Einleitung
Dieser Beitrag handelt von der Ideologie der Volksgemeinschaft, im Speziellen vom Element der Frau als Hüterin der Volksgemeinschaft. Dabei ist die Hüterin gleichzeitig eine Figur, die im Jetzt die imaginierte Gemeinschaft behütet und versorgt aber auch im Gestern und Morgen für das Fortbestehen zuständig war und ist. Das Besondere an diesem Bild ist die historische Kontinuität. Dieser Beitrag hat zum Ziel, die Genese des Narratives, verknappt auf Schlaglichter, darzustellen.
Die Abbildung 1 und Abbildung 2 zeigen auf den ersten Blick unterschiedliche Frauen der gleichen Generation. Was nicht zu sehen ist, ist die Kontinuität der inneren und äußeren Identifikation des dargestellten BDM (Bund Deutscher Mädel)-Mädchens und der Trümmerfrauen.
Es sind sehr geläufige Darstellungen und vermutlich hat ein Großteil in der Schule gelernt, dass die Frauen in Abbildung 2 Nachkriegsdeutschland eigenhändig entrümpelt haben – je nach Bundesland bzw. abhängig davon, ob in West- oder Ostdeutschland, mit mehr oder weniger Pathos besetzt. Leonie Treber entlarvte in ihrer Monografie „Mythos Trümmerfrauen“ von 2013, dass es eine großangelegte deutschlandweite Aufräumaktion durch Frauen gar nicht gab. Umfangreich ausgewertetes Bild- und Quellenmaterial zeigt, dass es Trümmerfrauen als Massenphänomen nur in Berlin und Teilen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) gab. Das Selbstopfer hielt sich ebenfalls in Grenzen, da nach dem Krieg alliierte Verwaltungen die organisierten Aufräumaktionen häufig sonntags stattfinden ließen und es als Lohn Essensmarken gab. Auf Abbildung 2 sind vermutlich Studierende aus Hanau zu sehen, die aufräumten, um dann wieder die Zulassung an die Uni zu bekommen (Treber 2015). Am Bild des liebgewonnenen Mythos zu wackeln, trifft einen empfindlichen Nerv in der deutschen Nachkriegsidentität. Denn die Trümmerfrau fügte sich nahtlos in die populäre Erzählung der deutschen Frau als selbstlose Mutterfigur ein. Die allgemeine Vorstellung sowie öffentliche Darstellung können polemisch so zusammengefasst werden: In der Kaiserzeit wurden die Frauen unterdrückt durch das System und die Kirche, im Ersten Weltkrieg allein zurückgelassen, in der Weimarer Republik politisch befreit und voller demokratischer Teilhabe in ein selbstbestimmtes Leben geführt, nur um dann schließlich im Nationalsozialismus als Hausfrau genötigt zu werden, erbgesunden Nachwuchs für ‚Führer, Volk und Vaterland‘ zu produzieren. Diese Frau stieg wie ein Phönix aus der Asche aus den Trümmern und machte das Beste aus der Situation, baute auf und bereitete den Weg für das westdeutsche Wirtschaftswunder bzw. die sozialistische Gesellschaft. Die Trümmerfrau bedient im Verständnis des kollektiven deutschen Gedächtnisses das Bild, welches wir durch unsere Sozialisierung im deutschsprachigen, christlich-geprägten Raum mehr oder weniger stark mitbekommen haben: die Frau, die Mutter als Schutzfigur, selbstlos als Hüterin des privaten, aber auch gesellschaftlichen Familienverbundes.
Schlaglicht I: Konstruktion der Hüterin
Vivien Laumann (2014, 33) postuliert in ihrem Beitrag über rechtsextreme Geschlechterideologie:
„Die Konstruktion einer Volksgemeinschaft ist bis heute der [Hervorhebung der Autorin] Bezugspunkt rechtsextremer Ideologie. Die dichotome Geschlechtertrennung mit der damit in Zusammenhang stehenden Konstruktion ‚echter Männer‘ und ‚echter Frauen‘ ist der Idee der Volksgemeinschaft immanent. Ohne die Kategorie Geschlecht würde der Rechtsextremismus bzw. die rechtsextreme Ideologie nicht funktionieren.“
Diese Beobachtung lässt sich mit Lehnert (2017, 214) erweitern, die die Volksgemeinschaft nach innen sozial-biologisch versteht; als binäre, hierarchische Geschlechterordnung zwischen Mann und Frau. Nach außen ist die Volksgemeinschaft rassistisch-biologisch gedacht als eine Ungleichwertigkeit der, in der Sprache der Nationalsozialist*innen, sogenannten „Rassen“1. Somit ist anzunehmen, dass die Hüterin der Volksgemeinschaft gleichzeitig die Beschützerin des Kerns der rechten/rechtsextremen/rechtspopulistischen Identität ist.
Der Ursprung des rechtsextremen Hüterin-Narratives findet sich in der Muttertumsideologie der völkischen Bewegung, die, wie bspw. bei Max Ferdinand Sebaldt, die Mutter nicht gesellschaftlich deutete, sondern als „Rassemutter“, die der Zucht des Volkes bio- und rassepolitisch verpflichtet war. Diese Idee wurde rassistisch und antisemitisch aufgeladen, um das Bild der Unterdrückung der nordischen ‚Rasse‘ durch das Juden- und Christentum künstlich zu erzeugen und Anhängerschaft zu gewinnen. Es kam die Behauptung auf, dass die deutsche/germanische/nordische Frau – die ‚Rassemutter‘ also – als Hexe von jüdisch-christlichen Priestern verfolgt und ermordet wurde, um die ‚Rasse‘ auszulöschen (Wiedemann 2007, 133).
Frauen beteiligten sich ebenfalls an dieser Bewegung und forderten, dass ab 1933 gesellschaftliche Führungspositionen allein auf rassischer, nicht auf geschlechtlicher Grundlage besetzt werden sollten. Die bekannteste Vertreterin war Mathilde Ludendorff (1877–1966). Ihre Schriften diffamierten nicht nur den jüdischen Glauben; sie bezichtigte gleichermaßen den Jesuitenorden wie auch die protestantische Kirche, die Hexenverfolgung als germanischen Femizid systematisch geplant und durchgeführt zu haben (Wiedemann 2007, 167). Wie die männlichen Autoren bezogen die völkischen Feministinnen sich auf die germanischen Frauen in einem romantisch-verzerrten Gewand als Seherinnen und Priesterinnen. Im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen deuteten die völkischen Frauen ihre Ahninnen als ‚Rebellinnen‘ gegen jüdisch-christliche Unterdrückung (Wiedemann 2007, 168).
Schlaglicht II: Nationaler Feminismus von 1933–1945
Die Weltanschauung des Nationalsozialismus (im Folgenden mit NS abgekürzt) zeichnete sich prinzipiell in Ermangelung eigener Konzeptionen durch eine allgemeine Anti-Haltung sowie durch das Wiederverwerten bereits vorhandener Ideen aus (Kinz 1991, 88–89). In der NS-Ideologie zeigte sich dies auch in der Frauenpolitik: Bereits in der Weimarer Republik war es Konsens in konservativen Kreisen, dass die Frau Hauptverantwortliche für ‚Rassereinheit‘ und Nachwuchs war. Frauen wurden biologisch betrachtet hinsichtlich ihrer Fortpflanzungsfähigkeit, jedoch nicht als intellektuell oder charakterlich bemerkenswert gesehen (Perchinig 1996, 58). Mit Kriegsbeginn änderte sich die Rolle der Frau aus personeller Not heraus. Auf den Frauenseiten des „Völkischen Beobachters“ wurde die Arbeitstätigkeit in der Rüstungsindustrie als eine Form des Selbstopfers propagiert. Frauen sollten dazu animiert werden, zeitweise in der kriegswichtigen Industrie zu arbeiten, wobei die Doppelbelastung mit Haushalt und Kindererziehung zur Kenntnis genommen, aber als möglich bezeichnet wurde. Sogar sogenannte „Männerberufe“ oder akademische Berufe sollten sie in Betracht ziehen, um eine „Reserve“ bilden zu können und so den kriegsbedingten Männerschwund aufzufangen (Perchinig 1996, 61–63). In Nazi-Deutschland strebten die Frauen nicht nach sozialer oder ökonomischer Unabhängigkeit – viele sahen Heirat als Entlastung, da hier das staatlich subventionierte Versprechen inbegriffen war, nicht mehr erwerbstätig sein zu müssen. Die in der Landwirtschaft tätigen Frauen sahen ihre Arbeit in einem neuen, hochwertigeren Licht aufgrund der Agrar-Romantik der NS-Propaganda. Die Frauen aus dem bürgerlichen Milieu stellten ihre Rolle als Frau und Mutter in den Mittelpunkt ihrer Identität. Diejenigen Frauen, die zur Ausübung von Lohnarbeit in die Städte zogen, wurden skeptisch oder als Ausnahmeerscheinung betrachtet (Perchinig 1996, 46–47).
