Ein Flüchtling erzählte mir, aufgrund seiner beruflichen Qualifikation eine Anstellung bei einer Thüringer Behörde gefunden zu haben. Leider wurde er nach Ablauf der Probezeit wieder entlassen; zwar mit dem höchsten Lob für seine Arbeit, aber auch dem Hinweis, das Kollegium sei aufgrund seiner ‚Andersartigkeit‘ noch nicht zur Zusammenarbeit mit ihm bereit. So schnell machen „Praktikabilitätsüberlegungen“ das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot zunichte. Ich suche das Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber, um ihn an seine Verantwortung zu erinnern: Für die Menschen, die von seinem Handeln betroffen sind. Es muss eine bessere Lösung als solche Ausgrenzung geben.
Was können wir tun, um solche Verletzungen zu vermeiden? Ich denke an eine Schulklasse. Eine neue Schülerin aus Syrien kommt hinzu. Wie wird sich der Klassenverband ihr gegenüber positionieren? "Wir sind die wahren Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b! Keine Migrantin kann dazu gehören!" Oder: "Nein zur Ausgrenzung der neuen Schülerin! Ja zum Miteinander in der Schule!" Die Antwort hat viel mit dem Lehrpersonal zu tun. Es wird erklären müssen, dass Ausgrenzung ein Mittel ist, um zum Beispiel politische Macht zu erreichen. Ein Zerstörungsmittel also, das nur die Ausgrenzenden und nicht die Gesellschaft weiterbringt! Dagegen ist das Miteinander ein Gestaltungsmittel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wissen schafft Demokratie!
Die Thüringer Landesregierung hat mit ihrem Integrationskonzept eine Entscheidung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Ausgrenzung getroffen. Das ist unter anderem eine deutliche Absage an diejenigen, die politische Macht durch eine Politik gegen Integration, Migration und Flüchtlinge zu erreichen versuchen. Es ist eine niederträchtige Politik, weil die Betroffenen die gegen sie gerichtete Politik kaum angreifen können; Flüchtlinge beispielsweise, weil sie kein Wahlrecht haben. Dagegen habe ich als Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge das Wort zu erheben. Ich tue das nicht zuletzt in der Überzeugung, dass solche Ausgrenzungspolitik sich schnell auch gegen andere Formen des Andersseins richtet. Damit wird die soziale Benachteiligung zum politischen Werkzeug und der gesellschaftliche Zusammenhalt ist der Preis dafür.
Die derzeitige Asyldebatte ist nichts anderes als eine solche Ausgrenzungspolitik. Sie ist gefährlich, weil sie nicht von den Menschen handelt, die in den geplanten Transitzonen und Ankerzentren behandelt werden sollen. Menschen, denen durch ihre Behandlung die Würde genommen wird. Nämlich als Menschen anerkannt zu sein und dazu zu gehören. Jeder Mensch hat aber an jedem Ort der Welt ein Recht darauf, nicht ausgegrenzt zu werden. Darüber müssen wir sprechen und eine bessere Lösung finden.
In der Auseinandersetzung mit der Ausgrenzungspolitik spielt die Wissensvermittlung eine wichtige Rolle: Eine Aufgabe, der sich das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in dankenswerter Weise angenommen hat. Ich freue mich über den aktuellen Band aus der Schriftenreihe "Wissen schafft Demokratie" zum Thema: Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist ein vielseitiger Vertrag, den wir täglich neu verhandeln müssen. Umso mehr wir wissen, desto besser wird das Verhandlungsergebnis sein: Niemand darf ausgegrenzt sein!
Ich wünsche Ihnen ein gewinnbringendes Lesen und schließe mit Barack Obama: "Es ist nicht cool, nicht zu wissen, worüber man spricht."
Ganz herzlich für ein Gutes Miteinander!
Mirjam Kruppa
Thüringer Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge