Feindbild Frau – Angriffe auf politisch aktive Frauen als Demokratiegefährdung

Politisch und ehrenamtlich aktive Frauen, die sich kommunalpolitisch bzw. gleichstellungspolitisch engagieren, sind spezifischen Formen von Gewalt ausgesetzt. Neben politisch motivierten Angriffen, die auch ihre männlichen Kollegen betreffen, können sich Anfeindungen und Angriffe auf ihr Frausein beziehen und von antifeministischen Haltungen bis hin zu offenem Frauenhass motiviert sein: Sexualisierte Beleidigungen, offene Drohungen und tätliche Angriffe zielen darauf ab, sie einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen – oder gar zum Rückzug aus ihrem Engagement. Bereits jetzt sind Tendenzen erkennbar, die demokratiegefährdende Potenziale entfalten und als Ausdruck einer Strategie des „Silencings“ verstanden werden können. Während Abwertungen und sexistische Kommentare bereits für viele Frauen zur Normalität gehören, haben die Angriffe im Kontext politischen Engagements, nicht nur auf Online-Plattformen, eine neue Qualität der Gewalt erreicht. Neben Vergewaltigungs- und Todesdrohungen werden oftmals auch die Familien, insbesondere Kinder, mit einbezogen. Ohne ausreichende Maßnahmen zum Schutz und eine klare Positionierung der Solidarität und aktiven Unterstützung stellt dies eine Gefahr für politisches und zivilgesellschaftliches Engagement von Frauen dar. Dieses systemische Problem darf nicht Einzelnen überlassen werden, sondern braucht Antworten auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.

Problemaufriss – Gewalt als Gefahr für Engagement

Für das Engagement in der Kommunalpolitik ist seit einiger Zeit ein rückläufiger Trend erkennbar, ganz besonders im ländlichen Raum, aber nicht nur dort. Wenn zusätzlich zur zeit- und ressourcenaufwendigen Arbeit den politisch Aktiven auch noch Gewalt droht, stellt dies eine weitere Hürde für ihr ehrenamtliches Engagement dar und birgt die Gefahr, dieses Fundament demokratischer Ordnung auszuhöhlen. Die Formen der Gewalt umfassen dabei neben physischen ebenso verbale und psychische Angriffe. Diese betreffen in besonderem Maße Frauen1, die aufgrund ihres Geschlechts und aus antifeministischen Motiven heraus angegriffen werden. Antifeminismus ist dabei zu verstehen als Feindschaft gegen feministische Positionen und Kämpfe, mit dem Ziel der Aufrechterhaltung einer heteronormativen Geschlechterordnung. Der als Klammer zwischen verschiedenen politischen Spektren fungierende Antifeminismus ist dabei mehr als Frauenhass (Misogynie) und richtet sich nicht nur gegen feministische Anliegen, etwa die Beseitigung von Sexismus, sondern ebenso gegen die Pluralisierung von Lebens- und Familienkonzepten – mit den Feindbildern Gender, Gleichstellung und Feminismus2. Als eine Strategie werden dabei persönliche, häufig sexualisierte Bedrohungen und körperliche Angriffe eingesetzt, um Frauen zum Schweigen und zum Rückzug aus ihrem Engagement zu bewegen.