Umsetzung am Beispiel Bildung
Die Betrachtung von Bildungsprogrammen ermöglicht die Herleitung der angedachten Rolle eines Menschen in einer Gesellschaft, da hier der zu dem Zeitpunkt geltende Zeitgeist institutionalisiert und zur Weitergabe aufbereitet wird.
Die Mädchenerziehung im NS hatte die Ausrichtung, Mädchen bestmöglich auf ihre Aufgabe für das Volk vorzubereiten. Dabei lag der primäre Fokus auf der Körperlichkeit und der angeblichen „gefühlsbetonten Natur“ (Kinz 1991, 121) der Mädchen, während die geistige Bildung eine untergeordnete Rolle spielte. Die Nähe zur Natur und die pragmatische Ausrichtung der Bildung war ausschlaggebend für die meisten Überlegungen. Das Ziel der Erziehung im BDM war die Erziehung zum Glauben an die Volksgemeinschaft. Dieser Glaube bedeutete hier die Unterordnung der Einzelnen in das Gefüge der Gemeinschaft und die Übernahme der zugeteilten Rolle für ein höheres Ziel – der biologische und gesellschaftliche Fortbestand der eigenen ‚Rasse’. Dabei spielte das Bild des Aufopferns der eigenen Wünsche und Lebensziele eine zentrale Rolle. Dieser Anspruch wurde an einigen Stellen formuliert, jedoch nie als verbindliches Erziehungskonzept von zentraler Stelle aus festgelegt (Kinz 1991, 120–122, 127).
An dieser Konzeption waren Frauen wie Elisabeth Lenz beteiligt, die 1934 das Buch „Die Mädchenbildung in der Volksschule des Dritten Reiches“ veröffentlichte. Darin schrieb sie:
„Viel zuviel (sic!) wird auf dem Gebiete der Physik, was die Volksschülerin nicht braucht, verlangt. […] Auch in der Naturkunde ist mancher Stoff vorhanden, der das Mädchen nur aufhält. Alles möge so gestaltet sein, dass Raum und Zeit geschaffen sind, um im Mädchen genügend Erkenntnis vom Sinn und Zweck seines und seines Volkes Dasein zu wecken. Körperkunde, Körperpflege und Hygiene, Samariterdienst, Vererbungslehre, Rassen- und Familienkunde u. a. seien die Gebiete, welche im letzten Schuljahr den Naturkundeunterricht ganz und gar ausfüllen möchte.“ (Lenz 1934 nach Gamm 1964, 276)
Der Auszug zeigt, dass die Mädchen einen besonderen Umgang mit Körperlichkeit lernen sollten – nicht im Sinne eines wertschätzenden Umgangs mit ihrem eigenen Körper, sondern die Kultivierung des gesunden Volkskörpers. Der Volkskörper war ein hybrides Konzept aus rassebiologischer Ideologie und ausgrenzender Bevölkerungspolitik, dessen Teilbereiche kaum voneinander trennbar waren.
Schlaglicht III: Die moderne Hüterin in der Volksgemeinschaft heute
Die rechten Strömungen arbeiten häufig mit Bedrohungsszenarien, eines davon ist Gender Mainstreaming. Besonders gefährlich an der rechtsextremen Kritik zu Gender Mainstreaming ist die Vermengung von Sexismus und Rassismus. In der völkischen Logik ist Diversität die innere Bedrohung für die Ideologie, da die traditionelle Geschlechterordnung hinterfragt wird. Geschlecht wird ausschließlich biologisch gesehen und nicht sozial. Des Weiteren beinhaltet Gender Mainstreaming im Rechtsextremismus auch eine rassistische Komponente als Angst vor ‚Fremden‘, d. h. nicht der ‚Volksgemeinschaft‘ angehörigen Menschen, deren Einflüsse dem (deutschen, weißen) ‚Volkskörper‘ schaden, weil die Gleichberechtigung aller Menschen als defizitäres Egalisieren begriffen wird (Laumann 2014, 37). Dies steht in direkter Tradition mit den ‚Rasse‘- und Volksgemeinschaftsideologien des NS, in denen eine klare Hierarchie zwischen den Geschlechtern und eine ‚natürliche‘ Ordnung der ‚Rassen‘ als Identitätsgrundlage diente. In rechtsextremen Debatten um Gender Mainstreaming und Gender wird Antifeminismus besonders deutlich: In deren Argumentation führt Feminismus zum Aussterben des ‚deutschen Volkes‘, zur Propagierung von Homosexualität und zur Abwertung von Mutterschaft. Zu diesem Bedrohungsszenario kommt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hinzu, wenn dem ‚deutschen Mann‘ der ‚fremde Mann‘ entgegengesetzt wird, der nicht nur seine Potenz, sondern auch die ‚Volksgemeinschaft‘ bedroht. Paradoxerweise ist in diesem Konstrukt die ‚fremde Frau‘ (meist muslimisch gedeutet) ebenfalls eine Bedrohung für die bereits geleistete Emanzipation der ‚deutschen Frau‘ (Laumann 2014, 35).
In der Forschung herrscht nach wie vor ein Gender-Gap aufgrund der Wahrnehmung des Rechtsextremismus als männlich-dominierte, aggressive und harte Szene. Geschlechterstereotype (Frauen als unpolitische Subjekte und friedfertig) tragen dazu bei, dass Frauen in diesen Strukturen als Anhang der Männer gesehen werden. In Bezug auf die Umsetzung der Volksgemeinschaftsideologie gehen die Frauen strategisch vor: So engagieren sie sich bspw. in Schulen und in sozialen Bereichen haupt- und ehrenamtlich und nutzen ihren Einflussbereich, um dem Selbstbild als Hüterin ihrer Familie, aber auch ihres ‚Volks‘ zu entsprechen. Somit tragen sie aktiv an der Normalisierung und Anschlussfähigkeit von rechtsextremen Organisationen in der Zivilgesellschaft bei (Lang 2010, 127–128, 131). In der Identitären Bewegung etwa wird suggeriert, dass Frauen verschiedene Rollen inklusive politischer Teilhabe einnehmen können. Ihnen allen ist gemein, dass sie sich auf eine naturalistische Ordnung und ihre zentrale Identifikation als Mutter beziehen. Die Mutterrolle ist dabei nicht unpolitisch zu verstehen, sondern im Verständnis der identitären Frauen Kernelement ihres politischen Kampfes um den Erhalt des ‚deutschen Volkes‘ (Grün und Hinze 2020).
