Grußwort

Es beginnt mit einem Hass-Kommentar in den sozialen Medien und kann im Ernstfall mit einem folgenschweren Angriff in der Realität enden. Wir erleben eine bedenkliche Zunahme von Beleidigungen, Gewaltandrohungen und Angriffen auf Politikerinnen und Politiker und erinnern uns in diesem Kontext etwa an den ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der 2019 von einem Rechtsextremisten ermordet wurde. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass unsere Demokratie aktuell unter enormem Druck steht. Da diese Entwicklungen nicht nur sehr gefährlich für Einzelpersonen, sondern für das demokratische System insgesamt sind, freue ich mich, dass dem Thema mit dem vorliegenden 12. Band der Schriftenreihe „Wissen schafft Demokratie“ Raum gegeben wird.

Demokratie bedeutet insbesondere auch, dass alle grundsätzlich die Möglichkeit haben, die soziale Wirklichkeit mit zu gestalten und auf den öffentlichen Diskurs Einfluss zu nehmen. Der politische Entscheidungsprozess im Rahmen unserer Verfassungsordnung ist stets auf die Bereitschaft möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger angewiesen, sich aktiv für die öffentlichen Belange einzusetzen, egal ob im Haupt- oder Ehrenamt, in Parlamenten, Vereinen und Parteien, auf kommunaler Ebene, in Medien, Wissenschaft oder zivilgesellschaftlichen Initiativen. Doch seit geraumer Zeit, so scheint es jedenfalls, greifen dort, wo eigentlich republikanischer Ethos und sachlicher Austausch von Argumenten ihren Platz haben sollten, zu oft bewusste Provokation, gezielte Diskreditierung Andersdenkender oder gar blanker Hass um sich. Es kann abschrecken, sich überhaupt einzubringen, wenn man weiß, was da auf einen zukommen kann, doch zugleich lebt unsere Demokratie vom Mut der Engagierten. Ich freue mich daher über alle, die ihren Beitrag trotz oft schwieriger Bedingungen leisten. Sie brauchen in jeder Hinsicht unsere besondere Ermutigung und Unterstützung.

Der vorliegende Band gibt uns eine wissenschaftliche Perspektive auf die verschiedenen Anfeindungen, die haupt- und ehrenamtliche politische Akteure erfahren, und beleuchtet, mit welchen weiteren Herausforderungen das demokratische Engagement aktuell konfrontiert ist. Die Befunde können helfen, mögliche Barrieren und Gefährdungen für die politische Teilhabe zu identifizieren und im Idealfall dazu beitragen, neue Lösungsansätze zu entwickeln, um die Bedingungen für ziviles Engagement und demokratische Partizipation zu verbessern. Insofern leistet diese Ausgabe der Schriftenreihe einen wichtigen Beitrag zur Bestandsaufnahme und Wissensvermittlung.

Ich bin derzeit viel in Ostdeutschland unterwegs und rede mit Menschen aus verschiedenen Regionen, mit ganz unterschiedlichen Lebenslagen und biografischen Hintergründen. Manche Unzufriedenheit und Sorge kann ich gut nachvollziehen und friedlicher Protest, öffentliche Kundgebungen und auch sehr scharfe Kritik an politischen Entscheidungen werden durch die Verfassung geschützt und sind integraler Bestandteil unserer demokratischen Ordnung. Aber da, wo argumentativer Austausch und Verständigung gar nicht mehr angestrebt, demokratische Institutionen gezielt delegitimiert und gewählte Repräsentantinnen und Repräsentanten des Staates beleidigt und diffamiert werden, müssen wir klare Grenzen ziehen. Gewalt und Hetze dürfen niemals ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung sein und müssen auf entschiedenen Widerspruch und Ächtung durch die demokratische Mehrheitsgesellschaft treffen.

Dabei bieten die gemeinsame Erinnerung an die friedliche Revolution in der DDR oder auch ein aktueller Blick auf Russland, Belarus oder den Iran hinreichenden Anlass zu der Einsicht, dass Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit keineswegs selbstverständlich sind, sondern jeden Tag verteidigt und im respektvollen Miteinander gelebt werden müssen. Wir können die Abwertung des demokratischen Diskurses nur verhindern, wenn wir den Wert des Dialogs aufzeigen.

Dieser Dialog wird auch dank der wissenschaftlichen Beiträge des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft befördert. Der zwölfte Band zeigt, in welchen Bereichen und warum unsere Demokratie aktuell unter Druck gerät. Er zeigt aber auch, wie wir intervenieren können. Dafür danke ich allen Autorinnen und Autoren sowie der Redaktion und wünsche den Beiträgen eine möglichst breite Resonanz.

 

Carsten Schneider MdB

Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland