Eine neue rechtsterroristische Bedrohung? Souveränismus von „Reichsbürgern“ und anderen in Deutschland

Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, inwiefern der Souveränismus von „Reichsbürgern“ und anderen Personen als neue Form des Rechtsterrorismus gewertet werden kann. Die Analyse zeigt, dass souveränistische Gewalt auf Privatgrundstücken der Definition von Terrorismus nicht entspricht, obwohl sie eine neue Form der Gewaltanwendung gegenüber Polizeikräften darstellt. Dagegen zeigt sich am Beispiel von Karl Burghard Bangert, Anhänger der Europäischen Aktion und erklärter „Druide“, dass terroristische Bestrebungen aus dem Milieu existieren. Sie sind jedoch keine neue Erscheinung innerhalb des Submilieus der traditionell organisierten extremen Rechten seit 1945. Die Apokalyptik des Gesamtmilieus kann für die Ausprägung neuer Formen von Gewaltkonflikten zwischen dem Staat und den Mitgliedern des Milieus wie auch traditionellen Rechtsterrorismus verantwortlich gemacht werden. Der Terror steht in der extrem rechten Tradition Deutschlands.

In einer Informationsbroschüre rechnet das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ ein hohes Eskalationspotenzial zu, welches durch die Kombination von (verbaler) Aggressivität, Waffenbesitz und gestiegenem Repressionsdruck durch die Bundesrepublik Deutschland befördert wird (Bundesamt für Verfassungsschutz 2018: 25f.). Prominent ist in diesem Zusammenhang der Fall des Individualsouveränisten Wolfgang Plan, der am 19. Oktober 2016 in Bayern auf mehrere Polizisten schoss, die gekommen waren, um seine Waffen sicherzustellen. Ein Polizist starb, mehrere wurden verletzt. Seit der anschließenden Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz und das BfV Ende 2016 erfolgen immer wieder Ermittlungen gegen Gruppen und Mitglieder des souveränistischen Milieus. Anfang April 2018 berichtete Spiegel Online von einem vertraulichen Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) und BfV, in welchem tödliche Gewalt durch Mitglieder des Milieus nicht ausgeschlossen wurde (Lagebild von BKA und Verfassungsschutz 2018). Nur unmittelbar zuvor waren Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen eine „Reichsbürger“-Gruppierung wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung durchgeführt worden (Generalbundesanwalt 2018), der sich jedoch nicht erhärtete (Lagebild von BKA und Verfassungsschutz 2018).

Terrorismus und Souveränismus

In diesem Artikel soll diskutiert werden, ob und inwiefern es sich bei den Formen der Gewaltanwendung aus dem souveränistischen Milieu um neuen, extrem rechten Terrorismus handelt. Für die Analyse der durchgeführten und geplanten Gewalthandlungen des souveränistischen Milieus dient die revidierte akademische Konsensdefinition von Terrorismus (Rev. ACDT 2011) als Ausgangspunkt:

Terrorismus bezeichnet, auf der einen Seite, eine Doktrin über die angenommene Wirksamkeit einer speziellen Form oder Taktik angsterzeugender politischer Gewalt sowie, auf der anderen Seite, eine konspirative Praxis des kalkulierten, demonstrativen Gewalthandelns ohne rechtliche oder moralische Einschränkungen, die primär Zivilisten und Nicht-Kombattanten angreift und vor allem angewendet wird, um propagandistische und psychologische Effekte bei verschiedenen Publika und Konfliktparteien zu erzielen
(Schmid 2011: 86, zitiert nach Hegemann/Kahl 2018: 17).

Das souveränistische1 Milieu der BRD, von Innenbehörden als „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bezeichnet (Bundesamt für Verfassungsschutz 2018), lässt sich in 4 Idealtypen gliedern.

1. Traditionell organisierte extrem Rechte seit 1945 versuchen das (nationalsozialistische) Deutsche Reich und seine Volksgemeinschaft wiederherzustellen. Sie waren und sind in und um politische Parteien (z. B. Sozialistische Reichspartei, NPD) sowie anderen extrem rechten Organisationen, in Netzwerken, Verlagen und/oder „freien“ Organisationen aktiv. Einige bezeichnen sich selbst als „Reichsbürger“.