Von „shrinking spaces“ oder „closing civic spaces“ ist dann die Rede: dem (erzwungenen) Rückzug zivilgesellschaftlicher Akteur*innen, als Folge von Diffamierungen, Drohungen und Gewalt sowie den damit einhergehenden Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume (Behringer 2021). Exemplarisch attestiert die Studie „Präventive Strategien zum Schutz von Amts- und Mandatsträgern“, die im April 2022 für Brandenburger Kreistage vorgestellt wurde, eine Atmosphäre von Einschüchterungen, Hetze und Bedrohungen (Neiße 2022). Erhebungen der kommunalpolitischen Zeitschrift KOMMUNAL3 (Erhardt 2019) belegen ebenso, dass fast zwei Drittel der 2.500 Bürgermeister*innen Erfahrungen mit Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Übergriffen gegenüber Amts- und Mandatsträger*innen vorweisen. Etwa die Hälfte aller Kommunalpolitiker*innen sind Bedrohungen ausgesetzt. Das können Drohungen einer Zivilklage sein, aber auch Gewalt- und Todesdrohungen sowie Drohungen gegen die Familie oder nahestehende Personen.
Unterscheiden sich die Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen von denen ihrer männlichen Kollegen? Die Antwort lautet ja, und zwar deutlich (Heinrich-Böll-Stiftung 2021). Neben der Tatsache, dass Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind und nur etwa ein Drittel der kommunalen Mandate besitzen, sind sie in besonderem Maße und von spezifischen Gewaltformen betroffen: Beleidigungen, Drohungen und tätlichen Angriffen sind sie grundsätzlich ebenso ausgesetzt, allerdings beinhaltet die verbale Gewalt gegen Frauen bei etwa der Hälfte auch sexualisierte Gewalt und Angriffe aufgrund ihres Geschlechts (Heinrich-Böll-Stiftung 2021). Diese Ergebnisse decken sich mit meinen Erfahrungen aus Workshops und Beratungen mit Gleichstellungsbeauftragten und kommunalpolitisch tätigen Frauen4. Neben der Infragestellung ihrer Arbeit kommt es regelmäßig zu persönlichen Angriffen und Bedrohungen, die sich auf ihr Frausein, ihr Äußeres oder ihre Sexualität beziehen. Ähnliche Befunde gelten für Autorinnen und Journalistinnen, die massiven Grenzverletzungen und teilweise traumatisierenden Situationen ausgesetzt sind – schlimmstenfalls mit der Konsequenz, ihre Tätigkeit nicht weiter ausüben zu können.

Dieser Beitrag richtet den Fokus auf die spezifischen Formen von Angriffen, mit denen Frauen in politischen Ämtern und Funktionen umgehen müssen: von massiven Anfeindungen, nicht nur im virtuellen Raum, bis hin zu Vergewaltigungs- und Todesdrohungen. Welche Strategien wurden dabei bereits entwickelt und welche braucht es? Dies soll auch in struktureller Hinsicht betrachtet und verknüpft werden mit daraus abgeleiteten Handlungsansätzen.

Angriffe und Gewalterfahrungen

„Beleidigt und bedroht“ lautet nicht nur der Titel einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zu Arbeitsbedingungen und Gewalterfahrungen von Ratsmitgliedern in Deutschland, sondern beschreibt zugleich deren Realität (Heinrich-Böll-Stiftung 2021). Eine ihrer Kernaussagen lautet dabei, die Anfeindungen ernst zu nehmen, denen insbesondere ehrenamtlich und politisch aktive Frauen systematisch ausgesetzt sind. Es handelt sich dabei um geschlechtsbezogene und sexualisierte Beleidigungen, d.h. die Kommunalpolitikerinnen werden gezielt als Frauen abgewertet und angegriffen. Zusammen mit den grundsätzlich besonderen (Arbeits-)Bedingungen für Frauen verschärft dies das bereits bestehende Problem der Unterrepräsentanz. Aufgrund existierender traditioneller Rollenvorstellungen werden Frauen in politischen Ämtern zum Teil noch immer als Abweichung von der Norm wahrgenommen – und das mitunter auch innerhalb des eigenen politischen Umfelds.

Zudem sind sie mit sexualisierten Beleidigungen konfrontiert, die auch diffamierend auf ihr Sexualleben bezogen sein können: sei es ihre sexuelle Orientierung oder eine unterstellte Promiskuität. Für Frauen mit Migrationsgeschichte verschärft sich diese Situation noch einmal dadurch, dass sie zusätzlich zu Sexismus Rassismus erleben. Sie werden nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern ebenso aufgrund ihrer (vermeintlichen) Herkunft oder Religion diskriminiert und angegriffen.

Von Fällen dieser Art ist ebenso in der Studie „Hass vor der Haustür“ zu lesen, die vom Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (2022) veröffentlicht wurde – mit einem Rekordniveau der Angriffe auf Journalist*innen für 2021. Die Studie enthält in ihren Ergebnissen keine Aussagen zu Geschlechtsunterschieden, nennt jedoch Beispiele von Mehrfachbelastungen, denen Journalistinnen ausgesetzt sind, aufgrund der zusätzlich zu Diffamierungen und Gewaltdrohungen erlebten sexualisierten Beleidigungen. Auch hier gibt es einen erheblichen Unterschied zur Arbeitssituation ihrer männlichen Kollegen. Einzelfälle erhalten dabei immer wieder Aufmerksamkeit, es handelt sich jedoch um ein strukturelles Problem.

