Janine Dieckmann
Liebe Rebecca, zunächst würde ich dich gern fragen: Was ist für dich Ableismus?
Rebecca Maskos
Ableismus ist ein deutscher Neologismus, der sich von dem englischsprachigen ableism ableitet. Und dort steckt der Begriff der Fähigkeit drin, ability. Das heißt, es ist ein essenzialisierender Fokus auf Fähigkeit. Alltagssprachlich würde man sagen, es ist eine Form von Diskriminierung, Abwertung und Ungleichbehandlung. Ähnlich dem Sexismus, Rassismus oder Antisemitismus geht Ableismus noch einen Schritt weiter – es geht im Grunde um einen Ausdruck von Machtverhältnissen. Dabei geht es vor allem um zwei Facetten. Zum einen um ein nützliches, leistungsfähiges Subjekt, und zum anderen um ein autonomes, eigenständiges Subjekt. Immer, wenn man dieses „-ismus“ bei Worten sieht, wie bei Rassismus, Sexismus, dann kann man sich sicher sein, es geht hier um die machtvolle Durchsetzung einer Norm. Und wir denken da selten an Behinderung oder Nicht-Behinderung, weil das oft als eine mehr oder weniger unpolitische Naturtatsache gesehen wird. Das wird überhaupt nicht als etwas Gesellschaftliches verstanden, sondern als etwas Körperliches, als eine physische Naturtatsache. Deswegen sind viele überrascht, wenn man im Zusammenhang mit Diskriminierung oder mit abwertenden, ideologischen Diskursen über Behinderung spricht. Das ist etwas, was der Begriff Ableismus ermöglicht – die Parallelisierung zu Rassismus und Sexismus.
Mit dem Begriff der Behindertenfeindlichkeit, den wir ansonsten kennen, sprechen wir in der Alltagssprache über die Diskriminierung behinderter Menschen. Dabei ist meistens die Ebene der Einstellungen und des Verhaltens gegenüber behinderten Menschen gemeint, also abwertende Einstellungen, Beleidigungen oder auch tatsächlich Hass. Das bewegt sich alles auf dieser intersubjektiven, individuellen Ebene. Dahingegen weitet der Begriff Ableismus den Blick, indem er sagt, es geht hier nicht nur um das Verhalten oder die Einstellungen von Einzelnen, sondern Ableismus ist strukturell und gesellschaftlich verankert. Wir finden das in institutionellen Strukturen, in der gebauten Umwelt, im Recht, in der Politik. Natürlich finden wir das auch in den Köpfen der Menschen, aber nicht als eine bloße Haltung, sondern tiefgreifender. Damit sind grundlegende Erwartungen an Menschen in dieser Gesellschaft verknüpft. Der Disability Studies-Forscher Robert McRuer spricht von „Compulsory Able-Bodiedness“, also einer Art verpflichtender Nichtbehinderung. Das heißt, wir sind alle angerufen, uns nützlich, autonom und nichtbehindert zu zeigen. Dieser Druck ist so fundamental, dass wir ihn alle verinnerlicht haben. Das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Produkt einer Jahrhunderte alten Entwicklung, die Subjekte zu Zwangs-Nichtbehinderten macht. Es kommt natürlich darauf an, wie man Behindertenfeindlichkeit definiert. Birgit Rommelspacher, die als eine der Wenigen viel zu Rechtsextremismus und Behinderung geschrieben hat, nutzt eine sehr breite Definition von Behindertenfeindlichkeit, vor allem mit dieser strukturellen Ebene. Aber alltagssprachlich ist oft eine eher verkürzte Version gemeint.
Janine Dieckmann
In meiner Arbeit sehe ich Ableismus als eine wichtige und meist fehlende Ergänzung in wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskursen. Er ist eine Ungleichwertigkeitsideologie neben anderen und von diesen Ungleichwertigkeitsideologien leitet sich die Diskriminierungs- oder Einstellungsebene ab. Welche Diskriminierungsdimensionen, oder positiv formuliert, welche Vielfaltsdimensionen, welche Merkmale von Menschen leiten sich aus Ableismus ab? Du sprachst vom „Fokus auf Fähigkeit“. Fallen daher für dein Verständnis auch die Stigmatisierung chronischer Erkrankungen, psychischer Diagnosen oder Altersdiskriminierung als Facetten oder Konsequenzen unter Ableismus?