Schlaglicht IV: Nationaler Feminismus heute
Als „rechter Feminismus“ oder „nationaler Feminismus“ wird die Aneignung von feministischen Argumenten durch rechtsextreme Frauen bezeichnet (Goetz 2016, 130). Die Verwendung von feministischen Elementen in der Neuen Rechten erklärt Goetz (2016, 135) als ein rhetorisches Mittel der „Retorsion“, nicht als eine Überzeugung. So verwenden Anhänger*innen des rechten bzw. nationalen Feminismus diese Argumente, um nur für ihre Gruppe zu sprechen, nicht aber, um Gleichheit für alle Frauen zu fordern. So werden bspw. migrantische Frauen aus ihren Forderungen systematisch ausgeschlossen. Mittels dieser Instrumentalisierung des Feminismus wird eine Gleichheit nach innen gefordert und nach außen differenziert. Diese Sichtweise unterstützt wiederum einen Kulturrassismus, der von einer natürlichen Ordnung und Geschlossenheit der Kulturen voneinander ausgeht und eine Wertzuschreibung in sich trägt. So wird eine klare Trennlinie zwischen der ‚islamischen Kultur‘ und ‚deutschen Kultur‘ gezogen, insbesondere bezüglich des Umgangs mit Frauen, wobei die ‚islamische Kultur‘ hinsichtlich der Geschlechterrollen als frauenverachtend und veraltet gilt und die ‚deutsche Kultur‘ in diesem Kontext als modern und gleichberechtigt (Goetz 2016, 132, 135–136).
Das erhöhte Interesse von Frauen am organisierten Rechtsextremismus zeigt sich in den Neugründungen von Frauengruppen. Die extreme Rechte profitiert von den Frauenbewegungen, weil sie so nach außen attraktiver wird und den Anschein erweckt, sich zu öffnen, was sie jedoch nicht tut (Lang 2010, 140–142). Im Nachfolgenden werden zwei rechte Frauengruppierungen dargestellt, um zu zeigen, wie eine Normalisierung ihres Gedankengutes über Sprache und einen modernen Internetauftritt versucht wird.
Beispiel 1: Blog „Die Weggefährtin“ des III. Weg
Der III. Weg ist eine rechtsextreme Kleinpartei. Auf deren Homepage findet sich der Blog „Die Weggefährtin“, der von Frauen für Frauen geschrieben wurde. Zwischen Jul-Traditionen, Rezepten und Haushaltstipps finden sich immer wieder politische Einträge, bspw. Blogeintrag Nummer 045 mit dem Titel „Das Zurschaustellen der Frau als Lustobjekt und die Folgen für unser Volk“. Dort heißt es:
[…] Die Porno-Lobby ist jedoch mächtig. Das Volk lechzt nach immer härteren Pornos; im Mittelpunkt: meist das Objekt Frau. Der Zuschauer: wohl meist der auf dem Sofa mit offener Hose sitzende Mann. Merkt eine normale Frau heutzutage jedoch an, dass es ihr unangenehm ist, dass allerorts der weibliche Körper frei gezeigt wird, wird sie oft als ‚Feministin‘ beschimpft. Argumente, die Mann und Frau als gleichwertige Partner in einer Gemeinschaft bejahen, verhallen immer mehr unbeachtet oder werden verlacht. […] Um eine völkische Gemeinschaft erstarken zu lassen, ist es unerlässlich, die großen Ideale zuerst im Kleinen zu leben; also bereits in der Partnerschaft und Familie. Verfolgen Mann und Frau das gleiche Ziel und stehen fest zusammen, erwächst eine große Kraft, die auch den durch das momentan vorherrschende System schädlichen Einflüssen zu trotzen vermag. […] (Der III. Weg, 2020)
In diesem Auszug wird deutlich, wie ein feministisches Narrativ mit rechter Ideologie aufgeladen wird: Die Objektifizierung der Frau wird abgelehnt und mit der sittlichen, fast schon keuschen Frau erklärt. Die ‚Gleichwertigkeit‘ der ausschließlich binär verstandenen Geschlechter in einer cis-hetero Gesellschaft ist ein oft bedientes Narrativ der Rechten und steht der Idee der Gleichberechtigung aller Geschlechter kritisch gegenüber. Weiterhin ist im zweiten Absatz die Kernfamilie gleichgesetzt mit dem Fortbestehenden völkischen Gemeinschaft, das heißt der Volksgemeinschaft. Der Blog ist derzeit nicht aktiv.