Politikerinnen sind, ebenso wie Journalistinnen, seit Beginn der Pandemie einer Zunahme an Hasskommentaren ausgesetzt, Online-Plattformen fungieren dabei als Verstärker des Hasses. So geraten selbst erfahrene Politikerinnen aufgrund eines massiven Stresslevels an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Neben Beleidigungen führen Strategien wie das Veröffentlichen privater Daten und Adressen (auch „Doxing“ genannt) sowie die Präsenz vor Büros oder Privatwohnungen zu einer erhöhten Bedrohung. Besonders lokal tätige Politikerinnen und Journalistinnen können sich nach Dienstschluss nicht in die Anonymität zurückziehen, sondern sind vielmehr auch nach Feierabend Anfeindungen ausgesetzt – eine Situation, die besondere Schutzkonzepte verlangt (Heinrich-Böll-Stiftung 2021, S. 28 f.).

In einer Interviewstudie berichteten Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte von Herabwürdigungen und Hetze, die sie auf Social-Media-Kanälen erleben (BAG kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen 2018). Die Spanne reicht von persönlichen Beleidigungen über die gezielte Verbreitung falscher Tatsachen (Desinformationen) bis hin zum Doxing – einer Strategie, die häufig von extrem rechten Akteur*innen eingesetzt wird, um Menschen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Einschüchterung als Ziel der Gewalt kennzeichnet sie als Botschaftstaten, indem sich die Botschaft an die Angegriffenen selbst sowie an potenziell Betroffene richtet (VBRG/BMB 2021). Das gilt für rechts motivierte Gewalt ebenso wie für antifeministische und unterscheidet sie von Angriffen innerhalb des politischen Umfelds. Die Konsequenz aus derart starken psychischen Belastungen nach Jahren kontinuierlicher Bedrohungen, die auch an die gesundheitliche Substanz gehen, ist teilweise, sich zurückzuziehen. Der „Silencing-Effect“ bezeichnet diesen erzwungenen Rückzug in Form des Zum-Schweigen-Bringens und stellt damit eine Bedrohung nicht nur für die Presse- und Meinungsfreiheit dar.

(Persönlicher) Umgang und Strategien

Wenn Frauen sich nicht mehr in soziale Netzwerke begeben, um Hasskommentaren und Bedrohungen zu entgehen, fehlt ihre Perspektive und die Sichtbarkeit ihrer Positionen. Das trifft zum Teil auch auf gleichstellungspolitisch Aktive zu, die mir in Workshops davon berichten, aus präventivem Selbstschutz oder infolge erlebter Angriffe auf digitale Präsenz zu verzichten. Nicht selten müssen sie mit diesen Gefahren ebenso allein umgehen wie mit den Anfeindungen in Ausschüssen, auf Veranstaltungen oder auf der Straße. Der Eindruck, dem als Einzelkämpferin ausgeliefert zu sein, kann zu Gefühlen von Unsicherheit oder sogar Ohnmacht beitragen und als letzte Konsequenz zum Rückzug führen.

