Schüsse auf einen Sowjetsoldaten, Bombenanschläge auf Justizgebäude und Einrichtungen der US-Armee, Morde an Jüd_innen und Migrant_innen, das verheerende Attentat auf das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980: Die Liste der Ziele westdeutscher Rechtsterrorist_innen vor 1990 ist vielfältig und lang.
Rechtsterrorismus ist kein neues Phänomen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, im Gegenteil. Auch schon vor 1990 waren zahlreiche rechtsterroristische Gruppen aktiv. Ihnen wird in der Forschung bisher nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Wenig ist auch darüber bekannt, welche konkreten Ziele Rechtsterrorist_innen ins Visier nahmen. Der folgende Beitrag analysiert anhand ausgewählter Beispiele die Ziele und Motive des westdeutschen Rechtsterrorismus vor 1990.
Der Kampf gegen den „äußeren Feind“
Berlin im November 1970: Zwei Schüsse trafen den sowjetischen Wachsoldaten Iwan Schtscherbak, der an der deutsch-deutschen Grenze in Berlin-Tiergarten Dienst tat. Schtscherbak wurde schwer verletzt. Wenig später fasste die Polizei den Täter, den 21-jährigen Krankenpflegerhelfer Ekkehard Weil (Moor 1971). In der Nähe des Tatorts hatte Weil antikommunistische Sprühereien und Flugblätter hinterlassen, die mit Europäische Befreiungsfront (EBF) unterzeichnet waren (Der Spiegel 1970: 82). Im Frühjahr 1971 verurteilte ein Gericht der britischen Militärregierung den jungen Mann, der später zu einer wichtigen Figur des bundesdeutschen Rechtsterrorismus werden sollte, zu sechs Jahren Haft (Moor 1971). Die EBF, auf die sich der Berliner Weil bezog, war eine der ersten rechtsterroristischen Gruppen in der Bundesrepublik. Sie war rund ein halbes Jahr vor Weils Tat in Nordrhein-Westfalen von der Polizei entdeckt worden, bevor sie Anschläge und Überfälle in die Tat umsetzen konnte. Wie Weil hatte sich die Gruppe dem „Kampf gegen den Kommunismus“ verschrieben: So verfasste sie ein „Manifest“, in dem sie ein „Gelübde“ ablegte, „jede kommunistisch-bolschewistische Bewegung in Europa zu bekämpfen und zu vernichten“ (LG Düsseldorf 1972).
Dies waren keine Einzelfälle. Seit den späten 1960er Jahren war die Agitation gegen den Kommunismus ein wesentliches Element extrem rechter Politik. Der sprunghafte Anstieg antikommunistischer Aktivitäten kann als Reaktion auf die „Neue Ostpolitik“ der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) interpretiert werden (BMI 1976: 37). Die „Neue Ostpolitik“ verfolgte eine politische Annäherung an den Ostblock, insbesondere die DDR. Sie löste in der gesamten extrem rechten Szene heftige Gegenreaktionen aus – u. a. wurde 1970 die Aktion Widerstand gegründet, die die Radikalisierung der extremen Rechten in den 1970er Jahren vorantrieb (Kopke 2010). Entsprechend richteten sich auch, wie die Tat Weils, rechtsterroristische Anschläge gegen Einrichtungen der DDR und Sowjetunion. So schossen beispielsweise am 17. Juni 1971 Berliner Neonazis aus dem Umfeld des Bundes Heimattreuer Jugend in Berlin-Frohnau über die deutsch-deutsche Grenze (PP Berlin 1971).