2. „Reichsbürger“ in der Tradition des „Reichskanzlers“ Wolfgang G.G. Ebel waren und sind mehrheitlich nicht in traditionellen Organisationen der extremen Rechten aktiv. Sie glauben, die Handlungsfähigkeit eines Deutschen Reiches bereits durch ihr eigenes „Regierungshandeln“ unmittelbar wiederhergestellt zu haben.

3. Individual-, Gruppen- und sezessionistische Souveränist*innen wollen (zunächst) kein Deutsches Reich nach dem Top-Down-Modell wiederherstellen, sondern erklären sich als individuelle Menschen, Familien(-oberhäupter), Gruppen oder als Staatsgründer*innen für souverän. Sie spalten sich mit ihren „Staatsterritorien“ von der Bundesrepublik ab, die zumeist nicht als Staat, sondern als Firma identifiziert wird.

4. „Neurechte“ Souveränist*innen bilden ein Scharnier zwischen konservativen, anderen extrem rechten, souveränistischen und verschwörungsideologischen Milieus. Sie beziehen sich vordergründig nicht auf das nationalsozialistische Deutsche Reich und beklagen die fehlende Souveränität Deutschlands, welches mit der Bundesrepublik nicht notwendigerweise identisch gesetzt wird (Rathje 2017).

Souveränistische Gewalt auf Privatgrundstücken

Die prominentesten Formen der Gewaltanwendung aus dem Milieu erfolgen bei Individual- Souveränisten und sezessionistischen Souveränisten im August und Oktober 2016. Adrian Ursache, „Staatsoberhaupt“ des „Staates Ur“ im sachsen-anhaltinischen Reuden (Janz/Speit 2017: 126 ff.) und Wolfgang Plan, Herr über den „Regierungsbezirk Wolfgang“ im Bayerischen Georgensgmünd (Maxwill 2017a), setzten sich bewaffnet gegen die Polizei zur Wehr, die eine Zwangsvollstreckung durchsetzen bzw. Waffen konfiszieren wollte. Ein ähnlicher Fall ereignete sich bereits Ende 2012 im sächsischen Bärwalde. Dort wurde ein Gerichtsvollzieher während der Durchsetzung einer Zwangsvollstreckung von mehreren Personen, die Uniformen mit dem Aufdruck Deutsches Polizei Hilfswerk (DPHW) trugen, festgesetzt und gefesselt. Erst die später eingetroffene Polizei der BRD konnte den Mann befreien (Rathje 2014: 22ff.).

Für die ersten beiden Fallbeispiele lässt sich feststellen, dass beide Souveränisten ihr „Hoheitsgebiet“ gegen „Kriminelle […] mit der Wortmarke Polizei“ (Ursache 2016) oder „zionistische Söldner“ (Plan 2015) konsequent verteidigten. Im Sinne der angeführten Terrorismus-Definition existiert innerhalb des sezessionistischen Submilieus die Doktrin, dass ein souveräner Staat bzw. dessen oberster Souverän über Gewaltanwendung auf Herausforderungen seines Souveränitätsbereichs durch einen anderen Souverän frei entscheiden kann. Für den Fall des DPHW ist eine von der BRD unabhängige Doktrin nur bedingt feststellbar. Es berief sich in der Legitimation seines Handelns als Unterstützungsorgan einer regional nicht mehr wahrnehmbaren Polizei auf das grundgesetzlich verankerte Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 GG), das BGB und die Europäische Menschenrechtskonvention (vgl. Deutsches Polizei Hilfswerk 2012). Es handelt sich somit um ein „extralegales Vorgehen im Namen einer legalen Ordnung“ (Korsch 2018: 69); die Besonderheit des DPHW ist jedoch – im Gegensatz zu verbreiteten Vorstellungen des Milieus einer naturrechtlichen oder völkerrechtlichen legalen Ordnung –, dass es sich bei der legalen Ordnung um diejenige der Bundesrepublik Deutschland handelt.

Strittig bleibt darüber hinaus, inwiefern in den drei Fallbeispielen das Ziel der Angsterzeugung vordergründig ist. Ursache richtete vor der Zwangsvollstreckung Morddrohungen gegen den Gerichtsvollzieher (Gerbank 2016), ein solcher wurde jedoch nur durch das DPHW angegriffen – die Gewalt im Fall Ursache richtete sich, wie auch bei Plan, gegen gerüstete und uniformierte Polizeibeamt*innen. Ein Gefühl der Angst kann durch dieses Handeln bei Gerichtsvollzieher*innen (Lassiwe 2019), Polizist*innen und anderen Vertreter*innen des Staates oder staatlicher Maßnahmen ausgelöst werden. Weiterhin richtete sich die Gewalt im engeren Sinne gegen Zivilist*innen, war jedoch nur in den Fällen des DPHW und Plans klandestin geplant. Ursache richtete seine Unterstützungsaufrufe über das offen zugängliche Videoportal und soziale Netzwerk YouTube an das Milieu. Ort und Zeit der Gewalt wurden in allen Fällen nicht klandestin durch die Mitglieder des Milieus bestimmt, sondern waren von staatlicher Seite gesetzt. Bezüglich einer propagandistischen Wirkung lasst sich feststellen, dass das DPHW von der Aktion in Bärwalde profitieren konnte. Es wurde innerhalb des sezessionistischen Milieus als Exekutivoption interessiert wahrgenommen. Auch Ursache nutzte seine Aktionen vor und nach den Schüssen in Reuden propagandistisch, um sich als Souverän bzw. verwundeter Widerstandskämpfer darzustellen. Innerhalb des Milieus werden seine Videos weiterhin verbreitet.

Eine eindeutige Bewertung der dargelegten Fälle ist an dieser Stelle nicht möglich. Einzeln erfüllen sie nur unterschiedliche, keiner jedoch alle Kriterien der Terrorismus-Definition. Auch aus einer juristischen Perspektive scheint es sich ähnlich zu verhalten. Der Verdacht auf Gründung einer kriminellen Vereinigung gegenüber dem DPHW erhärtete sich nicht, die Tatbeteiligten wurden einzeln wegen „gemeinschaftlichen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und dem Missbrauch von Amtszeichen“ (MDR 2015) verurteilt. Plan und Ursache wurden wegen Mordes bzw. wegen versuchten Mordes zu Freiheitsstrafen verurteilt (Maxwill 2017b, Könau 2019).

Souveränistische Gewalt jenseits von Privatgrundstücken

Während sezessionistische Souveränist*innen die de facto nicht gegebene und von der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannte Souveränität ihres Territoriums reaktiv verteidigen, planen andere Mitglieder des Milieus, die vermeintlichen Verursacher*innen des ursprünglichen Souveränitätsverlustes zur Rechenschaft zu ziehen. Am 25. Januar 2017 wurden bei Karl Burghard Bangert, einem ehemaligen Versicherungsvertreter und „Druiden“ mit dem Künstlernamen „Burgos von Buchonia“, und sechs weiteren Personen im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Generalbundesanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei stellte die Polizei mehrere Waffen und Munition sicher (Generalbundesanwalt 2017). Bangert war schon im Vorfeld der Ermittlungen durch seine on- und offline verbreiteten antisemitischen Vernichtungsfantasien aufgefallen. Er glaubte wie Plan an einen vermeintlich seit Jahrhunderten stattfindenden „Geheimkrieg“ der Juden/Zionisten gegen die Deutschen. Im russischen sozialen Netzwerk Vkontakte versuchte er, Mitglieder für die Gründung eines „Wehrdorfes“ anzuwerben (Eisheuer 2017) und rief dazu auf, Journalist*innen, „Politmarionetten“ sowie „deutschfeindliche“ Jurist*innen und Mitarbeitende in Behörden , die er als jüdisch bzw. als von Juden gesteuert identifizierte, „aus Notwehr“ zu töten (Bangert 2016a). Aus Sicht der Generalbundesanwaltschaft ließ sich der Verdacht nicht erhärten, da eine organisatorische und strukturelle Verbundenheit sowie eine konkrete Tatabsicht nicht nachgewiesen werden konnten. Die Waffen und Munition seien in der Erwartung eines apokalyptischen Szenarios (Bürgerkrieg, Dritter Weltkrieg) angehäuft worden, auf welches sich Bangert und Verbündete mit der Errichtung des „Wehrdorfes“ hätten vorbereiten wollen (Generalbundesanwalt 2017). Hinsichtlich der genutzten Terrorismus-Definition lässt sich feststellen, dass Bangert einen völkisch-eliminatorischen Antisemitismus als Doktrin vertrat, Gleichgesinnte für klandestine Treffen in sozialen Medien anwarb (Bangert 2015) und als Signal an das deutsche Volk und dessen vermeintliche Feinde die Ermordung von Zivilist*innen propagierte (Bangert 2016b).