Der Rückzug aus dem politischen Ehrenamt wird von Kommunalpolitikerinnen in Erwägung gezogen, wenn die Belastungen als zu hoch wahrgenommen werden und besonders dann, wenn die Bedrohungen die Familie miteinbeziehen. Meist werden jedoch Wege gesucht, die eine Fortsetzung der Arbeit ermöglichen. So versuchen sie, diese Problemlagen zu benennen und anzugehen. Es werden solidarische Vernetzungen initiiert und Frauenstadträte gegründet – für den Austausch und die Unterstützung in einem geschützten Rahmen sowie das Entwickeln von Strategien des Umgangs. So subjektiv wie die Bedrohungslagen sind dabei auch die Gegenstrategien als Antwort auf die erlebte Gewalt. Die Studie „Beleidigt und bedroht“ (Heinrich-Böll-Stiftung 2021) differenziert zwischen vier generellen Lösungsansätzen im Umgang mit den Gewaltformen: Neben individuellen Ansätzen, bei denen die Anfeindungen mit sich selbst verhandelt werden oder mit Familie und Freund*innen, wird bei institutionellen Ansätzen die Unterstützung durch das professionell-politische Umfeld gesucht: von politischen, kommunalen oder zivilgesellschaftlichen Akteur*innen sowie aus der Verwaltung. Öffentlichkeitsorientierte Ansätze zielen auf die (mediale) Aufmerksamkeit und damit ein gesellschaftliches Problembewusstsein, der justizielle Ansatz auf die strafrechtliche Verfolgung. Das Herstellen von Öffentlichkeit wird der Studie zufolge dabei häufig als ambivalent eingeschätzt – aufgrund der Befürchtung oder Erfahrung, mit den Konsequenzen allein umgehen zu müssen. Aus dem Gefühl heraus, sich nicht (ausreichend) geschützt zu fühlen, werden demnach häufig keine Strafanzeigen gestellt, was die Dunkelziffern deutlich erhöht. Daraus resultiert ein Dilemma zwischen dem individuellen Bedürfnis nach Schutz auf der einen Seite und der gesellschaftlichen Notwendigkeit auf der anderen Seite, die Angriffe öffentlich zu problematisieren und eine realistische Einschätzung zu erhalten. In Hinblick auf die strafrechtliche Verfolgung konstatiert die Studie: Die Anonymität der Absendenden ist eine Ursache für erfolglose Anzeigen, ebenso wie die Tatsache, dass Drohungen oftmals so formuliert werden, dass sie nicht justiziabel sind. Zudem fehlen demzufolge parteiübergreifende und institutionelle Verfahren, wie ein Monitoring und entsprechende Schutzkonzepte – mit der Folge, dass ein systemisches Problem individualisiert wird.

Was es braucht

Es bedarf eines mehrdimensionalen Sets an Handlungsansätzen, um die Belastungen infolge der Gewalterfahrungen zu verringern und der Gewalt als gesellschaftlichem Problem zu begegnen – so lautet das Fazit der Studie zur Situation von Ratsmitgliedern (Heinrich-Böll-Stiftung 2021). Neben dem Auf- und Ausbau institutioneller Ansätze ist insbesondere die aktive Unterstützung der ehrenamtlich Engagierten notwendig.

Psychosoziale Betreuungsangebote nach Angriffen reichen hier nicht aus. Vielmehr braucht es weitere Gegenmaßnahmen, wie Schulungen und Fortbildungen, auch für Polizist*innen, und die Entwicklung von Schutzkonzepten. Es bedarf eines Langzeit-Monitorings als Analyseinstrument und daraus abgeleitete konkrete Maßnahmen. Ein Beispiel dafür ist ein von der Gewerkschaft ver.di entwickelter Schutzkodex für Medienschaffende mit einem Katalog an praktischen Maßnahmen für Betroffene (ver.di 2021). Dazu zählen feste Ansprechpartner*innen, psychologische und juristische Unterstützung für Betroffene und ihre Familien, die schnelle Sperrung von Hater*innen-Profilen in sozialen Netzwerken, rechtliche Unterstützung bei Auskunftssperren von Meldeadressen oder die Nachverfolgung juristisch strafbarer Mails und Kommentare. Konzepte wie diese braucht es auch für Kommunalpolitikerinnen und ehrenamtlich Tätige. Insbesondere in Hinblick auf die Situation vieler lokal Engagierter und den fehlenden Schutz durch Anonymität sowie die Existenz von Feindeslisten kommt dem Schutz persönlicher Daten und Adressen eine zentrale Bedeutung zu. Das Gesetzespaket der Bundesregierung zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus zielte bereits auf die Vereinfachung bei der Auskunftssperre der Meldeadresse (Deutscher Bundestag 2021). Ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings allein nicht ausreichend.

Die Empfehlungen der Studie „Beleidigt und bedroht“ für Kommunalpolitiker*innen beinhalten daher ein ganzes Bündel an Maßnahmen, viele davon finden sich auch im Ratgeber der Opferberatungsstellen wieder (VBRG/BMB 2021). Es beginnt mit dem Ernstnehmen der Gewalterfahrungen und der Suche nach Austausch mit politischen Mitstreiter*innen, im Sinne einer Entlastung, Sensibilisierung und Solidarität. Insbesondere für den Umgang mit sexualisierter verbaler Gewalt und Bedrohung braucht es geschützte Räume für Austausch, Vernetzung und Strategiebildung. Die Erfahrung, mit Gewalterfahrungen nicht allein (gelassen) zu sein, kann ein wichtiger Teil des Empowerments sein. So hat der Deutsche Landkreistag Ende 2020 zusammen mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und der Bundeszentrale für politische Bildung ein Kooperationsprojekt5 gestartet, mit gezielten Dialog-, Beratungs- und Bildungsangeboten für betroffene Amtsträger*innen.