Ab den späten 1970er Jahren kam ein weiteres Feindbild hinzu: die USA, insbesondere die in der BRD stationierten US-amerikanischen Streitkräfte. Grundsätzlich betrachtete die extreme Rechte alle in Deutschland stationierten Streitkräfte als verhasste „Besatzermächte“. Gleichzeitig versuchten rechtsterroristische Akteur_innen aber auch verstärkt, Kontakte zu ausländischen antiimperialistischen Gruppierungen, etwa zur PLO, zu knüpfen, mit denen sie gemeinsame Feindbilder – die USA und Israel – teilten. Entstanden waren diese Verbindungen durch das Engagement einzelner Protagonist_innen der rechtsterroristischen Szene, so etwa Udo Albrecht, der schon seit Ende der 1960er Jahre Kontakte zur PLO geknüpft hatte (BfV 1981: 267). 1980/81 besuchte rund ein Dutzend Neonazis um Karl-Heinz Hoffmann ein Ausbildungslager der PLO im Libanon und diskutierte Anschläge auf israelische und US-amerikanische Einrichtungen (Fromm 1998: 455–457). Eine Gruppe um die Rechtsterroristen Odfried Hepp, der ebenfalls mit Hoffmann im Libanon gewesen war, und Walther Kexel (Hepp-Kexel-Gruppe) verübte 1982 im Rhein-Main-Gebiet eine Serie von Sprengstoffanschlägen gegen Personen und Einrichtungen der U.S. Army. Zwei Angehörige der US-Streitkräfte wurden bei Autobombenanschlägen verletzt, einer davon schwer (CIA Report 1983: 1). Das eigentliche „Anliegen unseres Volkes“ sei der „antiimperialistische Befreiungskampf“, hatten Hepp und Kexel vorab in ihrem Manifest „Abschied vom Hitlerismus“ geschrieben und riefen den „Kampf gegen den Amerikanismus“ aus (Hepp/Kexel 1982: 3).
Der Kampf gegen die „NS-Vergangenheitsbewältigung“
Im Herbst 1966 verhandelte der Dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe gegen zwei Männer, Reinhold Ruppe und Erich Lindner. Ein drittes Gruppenmitglied hatte sich vor seiner Festnahme in die USA abgesetzt. Die Gruppe wollte den Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer für seine Mitwirkung an den NS-Kriegsverbrecherprozessen ermorden. Außerdem plante sie die 1958 gegründete Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg in Brand zu setzen, um mit den dort gesammelten Akten zugleich unliebsame Beweise für die NS-Verbrechen zu eliminieren. Bevor sie ihre Absichten in die Tat umsetzen konnten, schlug die Polizei zu. Für ihre Planungen wurden die beiden zu je zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. „[U]nter die deutsche Vergangenheit“, zitierte das Gericht Lindner, „müsse erst einmal ein endgültiger Strich gezogen werden“ (BGH 1966).
Seit den frühen 1960er Jahren waren in Westdeutschland zunehmend kritische Meinungen in Öffentlichkeit und Politik laut geworden, die die bislang unzureichende Aufarbeitung der NS-Zeit kritisierten – ein Prozess, der häufig als „NS-Vergangenheitsbewältigung“ bezeichnet wird (Schildt 1998; Frei 2009). Diese Entwicklung war ein hochaktueller politischer Prozess, der den von rechts glorifizierten Nationalsozialismus delegitimierte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Umgang mit der NS-Vergangenheit für rechtsterroristische Akteur_innen von großer Relevanz war (Frei 2009: 92), wie das Beispiel der Ruppe-Lindner-Gruppe verdeutlicht.