Bangert assoziierte sich mit dem harten Kern des traditionell organisierten extrem rechten „Reichsbürger“-Submilieus. So besuchte er einen Prozess der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel im November 2015, auf dem auch ihr Mitstreiter Rigolf Hennig anwesend war (Feldmann 2015). Hennig gründete 1995 den „Freistaat Preußen“, als dessen „Staatspräsident“ er sich bezeichnet. Ebenso war er deutscher Leiter der reichsideologischen Europäischen Aktion (EA, 2010–2017), deren Ziel die Wiedererrichtung des Großdeutschen Reiches war (Begrich/Speit 2017: 35 ff.). Flyer der EA verteilte Bangert mit Gleichgesinnten während Protesten gegen die Bilderberg-Konferenz in Dresden im Juni 2016 (Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. 2016). Anweisungen, sich in lokalen Strukturen bewaffnet zu organisieren – etwa im „Wehrdorf“ der Gruppe um Bangert –, zählten zu den Handlungsempfehlungen der EA zum Aufbau von lokalen Stützpunkten und Zellen. Sie sollten ab der 2. Hälfte der 2010er Jahre als Vorbereitung auf einen prophezeiten großen Zusammenbruch sowie einer darauffolgenden nachkapitalistischen „Neuen Ordnung“ dienen, in der „jene geldmachtpolitischen Körperschaften des Judaismus, welche augenblicklich mit ihrer Hoheit über das Geld gleichzeitig die Herrschaft über die gesamte Wirtschaft und folglich auch über die Politik ausüben“ ihre „Existenzgrundlage“ verlieren sollen (Europäische Aktion 2017b). Während sich die EA noch 2011 von Gewalthandlungen distanzierte (Schaub 2016), zeigt sich in Folge des syrischen Bürgerkriegs, der daraus resultierenden Migrationsbewegungen und der europäischen „Asylkrise“ eine Radikalisierung der Organisation, die sich in ihrer zunehmend apokalyptischen Rhetorik und der Erwartung des „Endzeitmodus“ (Europäische Aktion 2017b) und dazugehöriger Gewaltanwendung widerspiegelt.

Am 23. Juni 2017 hatte die EA nach Hausdurchsuchungen in Niedersachsen und Thüringen ihre Selbstauflösung für den 10. Juni 2017 auf ihrer Webseite bekannt gegeben (Europäische Aktion 2017a). Auslöser der Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung waren Waldbiwaks der EA in Südthüringen (Landeskriminalamt Thüringen 2017a). Bei den Ermittlungen wurden mehrere Lang- und Kurzwaffen sowie Munition sichergestellt (Landeskriminalamt Thüringen 2017b). In Österreich wurde gegen den Landesleiter der EA, Hans Berger, wegen des Verdachts auf rechtsterroristische Bestrebungen ermittelt. Ihm wurde vorgeworfen, von der Schweiz aus eine „europäische Befreiungsarmee“ aufbauen zu wollen, außerdem soll er konkrete Pläne zur „Beseitigung“ der österreichischen Bundesregierung und Errichtung eines Großdeutschen Reiches gehegt haben (Förster 2018). Auslöser waren Verbindungen der EA zur aufgelösten ungarischen Neonazigruppierung Magyar Nemzeti Arcvonal (MNA), die in Ungarn paramilitärische Trainings durchführte. Ein österreichisches Mitglied hatte mutmaßlich die Waffe besorgt, mit welcher der Anführer der MNA während einer Hausdurchsuchung im Oktober 2016 einen Polizisten tödlich verwundete. Berger, das weitere österreichische Mitglied und der Thüringer Gebietsleiter der EA, Axel Schlimper, sollen im Jahr 2014 innerhalb der EA für Trainings bei der MNA geworben haben (AIB 2018). Berger verstarb im August 2018 in der Untersuchungshaft.

Trotz Auflösung scheint die EA weiterhin aktiv zu sein. Im Juni 2019 vertrat Schlimper auf einem „revisionistischen“ Treffen den EA-Gründer Bernhard Schaub, um über die Ziele der Organisation zu referieren (element investigate 2019). In Bezug auf die angewandte Terrorismus-Definition lässt sich eine Doktrin der EA identifizieren, die angsterzeugende Gewalt durch völkische Widerstandserzählungen legitimiert. In der Praxis scheint sich die EA nach derzeitigem Erkenntnisstand jedoch nicht klandestin auf konkrete Gewaltakte vorbereitet zu haben. So war das Waldbiwak der EA keine geheim organisierte Übung. Anders verhält es sich jedoch im Fall der Wehrsportübungen in Ungarn. Eine deutlichere Beziehung zur Definition ließe sich herstellen, würde die Gruppe um Bangert als kleinste „Stützpunkt“-Einheit der EA gewertet. Seine Aktivitäten stehen in auffälligem Zusammenhang mit den Anleitungen der EA. Die Organisation strebte seit ihrer Gründung bewusst eine Zellen-Struktur ohne zentrale Mitgliedslisten an, um deren Offenlegung bei Hausdurchsuchungen vorzuschützen (Schaub 2011: 36; Schaub 2016). Dies würde auch der Einschätzung des niedersächsischen Verfassungsschutzes in seiner Beurteilung der EA aus dem Jahr 2018 entsprechen, dass die Selbstauflösung der Organisation zur Bildung von Zellen führen könne, die sich auf einen „Tag X“ und damit verbundene „Selbstverteidigung“ vorbereiteten (Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport 2018: 113).

Fazit

In Bezug auf das Gewaltpotenzial des Milieus müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Allgemein können sich die in ihm vorherrschenden apokalyptisch-antisemitischen Verschwörungserzählungen wie auch der seit dem Jahr 2016 gestiegene Repressionsdruck verstärkend auf Radikalisierungsprozesse auswirken. Die manichäische Auffassung von Geschichte und Gesellschaft, verstärkt durch widerspruchsfreie Kommunikationssphären („Echokammern“), drängen zur rettenden Aktion, zur Vernichtung des Feindes als alleinigem Repräsentanten des Bösen auf der Welt. Gleichzeitig legitimiert die Überzeichnung der „Bestialität“, Gesetzlosigkeit und nahezu grenzenlosen Macht des Feindes den gewalttätigen Widerstand des Milieus. Die damit verbundene Sehnsucht nach dem Ausnahmezustand, dem „Tag X“, kann durch staatliche Repression befördert werden.

Diese Gewalt muss jedoch nicht notwendig terroristischen Charakter besitzen. „Verteidigungen“ vermeintlich souveräner Staaten, wie sie in Bärwalde, Reuden und Georgensgmünd vorlagen, lassen sich nicht als eindeutig terroristische Taten klassifizieren. Anders verhält es sich in unterschiedlichen Graden bei den Vorbereitungen von Karl Burghard Bangert und seiner Gruppe wie auch bei der Europäischen Aktion. Die mehr oder weniger konkreten Vorbereitungen auf einen „Tag X“ können eine strategische Option des Milieus sein, um Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden zu erschweren und juristische Konsequenzen zu schmälern.

Dabei muss betont werden, dass der „Tag X“ und der damit verbundene Ausnahmezustand von der extremen Rechten herbeigesehnt wird. Welches Signal schließlich als Beginn des „letzten Gefechts“ gedeutet wird, ist von den psychischen und ideologischen Dispositionen der Individuen abhängig.

Mit Blick auf das souveränistische Milieu in Deutschland ging eine terroristische Bedrohung vornehmlich aus dem Submilieu der traditionell organisierten extremen Rechten seit 1945 hervor. Dies ist nicht verwunderlich, betätigte sich doch einer seiner zentralen Akteure, Manfred Roeder, 1980 bereits terroristisch. Es handelt sich also nicht um eine neue Form terroristischer Bedrohungen durch Submilieus der extremen Rechten. Die allgemeine Verbreitung von apokalyptischer Rhetorik innerhalb des Milieus und darüber hinaus – etwa durch den Rechtspopulismus im Netz und in den Parlamenten – kann jedoch ebenso zu terroristischen Handlungen von Mitgliedern anderer souveränistischer Submilieus motivieren.

 

 

1 Der Oberbegriff des Souveränismus wurde von Susann Bischof vorgeschlagen.

 

 

Literatur

Quellen

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