Das Erlernen von Gemeinsamkeiten und das gemeinsame Lernen sind bei der Integration junger Geflüchteter von unschätzbarer Bedeutung. Gemeinsames formales Lernen, non-formales Lernen und informelles Lernen – alle Aspekte sind zu beachten. In der Schule ist das Pausengespräch mit den Mitschülerinnen und Mitschülern genauso wichtig wie die Unterrichtsstunde. Kinder und Jugendliche sollen sich über ihre gemeinsamen Erfahrungen austauschen. Diejenigen, die Deutsch nicht als ihre Muttersprache gelernt haben, nehmen es nach und nach als ihre „Freundeskreissprache“ auf. Gerade wenn in den Familien vorwiegend die Herkunftssprache gesprochen wird, ist die Verständigung auf dem Schulhof in Deutsch umso wichtiger. Genau deshalb wäre es ein großer Fehler, die Kinder zu separieren. Diskriminierung vorzubeugen heißt: gemeinsame Erlebnisse ermöglichen.
Damit Integration in der Schule funktioniert, ist es notwendig, für gegenseitige Offenheit zu sorgen und Neugier aufeinander zu unterstützen. Das ist keine einseitige Angelegenheit. Den Pädagoginnen und Pädagogen gilt mein ausdrücklicher Dank, dass sie mit viel persönlichem Einsatz täglich für Bedingungen sorgen, unter denen sich Offenheit und Neugier entfalten können. Wer sich den Alltag in den Schulen anschaut, weiß, dass Integration für alle Beteiligten anstrengend ist. Und – das soll hier nicht unerwähnt bleiben – auch künftig ein Kraftakt bleiben wird.
Bildung als effektives Mittel gegen Diskriminierung beginnt aber schon im vorschulischen Bereich. Auch Kindergärten sind Bildungseinrichtungen, in denen im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch gelernt wird – nicht nur die Sprache. Es gibt verschiedene Projekte, die vorurteilsbewusste Erziehung in den Fokus nehmen. Dabei werden Kinder darin unterstützt, sich mit ihrer Herkunft und der ihres Gegenübers auseinanderzusetzen, sei es beispielsweise mit kleinen Fotoalben mit Familienbildern oder beim Malen. Das ist eine von vielen Möglichkeiten, um Diskriminierungen vorzubeugen. Dadurch erfahren Kinder, dass es nicht wichtig ist, ob der andere einer Minderheit oder der Mehrheit angehört. Für die gegenseitige Wertschätzung kommt es auf das Menschsein an.
Mit dem Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit hat Thüringen die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte gegen Diskriminierung institutionalisiert. Im Jahr 2009 haben sich im Thüringer Landtag alle Fraktionen für die Einrichtung des Landesprogramms ausgesprochen. „Der Schutz von Demokratie und Freiheit beginnt mit dem Schulterschluss der Demokraten“ – so hieß es damals. Die Bedrohungen der demokratischen Kultur sind seither nicht kleiner geworden. Deswegen wollen wir an diesen wichtigen Konsens immer wieder erinnern und anschließen.
Dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft gilt mein Dank für die Erstellung des Sammelbandes. Die Schriftenreihe ist eines von vielen Projekten, die das Institut in kurzer Zeit nach seiner Einrichtung erfolgreich initiiert hat. Bundesweit hat diese Arbeit bereits viel Anerkennung erfahren. Mit den hier versammelten Beiträgen setzt sich diese Entwicklung fort. Die Lektüre ist ausgesprochen lohnenswert.
Helmut Holter
Minister für Bildung, Jugend und Sport im Freistaat Thüringen