In den 1970er Jahren dann erlebte die westdeutsche Gesellschaft ein zunehmendes Interesse vor allem jüngerer Generationen an der NS-Zeit und ein wachsendes Engagement bei der Erinnerung daran; Gedenkstätten erhielten mehr und mehr Bedeutung (Köhr 2011: 129). Dieses sich verändernde Geschichtsbewusstsein nahmen rechtsterroristische Gruppen für einen gewaltsamen Kampf gegen die Erinnerung an die NS-Zeit zum Anlass. Erstens gerieten Gedenkstätten und pädagogische Angebote, die sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigten, in den Fokus. So plante eine rechtsterroristische Gruppierung um Michael Kühnen (Kühnen-Schulte-Wegener-Gruppe) 1978 einen Sprengstoffanschlag auf die Gedenkstätte Bergen-Belsen. Die Deutschen Aktionsgruppen um Manfred Roeder verübten am 21. Februar 1980 einen Metallrohrbombenanschlag auf eine Auschwitz-Ausstellung im Gebäude des Landratsamts Esslingen. Knapp zwei Monate später, am 18. April 1980, ging am Haus des Landrats, der für die Esslinger Ausstellung verantwortlich war, ein Sprengsatz gleicher Bauart hoch (Rabert 1995: 282–284, 311). Zweitens richtete sich ein rechtsterroristischer Anschlag gegen die US-amerikanische Serie „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“, die im Januar 1979 im bundesdeutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Die Ausstrahlung von „Holocaust“ beeinflusste als deutungsmächtiges Medienereignis maßgeblich die kollektive Erinnerung der Deutschen an die Ermordung der europäischen Juden. Die immense Öffentlichkeitswirkung der Serie wurzelte vor allem im Thema und der Handlung der Serie – das Verfolgungsschicksal der fiktiven jüdischen Familie Weiss – und ihrer emotionalen und plakativen Darstellung (Bösch 2007; Wilke 2005). „Holocaust“, so formulierte es der Spiegel 1979, „wurde zum Thema der Nation“ (Spiegel 1979: 17).
Die Rolle der Serie machte sie zu einem höchst symbolträchtigen Anschlagsziel. Dabei dürfte auch die intensive Berichterstattung im Vorfeld das Interesse der Täter geweckt haben. Sie schlugen nämlich zu, bevor am 22. Januar 1979 die Serie im Fernsehen in vier Teilen anlief. Während der Ausstrahlung der einführenden Dokumentation „Endlösung“ am 18. Januar explodierte ein Zehn-Kilo-Sprengsatz in Waldesch bei Koblenz und zerstörte die Leitungen zum dortigen Südwestfunk-Sender. Zwanzig Minuten später ging eine Bombe in der Richtfunkstelle Nottuln (bei Münster) hoch und vernichtete ein Antennenkabel. Das Ziel des Anschlags, mit einem vergleichsweise geringen Risiko eine hohe Wirkung zu erzielen, war erreicht: „Auf Hunderttausenden von Bildschirmen erlosch das Erste Programm, in dem gerade das schlimmste Kapitel deutscher Geschichte noch einmal dokumentarisch durchleuchtet wurde: ‚Endlösung‘“, schrieb Der Spiegel (Spiegel 1979: 17f.). 1987 stellte sich heraus, dass der Rechtsterrorist Peter Naumann gemeinsam mit einem Komplizen den Anschlag begangen hatte (BMI 1988: 126).
Der Kampf gegen den „inneren Feind“
Seit den frühen 1960er Jahren vollzog sich in der Bundesrepublik ein tiefgreifender gesellschaftlicher Prozess der Liberalisierung und Demokratisierung. Die 1968er-Bewegung war Ausdruck dessen; aber auch in den Jahren nach „1968“ setzte sich dieser Trend fort. Die terroristische Rechte machte diesen gesellschaftlichen Wandel als sichtbares und bedrohliches Erstarken der politischen Linken aus (Livi et. al. 2010). Seit den 1970er Jahren griff sie vermehrt den „inneren Feind“ an – insbesondere Kommunist_innen, politische Gegner_innen und Jüd_innen. Aber auch Angehörige von Staat und Justiz repräsentierten eine verhasste parlamentarische Ordnung.
Das Attentat auf den linken Aktivisten Rudi Dutschke am 11. April 1968 war der Auftakt zu einer Serie von Morden und Mordversuchen am „inneren Feind“. Der Täter, Josef Bachmann, schoss dreimal auf Dutschke, der 1979 an den Spätfolgen dieses Anschlags verstarb. Bachmann gab an, aus extrem rechten Motiven gehandelt zu haben; ferner hatte er Kontakte zu den Neonazikreisen um den Braunschweiger Rechtsterroristen Paul Otte (Wensierski 2009: 30f.). Verschiedene Gruppen planten oder verübten in den 1970ern Attentate auf Kommunist_innen und Sozialdemokrat_innen – so etwa ein Zusammenschluss um den Bonner Bernd Hengst, der 1971 einen Sprengstoffanschlag auf die SPD-Parteizentrale in Bonn in Erwägung zog (LOStA Köln 1971: 169) oder eine Gruppe um Hans-Joachim Neumann, die 1974 einen linken Buchladen in Göttingen in Brand setzte (Spiegel 1974: 50).
Antisemitismus war ein konstantes ideologisches Element im bundesdeutschen Rechtsterrorismus. In den 1970er Jahren beschränkten sich Gruppen noch auf antisemitische Äußerungen und Mordfantasien gegen Jüd_innen. So galt Wilhelm B., eine Führungsfigur der rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistische Kampfgruppe Großdeutschland“ (NSKG), die Anfang der 1970er Jahre aktiv war, als „ausgesprochener Judenhasser“. Über eine Geschäftsstraße in München, in der viele Läden von Jüd_innen geführt wurden, sagte er: „Da gehört einmal eine saftige Bombe rein.“ (LKA NRW 1971: 197) Andere Gruppen schritten zur Tat – etwa die Gruppe Neumann, die 1974 jüdische Friedhöfe verwüstete (Spiegel 1974: 50). Am 19. Dezember 1980 ermordete Uwe Behrendt, Mitglied der extrem rechten Wehrsportgruppe Hoffmann um Karl-Heinz Hoffmann, den jüdischen Verleger Shlomo Lewin und seine Partnerin Frieda Poeschke in ihrem Wohnhaus in Erlangen (siehe Beitrag von Wehrhahn & Renner in diesem Band). Als ihm die Polizei zwei Monate später auf die Spur kam, hatte Behrendt bereits die Bundesrepublik verlassen: Mit Hoffmanns Hilfe war er in die DDR und im Anschluss in den Libanon geflüchtet. Dort beging der Neonazi im September 1981 vermutlich Suizid (Deutscher Bundestag 2017: 5–7). Die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden rekonstruierten im Nachhinein den antisemitischen Charakter der Tat. So formulierte das Amtsgericht Erlangen: „Shlomo Lewin sollte deshalb getötet werden, weil er als einziger der Exponenten des Judentums im Raum Nürnberg/Erlangen und damit als ein Vertreter jener Bevölkerungsgruppe angesehen wurde, deren Mitglieder der Beschuldigte als ‚Untermenschen‘ bezeichnete.“ (AG Erlangen 1981: 98)
Ein weiteres Ziel von Rechtsterrorist_innen waren Polizist_innen und Justizangehörige. Beispielsweise überlegte die rechtsterroristische Eisermann-Gruppe Ende der 1970er Jahre, „bestimmte Justizpersonen zu ‚liquidieren‘“, vor allem jene Richter_innen und Staatsanwält_innen, die Neonazis strafrechtlich verfolgten (LG Flensburg 1983: 188). Mit einem Sprengstoffanschlag auf die Amtsanwaltschaft in Flensburg am 2. September 1977 setzte ein Angehöriger der Gruppe diese Überlegung schließlich in die Tat um (LG Flensburg 1983: 195). Im Oktober 1977 folgte mit einem Bombenanschlag auf ein Hannoveraner Amtsgericht eine Tat aus dem Umfeld der Otte-Gruppe, die mit der Eisermann-Gruppe in Verbindung stand (Frankfurter Rundschau 1984).
