„MUT – Interventionen“ zielt auf strategische Demokratiebildung in der Jugendarbeit, die als demokratischer Erlebnis- und Entdeckungsraum verstanden wird. Im Sinne eines lebensweltorientierten Ansatzes (Thiersch 2014) sucht das Projekt nach Alltagserzählungen, um regional agierende Teams und Träger der Regelstrukturen zu Interventionsstrategien zu beraten. Anhand qualitativer Befragungen von Fachkräften und der Reflexion der Gespräche in Beratungen wird ein tieferes Verständnis von Alltagsthemen und -dynamiken vor Ort ermöglicht. Interviews mit Jugendlichen sollen Einblicke in die alltäglichen lokalräumlichen Logiken für rassistische Ablehnungshaltungen, Positionierungen und entsprechendes Handeln bringen (vgl. Dietrich 2018).
Analyseinstrument: dokumentierte Fachgespräche
Um den professionellen Handlungsraum gemeinsam zu ergründen und für einen Beratungsprozess aufzufächern, wurden leitfadengestützte Gruppeninterviews mit Fachkräften an drei beteiligten Modellstandorten geführt. Diese machen Fach- und Feldwissen der Fachkräfte sichtbar und lassen Ableitungen für mögliche Beratungsthemen zu. Themenkomplexe waren u. a. die politische Situation vor Ort, lokalräumliche „Eigenheiten“ und der Blick auf die Praxis mit den jeweiligen Adressat*innen. Die Methode erwies sich für den Auftakt der Beratungsprozesse als sinnvoll. Es wurde ein facettenreiches Bild der Lokalgesellschaft und der regionalen Identitäten gezeichnet. Diese umfassten u. a. die Aufmerksamkeit für aktuelle wie vorangegangene Migrationsdynamiken und damit zusammenhängende Konflikte, regional verankerte Bilder als traditionell eigensinnige Bevölkerung und die Adaption widerständiger Praxen (etwa Traktorblockaden) gegen die Ankunft geflüchteter Menschen. Neben gemeinwesenbezogenen Faktoren ist das pädagogische Feld gerahmt durch Institutionen des Aufwachsens, wie Schule und Elternhaus. Hier werden kaum demokratische Erfahrungen ermöglicht, teilweise gar dezidiert rassistische Haltungen vorgelebt. Jugendarbeit fällt daher eine Sonderrolle zu, indem sie kontrastierende, demokratische Explorationsräume und -gelegenheiten anbietet. Sie bringt Rassismus in Diskussion, macht in Äußerungen, Aktionen und den eigenen Räumen Solidarität sichtbar und hält jugendgemäße Möglichkeiten der Beteiligung vor.
Es war für Fachkräfte eine besondere Situation, ihre Expertise gemeinsam, fokussiert und moderiert zusammenzutragen. Anschließend konnten die Auswertung und Weiterarbeit an Beispielen Gesprächsdynamiken und immanentes Wissen zugänglich machen. Entsprechende Interviews eignen sich damit grundlegend – im Sinne von dokumentierten Fachgesprächen – als Methode zur Teamentwicklung im Themenfeld. Das Projekt erprobt mit den Teilnehmenden erzählungsbezogene Ansätze, um weiteren Einblick in die Alltagswelten junger Menschen zu erhalten. Ziel ist es zu erfahren, wo und wieso Rassismus für sie funktional ist, um dann alltägliche, niedrigschwellige, demokratische Äquivalente anzubieten.
Verwendete Literatur
Dietrich, Kai (2018): Umgang mit Ablehnungshaltungen in der Jugendarbeit. Wissen schafft Demokratie, 3, 135-148.
Thiersch, Hans (2014): Lebensweltorientierte Soziale Arbeit: Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. Beltz: Weinheim.