Eine bundesweite Online-Plattform könnte zur Vernetzung und gegenseitigen Stärkung beitragen und zugleich für Öffentlichkeit sorgen. Eine solidarische Positionierung von Schlüsselpersonen und Kolleg*innen der Betroffenen sollte die individuellen Maßnahmen als Signal der Handlungsfähigkeit und als klare Botschaft an Täter*innen wie Öffentlichkeit ergänzen. Wichtig ist die Botschaft, dass eine demokratische Diskussions- und Streitkultur verbale Verletzungen dieser Art nicht beinhaltet und toleriert. Das kann Gesprächsregeln und vereinbarte Standards beinhalten, inklusive klarer Konsequenzen bei Regelverletzungen. Die Trennung zwischen politischem Engagement und Privatbereich, verbunden mit dem Schutz privater Daten, kann ebenso eine Strategie sein wie implementierte Ansätze der Unterstützung von Betroffenen. Das bedeutet, es braucht klare Verfahren, die eine Prävention, wie Fortbildungen und Beratungen zum Umgang mit antifeministischen Angriffen und möglichen Handlungsstrategien, ergänzen. Ein Mentoring im Umgang mit Gewalterfahrungen kann auch parteiübergreifend organisiert werden, wenn Verbände klein und Ressourcen knapp sind. Instrumentarien wie Leitfäden für das Agieren in bestimmten Fällen können dabei unterstützen, mehr Sicherheit für Betroffene zu schaffen.

Als Rahmen braucht es eine konsequente strafrechtliche und gerichtliche Verfolgung dieser Gewalt und eine amtliche Erfassung als solide Datengrundlage. Grundlage dafür ist nicht zuletzt die Sensibilität und Problemwahrnehmung, dass es sich bei diesen Angriffen um politisch motivierte Gewalt handelt – mit einer Genderdimension. Auch hier wurden bereits Schritte unternommen, die weiter zu verfolgen und auszubauen sind, etwa ein höheres Strafmaß bei Beleidigungen von Kommunalpolitiker*innen und die systematische Verfolgung von Hasskommentaren in sozialen Medien.

Fazit – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die Herausforderungen und Belastungen für Frauen im politischen Engagement und Ehrenamt, die zusätzlich starke Verschränkung der Privatsphäre mit dem politischen Bereich sowie die Gewalterfahrungen führen zum Teil zu Überlegungen, das politische Mandat niederzulegen oder sich zurückzuziehen. Es fehlen weitgehend institutionelle Ansätze und Angebote zur Unterstützung und Entlastung. Trotz der vorhandenen individuellen Lösungskompetenzen und entwickelten Strategien kann es nicht die Aufgabe von Einzelpersonen sein, einen persönlichen Umgang mit den antifeministischen Angriffen und Bedrohungen zu finden. Denn bei den hier beschriebenen Formen politisch motivierter Gewalt, die eine Genderdimension aufweisen und Frauen als Frauen angreifen, handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wird diesem nicht begegnet, verschärft es nicht nur die Suche nach kommunalpolitisch Ehrenamtlichen oder sich politisch äußernden und aktiven Frauen, sondern gefährdet eine der Grundlagen demokratischer Beteiligung und Mitgestaltung. Die geschlechtsspezifischen Formen dieser Gewalt müssen mehr und systematische Beachtung finden, indem Antifeminismus und Frauenhass als Motiv und ein damit beabsichtigtes „Silencing“ wahrgenommen und ihrem demokratiegefährdenden Potenzial begegnet werden.

Die beschriebenen Motive der Einschüchterung hinter diesen Botschaftstaten erfordern umso mehr eine öffentliche Positionierung, die einer solchen „Schweigespirale“ vorbeugen kann und Menschen dazu ermutigt, Haltung zu zeigen. Eine Debattenkultur, nicht nur in Parteien und Gemeinderäten, die Beleidigungen und Angriffen konsequent begegnet, kann einen Beitrag dazu leisten – zusammen mit einer gemeinsamen Positionierung in Fällen von Grenzüberschreitungen und Gewalt sowie der strafrechtlichen Verfolgung. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, allen Versuchen zu begegnen, die die Grenzen des Sagbaren verschieben, Handlungsspielräume eingrenzen und demokratische Standards aushöhlen wollen.

