Grußwort Laura Wahl

Liebe Teilnehmer*innen der Fachtagung „Antifeminismus & Hasskriminalität“,

 

vielen Dank, dass Sie und Ihr Euch heute mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzt. Ich kann leider nicht live mit dabei sein, weil zeitgleich der Thüringer Landtag tagt. Und hier muss ich gewissermaßen aus einem traurigen Reallabor berichten, in dem man deutlich beobachten kann, wie der gesellschaftliche Rechtsruck Antisemitismus stärkt und Antifeminismus wiederum demokratiefeindliche Positionen fördert.

Just heute, am 10. November 2022, beraten wir einen Antrag der CDU-Fraktion, der den Titel trägt: „Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten – keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache!“. Dieser Antrag besteht großteils aus rechten Narrativen. Es ist zum Beispiel von „Gender-Zwang“ die Rede. Der Antrag ist transfeindlich, denn die CDU-Fraktion behauptet allen Ernstes, dass geschlechtergerechte Sprache das „biologische Geschlechtersystem von Männern und Frauen“ infrage stelle. Ein typisches rechtsextremes und queerfeindliches Narrativ.

Der gesamte Antrag ist ein trauriger Tiefpunkt im Thüringer Landtag, denn hier stellt eine eigentlich demokratische Fraktion einen Antrag, der nicht nur an vielen Stellen das Grundgesetz und Grundwerte unseres Rechtsstaats offen infrage stellt, sondern der sicherlich auch eine Zustimmung der faschistischen Höcke-AfD finden wird. Die Dammbruch-Mehrheit lässt grüßen. Am Ende der Antragsbegründung werden Migrant*innen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit Lese-Rechtschreibschwäche als angebliches Argument vorgeschoben, warum geschlechtergerechte Sprache nicht sinnvoll sei. Dieser Antrag ist damit leider als Paradebeispiel dafür zu sehen, wie sehr antifeministische und queerfeindliche Positionen auch an behindertenfeindliche und rechtsextreme Positionen anknüpfungsfähig sind.

Als Demokrat*innen müssen wir immer wieder klar machen, dass weder die Rechte von queeren Menschen noch von Frauen oder von Menschen mit Behinderungen verhandelbar sind. Unser Grundgesetz ist an dieser Stelle klar: Die Würde jedes einzelnen Menschen, egal ob Teil einer Minderheit oder der Mehrheitsgesellschaft, ist unantastbar. Dass es nicht nur um die Sprache geht, sondern um viel mehr, macht die traurige Bilanz queer- und frauenfeindlicher Straftaten deutlich. Erst kürzlich gab es wieder einen schlimmen Vorfall in Kiel. Wie Zeug*innen des Vorfalls berichteten, wurde zunächst ein männlicher Gast vor einer Bar wegen seiner lackierten Fingernägel aus einem Auto heraus mit homofeindlichen Sprüchen angepöbelt und bedroht. Als weitere Gäste der Bar dem Bedrängten zu Hilfe eilten, stiegen die Täter aus dem Auto aus und es kam zu einem Handgemenge. Mindestens einer der Angreifer setzte dabei ein Messer als Waffe ein, eine Person musste mit offenbar lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.

In den vergangenen fünf Jahren wurden 1.598 Fälle von Hasskriminalität in Thüringen bekannt. Die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Madeleine Henfling stützt dabei die These, dass das Dunkelfeld erheblich höher ist. Opferberatungsstellen, Verbände und Wissenschaft weisen regelmäßig darauf hin, dass teilweise nur ein Fünftel der Straftaten durch Betroffene anzeigt werden. Die Anfrage zeigt, dass in der Praxis Hasskriminalität nur in Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität erfasst wird. Damit entfallen aber die Fälle, die keinen klaren politischen Hintergrund aufweisen.

Wir als bündnisgrüne Landtagsfraktion sind der Meinung, dass die PMK-Statistik aktuell untauglich ist, um Hasskriminalität in seiner gesamten Bandbreite zu erfassen. Eine grundlegende Überarbeitung dieser Statistik und die Erfassung von Hasskriminalität ist lange überfällig. Dass auch die Politik gefragt ist, auf die Erfassung von Straftaten und die Bekämpfung von Hasskriminalität als demokratiegefährdende Entwicklungen einen größeren Fokus zu legen, wird in der Einladung zur Fachtagung deutlich. Ich bin auf die Inputs, Anregungen und Erkenntnisse gespannt und wünsche eine erfolgreiche und empowernde Fachtagung – denn sowohl in Politik als auch in Gesellschaft gilt es, dem rechten Hass eine solidarisch-feministische Haltung entgegenzusetzen.