Einerseits gibt es zahlenmäßig unzureichende Peer- und Freizeitangebote, andererseits bietet die ansässige Kultur-, Sozial- und Sportlandschaft nur bedingt Anknüpfungspunkte für LSBTTIQ*. Die Inanspruchnahme von Beratung stellt für viele zudem eine Hürde dar. Um Anlaufstellen für diese Bedarfe zu schaffen, wurde 2016 das Projekt „Que(e)r durch Sachsen. Mobile Beratung im ländlichen Raum“ geschaffen. Zwei Mitarbeiter*innen bieten eine für Klient*innen anonyme und kostenfreie Vor-Ort-Beratung sowie Sensibilisierungs- und Netzwerkarbeit an und decken damit derzeit sieben Landkreise von zehn ab. Das Projekt ermöglicht Beratung für queere Menschen sowie deren Familien, Freund*innen und weitere An- oder Zugehörige. Dabei können die Klient*innen den Beratungsort bestimmen. Dafür sind Beratungsräume notwendig, die von lokalen Kooperationspartner*innen für die Durchführung zur Verfügung gestellt werden. Die Themen umfassen Coming-out, Diskriminierungserfahrungen, rechtliches und medizinisches zum Trans*-Sein, Partner*innensuche usw. Seit der Anfangsphase konnte ein breites Netzwerk aufgebaut werden. Es bestand zunächst aus kommunalen Stellen (z. B. Gleichstellungsbeauftragte, Gesundheitsämter) und anderen Beratungseinrichtungen (Familien- und Schwangerenberatungsstellen). Später kamen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Mehrgenerationenhäuser oder Kirchgemeinden hinzu. Die Unterstützung ist in den meisten Fällen unkompliziert. In den bisher gesammelten Erfahrungen nehmen die Beratungen für Trans*-Menschen den größten Anteil ein. Hier zeigt sich ein hoher Bedarf an Unterstützung. Für einzelne Klient*innen sind besonders die rechtlichen und medizinischen Vorgaben von hoher Relevanz, z. B. außerhalb der Ballungsgebiete einen freien Therapieplatz zu bekommen. Besonders bei Trans*-Kindern und -Jugendlichen werden Schulen in die Begleitung einbezogen. In aktuellen Diskussionen zur medizinischen Versorgung im ländlichen Raum wird immer wieder auf das Fehlen von ausreichend und zudem trans*-erfahrenen Ärzt*innen/ Psychotherapeut*innen hingewiesen. Als wirksam hat sich die Vorstellung des Projektes vor verschiedenen Arbeitskreisen in den jeweiligen Landkreisen erwiesen. Gerade innerhalb regelmäßiger Strukturen, z. B. Arbeitskreise für Sozialarbeiter*innen/ Berater*innen, kann eine gute Breitenwirkung in den ländlichen Raum erfolgen. In einigen Fällen wird auch seitens des Fachpersonals in den sozialen oder kommunalen Einrichtungen ein Bedarf an Weiterbildungen zum Thema der sexuellen Vielfalt formuliert. Die Fortschreibung und dauerhafte Absicherung des Projekts sowie die Sensibilisierung von Fachpersonen außerhalb der Ballungsräume werden künftig relevant für uns sein.
1 Vgl. Beitrag Nachtigall/Dieckmann/Salheiser in diesem Band.
2 Erstmalig werden in der Studie des MASGF gesondert Trans*, Inter* und asexuelle Personen als Teilnehmende aufgeführt. Jede sechste befragte Person war innerhalb der letzten fünf Jahre mit expliziter Gewalt bzw. einem Verbrechen aufgrund der eigenen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität konfrontiert. Die Anzeigebereitschaft ist gering und die Dunkelziffer hoch. Eine erste wissenschaftliche Studie zu den Erfahrungen queerer Menschen mit vorurteilsbezogener Kriminalität in Sachsen wird im Frühjahr 2019 von der LAG Queeres Netzwerk Sachsen und der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida durchgeführt.
3 Queerbezogene Bildungs-, Beratungs- und Begegnungsangebote gibt es derzeit in Leipzig, Chemnitz, Dresden, Pirna und Zwickau.
Verwendete Literatur
Infratest dimap (2017):
Sachsen-Monitor 2017. Ergebnisbericht, S. 32. Online: www.staatsregierung.sachsen.de/download/Ergebnisbericht_Sachsen-Monitor_2017.pdf.
Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg: Queeres Brandenburg (2018):
Ergebnisse der Online-Befragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ* in Brandenburg. Online: masgf.brandenburg.de/media_fast/4055/CCC_20171128_AP_BB_Studienbericht_Queeres%20BB_final_neu.pdf.