte, wie alle anderen Angestellten und Beamt*innen, der parteipolitischen Neutralität verpflichtet sind, sodass eine Zusammenarbeit mit einzelnen Parteien unterlassen werden sollte.
Bevor nun die Typen von Angriffen, mit denen sich Gleichstellungsbeauftragte auseinandersetzen müssen, beschrieben und die möglichen Wurzeln analysiert werden, sind zwei weitere Informationen zum Amt der Gleichstellungsbeauftragten relevant. Zuerst ist dies die gesetzlich zugesicherte inhaltliche Weisungsfreiheit in Bezug auf die Gleichstellungsarbeit. Einerseits kann dies positiv sein, da die Gleichstellungsbeauftragten ihr Themenfeld so bespielen können, wie sie es für richtig und angemessen halten. Andererseits sind sie durch diese Weisungsfreiheit selbst verantwortlich für inhaltliche Entscheidungen. Daher stehen sie bei Angriffen gegebenenfalls allein da. Auch unterscheiden sich die finanzielle und zeitliche Ausstattung von Gleichstellungsbeauftragten von Kommune zu Kommune massiv: Wo sich größere Kommunen oft eine relativ gut ausgestattete Gleichstellungsstelle leisten, geschieht dies in kleineren Kommunen deutlich seltener, obwohl die Arbeitsbereiche sich nicht übermäßig voneinander unterscheiden. So kommt es beispielsweise, dass die eine Gleichstellungsbeauftragte hauptamtlich in Vollzeit angestellt ist und der Kollegin in der Nachbarkommune nur ein kleiner Stundenanteil pro Woche für die Gleichstellungsarbeit zur Verfügung gestellt wird – letztere hat kaum Zeit, Projekte voranzutreiben oder strukturell am Thema anzusetzen; auch Fortbildungen in relevanten Bereichen wie Gender Studies, Gender Mainstreaming, zu den jeweiligen Gesetzesgrundlagen oder spezifischeren Bereichen wie dem Umgang mit Antifeminismus1 oder den Taktiken der Neuen Rechten im Berufsalltag bleiben auf der Strecke. Hinzu kommt, dass immer noch viele kommunale Gleichstellungsbeauftragte nur für einen begrenzten Zeitraum bestellt oder gewählt werden, sodass sie häufig nach Ablauf ihrer Amtszeit, die in Deutschland zwischen zwei und fünf Jahren liegen kann, wieder in ihre vorherige Position bzw. ihren „Rang“ zurückkehren müssen. Das kann zur Selbstbegrenzung im Amt führen. Ist es einer Gleichstellungsbeauftragten in dieser Situation wirklich möglich, so progressiv und gegebenenfalls unangenehm zu sein, wie es die Aufgaben teilweise erfordern?
Typische Angriffe im Kontext kommunaler Gleichstellungsarbeit
Nach diesem Einblick in die Grundlage der Arbeit einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und dem Umriss der Arbeitsbereiche – Gleichstellungsarbeit ist und bleibt ein weites Feld und wird praktisch von jeder Gleichstellungsbeauftragten anders besetzt –, wird nun das Spannungsfeld betrachtet, in dem diese Arbeit täglich stattfindet und es werden Erklärungsansätze für typische Angriffe untersucht. Hier sind vor allem drei verschiedene Bereiche – innerbetriebliche Tätigkeit, Kontakt mit der Politik und Öffentlichkeitsarbeit – interessant. Dabei wird von innen nach außen vorgegangen, was häufig im Einklang mit der Schärfe der Angriffe steht. Beginnen wir also mit den alltäglichen Zwischenfällen bei der Arbeit innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Anhand typischer Äußerungen lassen sich diese Zwischenfälle grob in drei Kategorien unterteilen:
- „Das wird man doch wohl mal sagen dürfen.“
Dies inkludiert Witze und schnippische Kommentare von Kollegen, ggf. auch Kolleg*innen, z. B.: „Nun müssen wir aber aufpassen mit dem, was wir sagen, die Gleichstellungsbeauftragte ist da.“ Bei diesen Angriffen kann es einerseits spezifisch um die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten gehen (Chlebos 2018) und andererseits um klassischen Sexismus, wie er in der deutschen Gesellschaft immer noch relativ weit verbreitet ist (Wippermann 2020; Lohaus 2021). - „Langsam geht es aber zu weit mit der Gleichstellung/dem Gender Mainstreaming/der gendersensiblen Sprache, es muss jetzt auch mal was für Männer getan werden (Beck 2020; Beck et al. 2021).“
Grundsätzlich gibt es sicherlich Bereiche, in denen „Männerförderung“ angebracht ist, was dann auch durchaus umgesetzt wird. Meist handelt es sich bei den bemängelten Situationen aber um eine „gefühlte“ Diskriminierung, die besonders von Männern, vereinzelt auch von Frauen in ranghohen Positionen festgestellt wird. - „Vergessen werden.“
Die Gleichstellungsbeauftragte wird zu den relevanten Sitzungen und Gesprächen nicht eingeladen bzw. ihre Arbeit wird regelrecht sabotiert, indem sie von Informationen – die ihr rechtlich zustehen – ferngehalten wird.
Diese Situation der Anfeindungen verschärft sich, wenn die inhaltliche Weisungsfreiheit nicht konsequent umgesetzt werden kann und darüber hinaus Desinteresse bei der Dienststellenleitung herrscht bzw. es nur eine schlechte bis keine Rückendeckung durch sie gibt. Ein problematisches Verhalten, da sich aus dem oben genannten Artikel 3 Abs. 2 Grundgesetz auch für die Dienststellenleitung ein klarer Verfassungsauftrag ableitet, die Gleichstellung von Frau und Mann2 in die Realität umzusetzen. Häufig wird Gleichstellung nur anerkannt, wenn aus dem Bereich ein Prestigeprojekt mit externer Förderung eingeworben wurde. In diesen Momenten wird sich dann mit der progressiven Gleichstellungspolitik der Organisation geschmückt. Nicht aber, wenn vonseiten der Gleichstellungsstelle der Finger in die Wunde gelegt wird und echte Änderungen gefordert werden.
Daneben erleben Gleichstellungsbeauftragte immer häufiger Angriffe aus den Reihen bestimmter politischer Parteien. Diese laufen meist auf zwei verschiedene Arten ab, lassen sich aber unter der Phrase „Männer als benachteiligtes Geschlecht“ zusammenfassen. Dabei handelt es sich um einen systemischen Angriff auf die Grundlagen der Gleichstellungsarbeit durch u. a. die Formulierung von Forderungen zur Abschaffung von Gleichstellungsbeauftragten und Gender Studies in Parteiprogrammen (AfD 2021). In diesem Zusammenhang sind „unschuldige“, aber extrem zeitaufwändige Anfragen aus den kommunalpolitischen Gremien zu beobachten, in denen eine intrinsische Kritik an der Gleichstellungsarbeit an sich kommuniziert wird. Darüber hinaus wird durch die Bearbeitung dieser Anfragen die Arbeitskraft der Gleichstellungsbeauftragten auf zeitraubende Art gebunden. Manchmal liegt schon in der Anfrage oder im Antrag ein offensichtlicher Angriff auf die Gleichstellungsarbeit vor. Wohl bekanntestes Beispiel ist der Antrag der sächsischen AfD aus dem Jahr 2015, dessen Kernaussage folgendermaßen lautet:
„Die Gleichstellung von Mann und Frau im Berufsalltag ist seit langem vollzogen. In vielen Lebensbereichen sind Mädchen und Frauen inzwischen im Vorteil gegenüber dem männlichen Geschlecht. […] Benachteiligt sind heute eher die Männer. […] Angesichts dieser Verwerfungen müsste über eine Förderung von Jungen und Männern nachgedacht werden. Gefördert wird aber nur das weibliche Geschlecht mit Veranstaltungen wie Mädchenferienlager, Frauenwerkstatt, Infobörse für Mädchen und Frauen und Frauenschwimmen. Die Gleichstellungsbeauftragten fördern die Ungleichheit und tragen zur zunehmenden Spannung in der Gesellschaft bei.“ (AfD-Fraktion Sachsen 2015)
Zusätzlich zu diesen alltäglichen zermürbenden Angriffen kommt es auch immer wieder vor, dass Gleichstellungsbeauftragte Hassnachrichten und Gewaltandrohungen ausgesetzt sind. Dies passiert, wenn sie sich mit ihrer Arbeit aus der Organisation herauswagen – sei es durch eine Social-Media-Informationskampagne zu einem für die Gleichstellung relevanten Thema oder auch bei Veranstaltungen wie Vorträgen oder Workshops für die Öffentlichkeit. Schnell fühlen antifeministische Menschen sich bemüßigt, digitalen Hass und Häme über den Köpfen der Gleichstellungsbeauftragten und ihren Mitarbeiter*innen auszukippen. Ein Beispiel hierfür ist die Veranstaltung von Kolleginnen, die zusammen mit pro familia einen Vortrag mit dem Titel „Körper, Liebe, Doktorspiele – Wie Sexualerziehung im Kindergartenalter gelingen kann“ organisierten. Den Vortrag verschob die Dienststellenleitung auf unbestimmte Zeit, nachdem sich ein Shitstorm unter dem Begriff „Frühsexualisierung“ zusammengebraut hatte – inklusive Drohungen gegen Veranstalter*innen und Vortragenden (Lill 2021). Wohlgemerkt ging es hierbei um einen Vortrag, der in ganz Deutschland unter dem gleichen Titel gehalten wird. Drei Monate später konnte er, trotz breiter Werbung, von der Familienbildung meiner Kommune ohne ein Problem durchgeführt werden. Es kommt also auch immer auf den Zufall an, ob etwas angegriffen wird.
Diskursverschiebung, Schweigen und Misogynie – ein Erklärungsversuch
Sicherlich sollte eine Gleichstellungsbeauftragte eine gewisse Resilienz gegen solche Angriffe mitbringen, denn jeder Mensch, dessen Arbeitsgebiet sich mit einer Form von Change Management befasst, wird mit Widerständen und der Aussage „Aber das haben wir doch immer schon so gemacht“ umgehen müssen. Dennoch ist die Schärfe beachtlich, mit der die oftmals nur schwach als Kritik getarnten Angriffe gegen Gleichstellungsarbeit vorgebracht werden. Warum ist das so? Eine plausible Erklärung kann eine Kombination aus Diskursverschiebung, Schweigen und systemischer Misogynie nach dem Erklärungsmodell von Kate Manne (2019) sein. In aller Kürze skizziert, handelt es sich bei der Diskursverschiebung um den Rahmen der Ideen, die in öffentlichen Diskussionen durch Meinungsmacher*innen vertreten werden können, ohne zu extrem zu wirken. Also: Was darf gesagt werden, ohne als Extremismus abgestraft zu werden? Bei dem, was aktuell als sagbar angesehen wird, ist über die letzten Jahre eine deutliche Ausweitung bzw. Verschiebung zu beobachten – vorangetrieben durch in den Medien stark sichtbare Charaktere wie Trump, Le Pen oder Orbán. Diese immer wieder demonstrierte Sagbarkeit beflügelt auch weniger öffentlich sichtbare Menschen dazu, ihre menschengruppenfeindlichen Gedanken öffentlich zu teilen.
