Hierbei sind zunächst die Rechte der Individuen zu definieren, zu gewährleisten, unmittelbar gegenüber den jungen Menschen zu formulieren und für sie verständlich darzustellen. Sie sind in der Umsetzung ihrer Rechte zu unterstützen. Demokratie allerdings geschieht nicht zwischen Individuen, sondern in Kollektiven, was für individuelle Hilfen nicht ohne Weiteres umzusetzen ist. Zu diesen Schwierigkeiten gehört, dass das 1:1-Setting der Hilfe eine Struktur ist, die verhindert, dass sich Individuen als berechtigte Beteiligte in einem institutionellen Gemeinwesen erkennen und begegnen können. Das wäre die Voraussetzung dafür, dass sie zusammen mit anderen demokratisch mitbestimmen könnten, wie die Lebensführung und Hilfen in der Institution gestaltet werden sollen. Zudem weist der Auftrag der Inklusion in die Gesellschaft und Artikel 19 der UN-BRK über die Organisation der EGH hinaus (vgl. Beck 2016). Wenn die EGH individuelle Partizipationsrechte definiert und sichert und in der Einrichtung als demokratisches Gemeinwesen demokratische Mitgestaltungsmöglichkeiten eröffnet, entstehen daraus auch Schnittstellen für eine Partizipation junger Menschen in der Kommune. Für die konkrete Umsetzung der o. g. Aufgaben der EGH hält die Methode zur „Förderung gesellschaftlichen demokratischen Engagements von benachteiligten Kindern und Jugendlichen“ (GEBe) konkrete Arbeitsschritte vor (Sturzenhecker 2022). Sie eröffnet die Möglichkeit, über die verschriftlichte Beobachtungen des alltäglichen Handelns, z. B. ein Kind fragt nach Geld, Hypothesen zu lebensweltlichen Themen zu formulieren, in unserem Beispiel Armut, Konsum, und diese in einer dialogischen Klärung mittels medialer Formate non-verbal zu präzisieren/zu erweitern, z. B. durch einen großen Haufen Spielzeuggeld und einen sich anschließenden Dialog, in dem das Kind sein Thema präzisiert. Die so gesicherten Themen sind anschließend Inhalt der partizipativ gestalteten Hilfe und werden durch einen stetigen Dialog zwischen Fachkraft und jungen Menschen weitergeführt, im Beispiel: Was bedeutet viel Geld haben? Was ist viel? Was willst du damit machen?
Zusammenfassend ist es entscheidend für die Eröffnung von demokratischen Settings in der EGH, Partizipationsrechte strukturell und methodisch zu verankern. Junge Menschen kommen zu ihren Themen zusammen und erfahren, dass sie in der Einrichtung nicht allein sind, sondern andere ähnlich denken und es gemeinsame Anliegen geben kann.
Stefan Willich, M. A. Soziale Arbeit, ist hauptberuflich Teamleiter der Eingliederungshilfen der Einhorn gGmbH in Berlin. Freiberuflich arbeitet er in den Themenfeldern Demokratiebildung, Partizipation und Inklusion für junge Menschen (mit Behinderung). Er ist Mitglied des Instituts für Partizipation und Bildung.
Literatur
Beck, Iris (2014). Partizipation/Teilhabe. In: Ullrich Heimlich/Roland Stein/Franz Wember (Hg.). Handlexikon Lernschwierigkeiten und Verhaltensstörungen. Stuttgart, Kohlhammer, 267–271.
Beck, Iris(2016). Historische und aktuelle Begründungslinien, Theorien und Konzepte. In: Iris Beck (Hg.). Inklusion im Gemeinwesen. Band 4 der Reihe Inklusion in Schule und Gesellschaft. Stuttgart, Kohlhammer, 17–84.
Bartosch, Ulrich (2011). Missbrauchte Macht – Pädagogik als Unterdrückung. In: Vera Flocke/Holger Schoneville (Hg.). Differenz und Dialog. Anerkennung als Strategie der Konfliktbewältigung? Berlin, Berliner Wissenschafts-Verlag, 123–137.
Bartosch, Ulrich/Maluga, Agnieszka/Schieder, Michael (Hg.). (2015). Konstitutionelle Pädagogik als Grundlage demokratischer Entwicklung. Annäherungen an ein Gespräch mit Janusz Korczak. Bad Heilbrunn, Klinkhardt.
Knauer, Reingard & Sturzenhecker, Benedikt (Hg.). (2022). Demokratische Partizipation und Inklusion in Kindertageseinrichtungen. Weinheim, Beltz Juventa.
Korczak, Janusz (1999). Sämtliche Werke, Band 4. Hrsg. von F. Beiner und E. Dautzenroth. Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.
Sturzenhecker, Benedikt (2022). Demokratiebildung in der Jugendsozialarbeit – Das Konzept der GEBe-Methode zur Förderung gesellschaftlich-demokratischen Engagements von benachteiligten Jugendlichen. In: Landesjugendamt Westfalen-Lippe (Hg.). Demokratiebildung in der Jugendsozialarbeit. Erkenntnisse und Arbeitshilfen aus der Entwicklungswerkstatt des LWL-Landesjugendamtes Westfalen, 8–24.