 

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1   Der Beitrag bezieht sich aufgrund vorhandener Daten auf weiblich gelesene Personen, wobei insbesondere trans* Frauen zusätzlich von spezifischen Angriffen in Form von Transfeindlichkeit betroffen sein können.

2   Von den zahlreichen existierenden Definitionen wird sich hier auf diese beiden bezogen: www.amadeu-antonio-stiftung.de/antifeminismus/was-ist-antifeminismus und www.gleichstellungsportal.de/abc-der-gleichstellung/antifeminismus.

3   Die Befragungen von KOMMUNAL fanden gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa statt und stellen die bislang größte Umfrage zum Thema Gewalt gegen Kommunalpolitiker*innen dar: kommunal. de/kommunalpolitiker-umfrage-2020.

4   Sowohl im Rahmen meiner Tätigkeit als Bildungsreferentin der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der AAS als auch als freiberufliche Trainerin liegt einer meiner Schwerpunkte auf Workshops zum Umgang mit antifeministischen Positionen und der Entwicklung von Handlungsstrategien.

5   Siehe das Online-Portal unter www.stark-im-amt.de.

Literatur

Behringer, Jeannette

(2021). Angriff von rechts – wie wehrt sich die demokratische Zivilgesellschaft? Shrinking spaces durch Antifeminismus und Sexismus. Online verfügbar unter www.b-b-e.de/bbe-newsletter/newsletter-nr-20-vom-7102021/behringer-shrinking-spaces-durch-antifeminismus/sexismus (abgerufen am 22.11.2022).

Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen

(2018). Antifeminismus als Demokratiegefährdung?! Gleichstellung in Zeiten von Rechtspopulismus. Online verfügbar unter www.frauenbeauftragte.org/sites/default/files/uploads/downloads/antifeminismus_als_demokratiegefaehrdung.pdf (abgerufen am 22.11.2022).

Deutscher Bundestag

(03.04.2021). Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität. Online verfügbar unter www.bundesregierung.de/breg-de/suche/gesetz-gegen-hasskriminalitaet-1722896 (abgerufen am 22.11.2022).

Erhardt, Christian

(2019). Hasswelle: Kommunalpolitik – Aus Hetze werden Taten. Online verfügbar unter kommunal.de/hasswelle-alle-Zahlen (abgerufen am 22.11.2022).

Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit

(2022). Feindbild Journalist. Hass vor der Haustür. Online verfügbar unter www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/journalisten-angriffe-studie-100.html (abgerufen am 22.11.2022).

Heinrich-Böll-Stiftung

(2021). Beleidigt und bedroht. Arbeitsbedingungen und Gewalterfahrungen von Ratsmitgliedern in Deutschland, Band 59 der Schriftenreihe Demokratie. Online verfügbar unter www.boell.de/sites/default/files/2021-01/Beleidigt_und_bedroht.pdf (abgerufen am 22.11.2022).

Neiße, Wilfried

(2022). Kommunalpolitiker brauchen dickes Fell. Brandenburger Studie belegt Beleidigungen und Bedrohungen vor allem in den Kreistagen. Online verfügbar unter www.nd-aktuell.de/artikel/1162739.kommunen-kommunalpolitiker-brauchen-dickes-fell.html (abgerufen am 22.11.2022).

Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG) und Bundesverband Mobile Beratung (BMB) e.V.

(2021). Bedroht zu werden, gehört nicht zum Mandat. Ein Ratgeber zum Umgang mit rechten Bedrohungen und Angriffen für Kommunalpolitiker*innen und Kommunalverwaltung. Online verfügbar unter verband-brg.de/wp-content/uploads/2021/04/Drohungen_gg_Politik_Verwaltung_DS_WEB.pdf  (abgerufen am 22.11.2022)

ver.di

(2021). Kodex zum Schutz von Journalisten. Online verfügbar unter mmm.verdi.de/beruf/kodex-zum-schutz-von-journalisten-72897 (abgerufen am 22.11.2022).