Wer sich mit der Leipziger Autoritarismus Studie (Decker et al. 2022) beschäftigt, sieht dies bestätigt: jeder dritte Mann in Deutschland hat ein geschlossen antifeministisches oder sexistisches Weltbild; dies trifft auch auf jede fünfte Frau zu. (Kalkstein et al. 2022, 253). Im Vergleich mit der Leipziger Autoritarismus Studie 2020 (Decker/Bähler 2020) zeigt sich, dass die Zustimmungswerte im Vergleich zu 2020 über alle Aussagen hinweg gestiegen sind. Dabei stimmt im Mittel ein Viertel der Befragten den Aussagen zu, insbesondere in Ostdeutschland. Nur bei der Zustimmung zur Aussage „Frauen, die mit ihren Forderungen zu weit gehen, müssen sich nicht wundern, wenn sie wieder in ihre Schranken gewiesen werden.“ (Decker et al. 2022, 72–73) lässt sich ein deutlicher Rückgang feststellen, jedoch nur in Ostdeutschland. So findet also seit Längerem eine Diskursverschiebung des Sagbaren statt, die sich besonders auf marginalisierte Gruppen bezieht und damit rassistische, trans- und homofeindliche, aber auch misogyne Aussagen immer gesellschaftsfähiger macht.
Die Art und Weise, wie diese Aussagen gemacht werden, kann so überwältigend wirken, dass sich viele Menschen lieber gar nicht erst einmischen oder nicht mehr einmischen, auch wenn sie anderer Meinung sind. Der Rückzug aus der öffentlichen Diskussion ist nachvollziehbar, denn eine Solidarisierung mit Menschen, die rassistisch, trans-, frauen- oder homofeindlich angegriffen werden, führt schnell dazu, dass auch die Unterstützer*innen in der Schusslinie stehen. Außergewöhnlich hart trifft dies marginalisierte Gruppen, gegen die Ressentiments herrschen und zu denen eben u. a. auch Frauen gehören. Hier herrscht oft eine besondere Schärfe in den Angriffen, wenn es sich um trans Frauen oder Black/Indigenous Women of Colour handelt, da im Sinne der Intersektionalität die Diskriminierungsebene Geschlecht auf besondere Weise in den Blick genommen wird (Crenshaw 1989). Gerade öffentliche und verbal gewaltvolle Angriffe erfüllen damit zwei Funktionen: Einerseits geht es darum, die aktuell angegriffenen Personen zum Schweigen zu bewegen und deren Anliegen und Projekte im Idealfall direkt zum Erliegen zu bringen. Auf der anderen Seite dienen diese boshaften Bemerkungen und Drohungen, die sich gerade auf Social Media gerne mal zum Shitstorm hochschaukeln, als Warnung an andere potenziell Gleichgesinnte der Angegriffenen.
Bei den so angegriffenen Personen handelt es sich um solche, die sich dazu ermächtigen, aus dem Skript der vorgesehenen gesellschaftlichen Rolle hinauszutreten. Dabei stehen sie im Rahmen der Angriffe stellvertretend für eine ganze Gruppe an Menschen, die sich ähnlich verhalten. Die Gleichstellungsbeauftragte nimmt in dieser Dynamik somit den Platz der Stellvertreterin für alle Frauen, FLINTA und als Feminist*innen wahrgenommenen Personen ein, die versuchen, die patriarchale Struktur unserer Gesellschaft zu verändern. Qua Amt müssen Gleichstellungsbeauftragte aus den der Frau zugeschriebenen stereotypen Rollenmustern ausbrechen, denn ihre Aufgaben sind dank der gesetzlichen Basis die folgenden:
- Sie sollen Veränderung bewirken und müssen damit den Status quo angreifen.
- Sie sollen sich durchsetzen und müssen deswegen in ihrer Kritik klar und deutlich werden.
- Sie müssen in ursprünglich Männern vorbehaltene Räume eindringen, die Frauen eigentlich vorenthalten werden.
- Sie befinden sich in einer für Frauen untypischen Machtposition und haben häufig die Möglichkeit des Vetos, können also Dinge unterbinden, die durch patriarchale Strukturen entschieden wurden.