Angehörige der Polizei wurden häufig dann Opfer, wenn sie rechtsterroristische Aktivitäten unterbanden. Zwei Vorfälle verdeutlichen die enorme Gewaltbereitschaft der Szene: Frank Schubert, Funktionär der neonazistischen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit erschoss im Dezember 1980 zwei Schweizer Grenzbeamte und danach sich selbst. Die Polizisten hatten ihn dabei überrascht, als er Waffen über die deutsch-schweizerische Grenze schmuggeln wollte (Fromm 1998: 211f.). Am 20. Oktober 1981 stoppte die Polizei bei München fünf Mitglieder eines Zusammenschlusses um die Rechtsterroristen Klaus Ludwig Uhl und Kurt Wolfgram auf dem Weg zu einem Banküberfall. Als eine Handgranate der Terroristen explodierte, erschoss die Polizei Uhl und Wolfgram, ein weiterer Terrorist wurde schwer verwundet (Spiegel 1981: 27).
Der Kampf gegen Migrant_innen
Obgleich in der Öffentlichkeit rassistisch motivierte Gewalt durch Neonazis erst ab 1990 als Gewaltphänomen wirklich wahrgenommen wurde, gab es bereits vor der Wiedervereinigung rechtsterroristische Taten gegen Migrant_innen (Manthe 2017). Zu den ersten rassistischen Terroranschlägen in Westdeutschland zählen die Attentate der Deutschen Aktionsgruppen um Manfred Roeder im Jahr 1980. Vorangegangen war diesen Taten seit den 1970er Jahren eine zunehmende rassistische Stimmung und Propaganda in der extrem rechten Szene. So schrieb der Verfassungsschutz 1981: „Die Anschläge der DA gingen einher mit der von Rechtsextremisten seit vielen Monaten gezielt angefachten aggressiven Ausländerdiffamierung, die sich in Forderungen wie ‚Ausländer raus!‘ (z. B. DA). ‚Ausländer-Stopp‘ (z. B. NPD) und ‚Ausländerbegrenzung!‘ (z. B. ‚Deutsche National-Zeitung‘) niederschlägt.“ (BMI 1982: 18)
Die Deutschen Aktionsgruppen griffen mit Bomben und Molotow-Cocktails Unterkünfte an, in denen Flüchtlinge untergebracht waren, so am 30. Juli 1980 das Bundessammellager für Flüchtlinge in Zirndorf, am 7. August eine Flüchtlingsunterkunft in Leinfelden und am 17. August eine Asylbewerber_innenunterkunft in Lörrach (Rabert 1995: 285). Am 22. August 1980 starben bei einem Brandanschlag der DA in Hamburg-Billbrook auf eine Unterkunft zwei junge vietnamesische Flüchtlinge. Obwohl die Mitglieder der DA noch im selben Jahr verhaftet werden konnten, bedeutete dies kein Ende rechtsterroristischer Gewalt gegen Migrant_innen. Im Februar 1981 zündete eine rassistische Gruppe, die sich Aktion Wehrhafter Demokraten nannte, in Kassel an den PKWs zweier türkischer Migranten zwei Rohrbomben. In ihren Flugblättern und Sprühereien äußerte sich die Gruppe explizit rassistisch, so etwa mit Parolen wie „Tod den Kanaken!“ oder „Türkische Schweine ins KZ!“ (Staatsanwaltschaft beim LG Frankfurt a.M. 1981: 223–229). Am 24. Juni 1982 erschoss Helmut Oxner in Nürnberg in und vor einer Diskothek zwei schwarze US-Amerikaner und einen ägyptischen Staatsbürger. Seine Mordtat war rassistisch motiviert, denn er schoss gezielt auf Migrant_innen und teilte deutsch aussehenden Passant_innen mit, sie hätten von ihm nichts zu befürchten. Anschließend gab er zwei Schüsse auf sich selbst ab und starb kurze Zeit später. Oxner war vor der Tat als extrem rechter Straftäter aufgefallen (Generalstaatsanwalt Nürnberg 1982: 12-16).
Seit den frühen 1980er Jahren – zeitgleich mit einer wachsenden Dominanz rassistischer Positionen in der extremen Rechten – wurden auch gesellschaftliche Debatten über Migration in einem deutlich schärferen Ton geführt. Thema waren vor allem die Probleme und Nachteile von Migration: Arbeitsmigrant_innen wurden als „nicht integrierbar“ dargestellt; auch die wachsende Zahl an Kriegs- und Armutsflüchtlingen, die in Westdeutschland Asyl erhielten, wurde problematisiert (Manthe 2017: 37–39). Im Dezember 1988 markierte ein rassistischer Anschlag in Schwandorf (Bayern) auf ein hauptsächlich von Migrant_innen bewohntes Wohnhaus – ein türkeistämmiges Ehepaar, ihr elfjähriger Sohn und ein Deutscher kamen ums Leben – eine neue Phase rassistischer Gewalt (Bayerischer Rundfunk 2009).
Fazit
Gesellschaftliche Veränderungen in der Bundesrepublik – die Folgen von „1968“, die deutsch-deutsche Annäherung, der kritische Umgang mit der NS-Zeit und der Wandel zu einer Migrationsgesellschaft – erzeugten direkte Reaktionen von Rechtsterrorist_innen. Waren es anfangs vor allem vermeintliche oder tatsächliche Repräsentant_innen des Kommunismus – wobei hierbei sowohl politische Gegner_innen in Westdeutschland als auch die DDR und die Sowjetunion in den Fokus gerieten –, wandten sich rechtsterroristische Angriffe ab dem Ende der 1970er Jahre auch gegen die USA. Der kritische Umgang mit der NS-Vergangenheit war stets Motivation für Angriffe: In den 1960er Jahren ging es gegen Protagonist_innen der juristischen und politischen Auseinandersetzung mit dem NS-Regime und ab dem Ende der 1970er Jahre auch gegen die mediale und pädagogische Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen. Angehörige von Justiz und Polizei wurden vor allem in ihrer Funktion als Strafverfolger attackiert.
Rechtsterrorist_innen griffen nicht nur marginalisierte Personengruppen an, sondern auch Armeeangehörige, Behördenvertreter_innen oder – auf einer abstrakten Ebene mit den Anschlägen gegen die Ausstrahlung der Serie „Holocaust“ – das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Der Anschlag auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 schließlich traf völlig willkürlich Besucher_innen des Fests. Zwölf von ihnen kamen ums Leben, hunderte wurden verletzt. Die Motivation für diesen verheerenden Anschlag bleibt bis heute ungeklärt; eine Interpretation geht davon aus, dass die Tat das ohnehin angespannte politische Klima kurz vor der Bundestagswahl verschärfen sollte. Ebenfalls unbeantwortet bleibt die Frage, ob der Täter, Gundolf Köhler, der beim Anschlag ebenfalls starb, alleine handelte (hierzu umfassend Chaussy 2014).
Die Heterogenität der Ziele des Rechtsterrorismus verdeutlicht, dass es sich hierbei um ein komplexes gesellschaftliches Phänomen handelt und dass die Täter_innen aus unterschiedlichsten Motiven handelten, die ihre Wurzeln aber stets in der extrem rechten Ideologie hatten. Nach 1990 dominierte die terroristische (und nicht-terroristische) Gewalt gegen Migrant_innen. Recherchen von ZEIT Online und Tagesspiegel zufolge war bei über 40% der 169 Opfer extrem rechter Gewalt zwischen 1990 und 2018 das Motiv Rassismus (Zeit Online 2018). Seit den frühen 1990er Jahren griffen Neonazis Migrant_innen auf der Straße, mit Brandanschlägen in ihren Häusern oder bei Pogromen wie in Rostock-Lichtenhagen (1992) an. Ab 2000 mordete, jahrelang unerkannt, der Nationalsozialistische Untergrund – auch die Anschläge und Mordtaten des NSU richteten sich vorwiegend gegen Migrant_innen.
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