Beispiel 2: Die rechtsradikale Frauengruppe Lukreta
Die rechtsradikale Frauengruppe Lukreta wurde 2019 gegründet. Die Initiative besteht teilweise aus Mitgliedern der Identitären Bewegung sowie der AfD und ist antifeministisch, rassistisch und queerfeindlich. Die Gruppe ist in den sozialen Medien aktiv und am 11. Juni 2022 richteten sie in Münster einen sogenannten ‚Frauenkongress‘ aus, der viele rechte und rechtsradikale Akteur*innen anzog (Hansen 2022). In Abbildung 3 ist ein Post zum Weltfrauentag 2022 zu sehen, in dem Kritik am Gender Mainstreaming sowie Queerfeindlichkeit zum Ausdruck kommen.
Abbildung 4 zeigt einen Post vom gleichen Tag, diesmal vor der Bronzestatue Trümmerfrau von Walter Reinhold in Dresden. Hier wird das Trümmerfrauenbild bedient und im Zuge des Krieges in der Ukraine der Mythos der deutschen Trümmerfrau evoziert.
Fazit
In Rückbezug auf die Ausgangsüberlegung lässt sich bestätigen, dass die Hüterin der Volksgemeinschaft gleichgesetzt wird mit der Beschützerin des integralen Bestandteils der rechten/rechtsextremen/rechtspopulistischen Identität. Bis heute hält sich hartnäckig das Bild von Frauen, die nur dann aggressiv handeln, wenn ihre Familie oder ihre Existenz in Gefahr ist. Sollte diese Motivation nicht nachweisbar sein, so werden sexistische Narrative bedient und Frauen auf ihr Äußeres oder Stimmungsschwankungen reduziert (Lehnert 2017, 211). Maßgeblich zu diesem Bild haben u. a. die nicht vorhandene Aufarbeitung der Rolle der Frauen während der NS-Zeit und die Veröffentlichung „Die friedfertige Frau“ von Margarete Mitscherlich von 1985 beigetragen. Diese Narrative bestärken das normative Bild der Frauen als schwach und natürlich-biologistisch dem Mann unterlegen. Der historische nationale Feminismus ebenso wie der moderne nationale Feminismus setzt sich aus folgenden Motiven zusammen:
- Frauen sind gleichwertig zu Männern, nicht gleichberechtigt
- Frauen besetzen „wesensgemäße“ Aufgaben und Berufe
- cis-heteronormative Präsentation
- Mutterschaft als zentrale Identifikation
- monogam, keusch und familienorientiert
- Frauen sind die moralische Instanz
- Märtyrerin für das Volk
Die Mutterrolle in der rechtsextremen Volksgemeinschaftsideologie geht über die biologische Funktion hinaus: Die Frau an sich wird zur Hüterin bzw. Bewahrerin ihrer ‚Rasse‘, sie ist für das Fortbestehen verantwortlich und darf diese nicht gefährden, indem sie bspw. nur mit einem ‚deutschen‘ Mann Kinder zeugt. Die Aufgabe der Männer in dieser Ideologie ist es, die Frauen physisch zu beschützen, da sie laut Zuschreibung für ihren Eigenschutz zu schwach seien. Die Einfachheit dieser heteronormativen und zweigeteilten Ordnung schafft Identität und Sicherheit (Lehnert 2017, 209–210): Die Frau als Hüterin der Volksgemeinschaft ist zum einen eine identitätsstiftende, ordnende Konstante für die Anhänger*innen der Ideologie; zum anderen besteht die Sicherheit, dass solange der biologische Fortbestand gesichert ist, die Ideologie fortbesteht.
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1 Im Folgenden mit ‚Rasse‘ bezeichnet, um die Ideologie zu kennzeichnen. Alle weiteren Begriffe, die in einfachen Anführungszeichen stehen, sind ebenfalls Begriffe rechter Ideologie.
Cynthia Freund-Möller, Dr. phil., studierte Kulturgeschichte, Anglistik/Amerikanistik und Bildung-Kultur-Anthropologie in Jena. Seit Dezember 2021 ist sie Geschäftsführerin des Zentrums für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration (KomRex) der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
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