Demokratische Kultur und eine zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit stärken die Resilienz gegenüber völkischen und rassistischen Angeboten. Es zeigt sich auch, dass die demokratische Kultur in Westdeutschland keineswegs so unhinterfragt ist, wie manche Kommentatoren Glauben machen möchten. Gleichzeitig wird klar, dass die demokratische und die soziale Frage eng miteinander verflochten sind. Über Gleichwertigkeit zu sprechen, ohne Gleichwertigkeit und Chancengleichheit herzustellen, führt zumindest einen Teil der Bevölkerung in den Rechtsextremismus, der diesen Widerspruch durch nationalen und rassistischen Egoismus, durch Antipluralismus und die Negierung der demokratischen Gleichheitsversprechen aufzulösen vorgibt.
Die Ergebnisse legen insgesamt nahe: Der Mobilisierungserfolg der AfD ist durch eine politische Kultur von Demokratieverdrossenheit und höherer rechtsextremer Affinität begründet - und nicht primär als diffuser Protest gegen negative Entwicklungen vor Ort. Dabei konnte die AfD erfolgreich eine wesentlich breitere und heterogenere Wählerschaft als die der NPD erschließen. Damit wird unterstrichen: Es handelt sich bei der Partei um eine "NPD light". Die Studie zeigt zudem: Der hohe Ost-West-Unterschied wird bei dem Wahlergebnis der AfD in relevanten Teilen durch die sozioökonomischen und politisch-kulturellen Unterschiede beantwortet. Ostdeutsche Wahlkreise sind im Vergleich zu den westdeutschen sozioökonomisch deutlich benachteiligt und zeigen gleichzeitig wesentlich höhere Werte hinsichtlich der Nichtwähler und vor allem der NPD-Wahlergebnisse von 2013. Dies verweist insgesamt auf ein starkes Ineinandergreifen der sozioökonomischen und der politisch-kulturellen Konfliktlinie.
"Wir konnten zeigen, dass langfristige und stabile Raumeffekte existieren, die durch ein Klima von politischer Entfremdung und erhöhter Affinität zu rechtsextremen Positionen gekennzeichnet sind. Dieses Klima ist die wesentliche Grundlage für den Mobilisierungserfolg der AfD zur Bundestagswahl 2017, sowohl in Ost- wie auch in Westdeutschland. Strukturschwäche, Demokratieentfremdung und höhere Bereitschaft zur Wahl rechtsextremen Parteien gehen in vielen Regionen Hand in Hand und begünstigen die Wahlerfolge der Rechtspopulisten maßgeblich. Darüber hinaus zeigen sich jedoch auch in Regionen mit mittleren und höheren Einkommen hohe Mobilisierungserfolge", fasst Christoph Richter, einer der Autoren der Studie, die Befunde zusammen. Es handelt sich, so die Autoren der Studie, um einen langfristigen Prozess, der weder über Nacht kam noch sich mit einem einfachen Weiter so stoppen oder zurückdrehen lassen wird. Nötig seien daher bundesweit eine Stärkung der lokalen demokratischen Kultur durch intensivierte Anstrengungen, neue Beteiligungsformate sowie die langfristige Absicherung der Demokratieförderung. Insbesondere müsse es gelingen, Nichtwähler für die Demokratie zu gewinnen und Akteure zu unterstützen, die sich in ihren Sozialräumen für Gleichwertigkeit und gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus engagieren. Es liegt an jedem und jeder, im Alltag dazu beizutragen.
Die neue Bundesregierung ist in der Verantwortung, zivilgesellschaftliches Engagement für demokratische Kultur anzuerkennen und zu unterstützen. Angesichts des Zusammenhangs zwischen dem AfD-Wahlergebnis, der politischen Kultur und der wirtschaftlichen Lage ist es zudem nötig, die soziale Frage und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nicht den extremen Rechten zu überlassen. Insbesondere der völkische Höcke- Flügel der AfD begibt sich zunehmend auf einen sozialpopulistischen Kurs: Die Rolle als Kümmerer der unteren und mittleren Einkommen und als Antwortgeber für sozial Unzufriedene und politisch Suchende dürfen die demokratischen Parteien nicht den Rechtsradikalen überlassen. Der noch immer hohe Anteil von Nichtwählern in benachteiligten Regionen stellt ein relevantes Wählerpotenzial dar, um das sich die Demokraten dringend bemühen sollten. Fundierte Ursachenaufklärung, wie sie die vorliegende Untersuchung leistet, ist von immenser Bedeutung. Ebenso wichtig ist es, Erkenntnisse zu transportieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und situationsadäquat politisch zu handeln.