- Als Mann, der Gleichstellungsbeauftragter ist, nimmt er die Rolle eines Feministen ein und wird damit oft als Verräter am eigenen Geschlecht und am Patriarchat gewertet.
Hier kommt wieder die Theorie der Misogynie von Manne (2020, 7) ins Spiel, die die Systematik hinter den genannten Angriffen folgendermaßen zusammenfasst:
„I argue that misogyny should not be understood as a monolithic, deep seated psychological hatred of girls and women. Instead it’s best conceptualised as the ‚law and order‘ branch of patriarchy – a system that functions to police and enforce gendered norms and expectations […]. In addition to this, misogyny is typically a response to women’s violation of gendered law and order.“
Dabei zeigt sich Misogynie auf unterschiedliche Arten – von klassischer Bosheit und Aggressionen bis hin zur betonten Gleichgültigkeit, die bis zum eisigen Schweigen reichen kann.
Diese Aussicht auf verbreitete Feindseligkeit ist damit eine besonders wirkungsvolle Abschreckung für Frauen, FLINTA und Feminist*innen, die „schlechtes“ Genderverhalten an den Tag legen – also aus den gesellschaftlich vorgeschriebenen Rollen ausbrechen (Manne 2019, 152). Damit dient die gegen Frauen und FLINTA im öffentlichen Leben gerichtete Misogynie ganz klar anderen als Warnung davor, nicht in deren Fußstapfen zu treten oder sich auch nur mit ihnen zu solidarisieren. Viele Feminist*innen und damit auch Gleichstellungsbeauftragte sehen sich dieser Gewalt potenziell ausgesetzt, mindestens wenn es sich um ein öffentliches Projekt handelt. Denn selbst wenn es keinen realen Angriff gibt, wird der potenziell bevorstehende Angriff von den Gleichstellungsbeauftragten und ihren Gleichgesinnten so gut wie immer mitgedacht.
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1 Eine Definition von Antifeminismus kann im Rahmen dieses Textes nicht erfolgen, da es „den“ Antifeminismus genauso wenig wie „den“ Feminismus gibt. Für Definitionen von Antifeminismus, wie er in diesem Text verstanden wird, siehe: Dohm 1902, Manne 2019; Henninger 2020.
2 In den hier besprochenen Landesgesetzen zur Gleichstellung der Geschlechter wird noch immer auf eine strenge Binarität der Geschlechter abgestellt, sodass entweder Frauen und Männer oder nur Frauen in den Texten benannt sind. Dies ist einerseits im Hinblick auf die weitgehende Einigkeit in der Wissenschaft darüber, dass sich Geschlecht nicht nur über genetische, anatomische oder chromosomale Merkmale etablieren lässt und andererseits in Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 10.10.2017 im Rahmen des sog. Dritten Option-Verfahrens (1 BvR 2019/16) langfristig nicht mehr haltbar, da damit in Deutschland bereits die Möglichkeit eines weiteren positiv bezeichnenden Geschlechtseintrages in den Personenstandsregistern geschaffen wurde (Niedenthal 2020). Auch die mögliche Abschaffung des Transsexuellengesetzes und die Schaffung eines Ersatzes mit dem Selbstbestimmungsgesetz würde weitere Implikationen für die Frage beinhalten, inwiefern Gleichstellungsarbeit weiterhin auf einer Geschlechtsbinarität fußen kann und sollte.
Alice Juraschek, M. A. Kunstgeschichte/Englische Literaturwissenschaften, leitet die Gleichstellungsstelle, Ansprechstelle LGBTQIA* sowie die Beschwerdestelle nach AGG der Stadt Aschaffenburg und ist seit mehr als zehn Jahren hauptberuflich in der Gleichstellungsarbeit tätig. Die Interessensschwerpunkte liegen in der Erarbeitung eines intersektionalen Ansatzes für diese Arbeit sowie in der Untersuchung der Ursachen und des Umgangs mit antifeministischen Angriffen gegen Gleichstellungsprojekte und -stellen.
Literaturverzeichnis
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