Rebecca Maskos
Ja, das würde ich sagen. Da müssen wir erst mal darüber sprechen, was man unter Behinderung versteht. Behinderung ist ein breiter Begriff. Vielen ist nicht bewusst, dass rund 10 Prozent in Deutschland einen Schwerbehindertenausweis haben, das sind 8 Millionen Menschen. Das sind nur die Personen, die eine amtlich festgestellte Beeinträchtigung haben. In den Disability Studies machen wir eine Unterscheidung zwischen Beeinträchtigung und Behinderung. Beeinträchtigung ist all das, was sich auf der körperlichen, psychischen und geistigen Ebene abspielt. Man muss dazu wissen, dass Beeinträchtigung unglaublich verbreitet ist, jenseits dieser 10 Prozent der Bevölkerung. Im Grunde ist jeder Mensch im Laufe seines Lebens beeinträchtigt, entweder phasenweise oder im Alter oder zwischendurch. Ob es dann auch eine Behinderung ist, entscheidet sich daran, ob einer Person Barrieren gegenüberstehen und diese so schwerwiegend sind, dass Menschen dauerhaft an ihrer Teilhabe gehindert werden. Das ist der Begriff der Behinderung im Sinne des sozialen Modells, wie das auch in der UN-Behindertenrechtskonvention verankert ist. Diesen Grundparadigmenwechsel im Denken über Behinderung, dass diese nichts ist, was allein im Körper, im Geist oder in der Psyche lokalisierbar ist, hat übrigens die Behindertenbewegung eingeleitet. Man kann natürlich sehr vereinfacht sagen: Wir werden behindert. Es ist aber eher eine Verknüpfung von Körper und Barrieren, wobei diese Barrieren auch kultureller Natur sein können, z. B. Barrieren der Einstellung. Ich würde sagen, egal ob wir uns als behindert oder nichtbehindert identifizieren, wir begegnen Ableismus ständig und haben ihn im Kopf, oft auch gegen uns selbst gerichtet, also als Disziplinierungsappelle an uns selbst, wie wir auszusehen oder zu funktionieren haben. Natürlich kann man deswegen jetzt nicht sagen: „Ich habe auch schon mal Ableismus erlebt, deswegen bin ich behindert.“ Das ist dann noch mal ein anderes Level, sodass man wirklich gucken muss: Ist meine Teilhabe wirklich so eingeschränkt? Der Ableismus, den ich oder andere mit schwereren Beeinträchtigungen erleben, bei dem man etwa andauernd auch auf physische Barrieren trifft, behindert uns in viel größerem Maße.
Janine Dieckmann
Die Symbolfigur in der Gesellschaft ist die „Person im Rollstuhl“. Aber es gibt unterschiedliche Sichtbarkeiten der Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Das ist bspw. ein Unterschied gegenüber Hautfarbe, die immer sichtbar ist. Siehst du Parallelen in Bezug auf die Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit der Beeinträchtigung?
Rebecca Maskos
Ich glaube, das ist tatsächlich etwas, was Rassismus von Ableismus unterscheidet. Denn natürlich erlebe ich als Weiße Person keinen Rassismus. Aber bei Ableismus ist das ein fließender Übergang. Das ist insofern eine andere Art der Diskriminierung, die viel mit der eigenen Psyche macht oder den eigenen Körper betreffen könnte. Deshalb ist die Angst vor Behinderung und die damit verbundene Abwehr eine andere. Ich würde sagen, die psychischen Prozesse, die bei Diskriminierenden passieren, z. B. in Bezug auf People of Color, umfassen eine große Abwehr gegen „die Anderen“. Behinderung hat auch mit eigenen Anteilen und eigener Psyche zu tun. Und es gibt einen riesigen Unterschied zwischen sichtbaren und nicht-sichtbaren Behinderungen, die Verarbeitungsformen und Identitätsprozesse sind jeweils anders.
Janine Dieckmann
Du sagtest, dass Ableismus uns alle angeht, also jeder Mensch mindestens einmal im Leben mit weniger Leistungsfähigkeit zu tun hat. Warum ist Ableismus dann nicht ein selbstverständliches Thema für Demokratiediskurse, in zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen?
Rebecca Maskos
Zum einen gibt es eine historische Tradierung. Behinderung wird seit der Moderne als medizinisches Thema diskutiert, also als körperliche Abweichung, der man am besten mit Therapie, Heilung, Korrektur begegnet oder, wie vor allem im NS, mit Vernichtung. Auf jeden Fall nicht mit Akzeptanz. Natürlich gibt es auch medizinisch geprägte Akzeptanz von Behinderung, aber der Fokus ist: „Da muss man was korrigieren, eingreifen, heilen.“ Das prägt natürlich die ganze Wissenschaftscommunity, z. B. wenn sich eine Pädagogik gründet, die Heilpädagogik oder Sonderpädagogik heißt, weil man meint, diese Menschen müsse man gesondert unterrichten. Kulturell, sozial oder in den Wissenschaftsdisziplinen herrscht die Ansicht vor, dass das kein Thema für diese Disziplinen ist, weil es eben ein medizinisches oder pädagogisches Thema ist, aber kein politisches, gesellschaftswissenschaftliches oder kulturelles. Man müsse behinderte Menschen entweder heilen oder ihnen mit Fürsorge begegnen. Eine Konsequenz aus dieser Medizinisierung, die mit der Moderne irgendwann Einzug gehalten hat, ist die Separierung von behinderten Menschen. Es ist in Teilen ein Produkt der Industrialisierung gewesen, dass man für die nicht mehr verwertbaren Subjekte, die sich nicht als Arbeitskraft präsentieren konnten, eigene Orte, Anstalten und Asyle geschaffen hat. Damit wurden sie vor der kompletten Verarmung von der Straße geholt und ihre früheren Care-Personen standen der Verwertung auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Wenn man weiß, dass das einen selbst irgendwann betreffen könnte, wenn man selbst noch unbewusste Erinnerungsspuren daran hat, wie Abhängigkeit als Kind war: noch nicht als erwachsenes Subjekt anerkannt, mit Abhängigkeitssituationen, die schambelastet sind, mit denen man auf gar keinen Fall was zu tun haben will, weil man jetzt eine disziplinierte erwachsene Person ist dann ergibt es Sinn, dass man dieses Szenario Behinderung psychisch von sich fernhalten will. In einer ableistischen Welt entstehen in der Begegnung mit Behinderung Affekte wie Angst, Scham oder Ekel. Das sind alles Dinge, die Leute von sich fernhalten wollen und die dazu beitragen, dass behinderte Menschen zu Anderen gemacht werden. Wenn man Subjekte zu Anderen macht, dann bringt man sie unter Kontrolle, dann sind sie weit weg von einem selbst. Das unterstützt die eigene Normalitätskonstruktion. So funktioniert Othering: Wenn man eine Gruppe zu Anderen, zu Fremden macht, dann kann im Gegenzug eine eigene Normalität konstruiert werden, die Sicherheit und Kontrolle gibt. Das ist eine Riesenfrage, die die Disability Studies schon lange umtreibt, da kann man natürlich auch keine einfache Antwort geben. Aber man muss sich die Frage stellen: Wenn sie überall so präsent ist, warum wird Behinderung so unsichtbar gemacht und dethematisiert?
Janine Dieckmann
Gleichzeitig wurde sie bei der Erfassung von Einstellungen im Kontext der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) mitgedacht. Abwertende Einstellungen gegenüber „behinderten Menschen“ sind relativ niedrig. Wie bewertest du über die Jahre hinweg die Ergebnisse der GMF-Messung in Bezug auf die Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderung? Schwingt da eine oberflächliche gesellschaftliche Norm mit, dass beispielsweise über Behinderung keine Witze gemacht werden, dass man doch helfen muss und deswegen mit offenen Befragungen nicht an die eigentlich abwertenden zugrunde liegenden Einstellungen von Menschen rankommt?
Rebecca Maskos
Du hast jetzt Verschiedenes angerissen. Vielleicht dazu, ob sich etwas bei den Einstellungen zu behinderten Menschen verändert. Da muss man immer gucken, mit welchen Items man diese misst. Mir ist aufgefallen, dass die Behindertenfeindlichkeit in den Mitte-Studien zu GMF relativ niedrig war, aber in der Leipziger Autoritarismusstudie war sie recht hoch. Da müsste man genau schauen, was die jeweils abgefragt haben. Ich denke, dass es bei beiden Studien um Diskurse geht, in denen behinderte Menschen als Last definiert werden. Man müsste ein größeres Inventar an Fragen zum Thema Ableismus haben. Dann könnte man zum Beispiel Aussagen abfragen wie: „Man muss behinderten Menschen immer helfen“ oder „Mir tun die leid“. Hinter diesen freundlich klingenden Aussagen versteckt sich ein essenzialisierender Blick auf das Thema Behinderung. Sie sind eben doch diskriminierend.
Janine Dieckmann
Und siehst du gesellschaftliche Veränderungen in den letzten Jahren?
Rebecca Maskos
Ich habe den Eindruck, dass das Thema Vielfalt in Bezug auf Behinderung gerade bei jüngeren Leuten mehr und mehr ankommt. Ich merke, dass zum Beispiel der Umgang mit mir deutlich entspannter geworden ist. In den letzten zehn Jahren ist da schon einiges passiert. Es gibt trotzdem noch viele ableistische Einstellungen. In den sozialen Medien, die hauptsächlich von jüngeren Menschen genutzt werden, ist Behinderung ein Thema. Ganz schlimme klischeehafte Darstellungen in den Medien sehe ich seltener, aber es gibt sie noch. Eine Dauererzählung ist leider, dass Menschen am Ende sterben wollen – also ein Sterbehilfe-Narrativ mit der Storyline, dass die behinderten Menschen am Ende sterben und dass das dann gut für alle ist. Das halte ich für ein sehr gefährliches Narrativ, wenn das normalisiert wird, gerade jetzt im Zusammenhang mit der Liberalisierung von neuen Formen von „Euthanasie“. Ansonsten habe ich den Eindruck, dass es kulturell mehr Offenheit und Sichtbarkeit im Vergleich zu früher gibt. Es könnte aber auf jeden Fall mehr sein. In den Diversity- und Intersektionalitätskontexten wird Behinderung meistens vergessen. Ganz irritierend finde ich, dass in Diversity-Prozessen in Unternehmen von „Diversity and Inclusion“ gesprochen wird. Wo ist da der Unterschied, warum wird das separat aufgelistet?
Janine Dieckmann
Es bleibt also die Separation, die du vorhin aus der Geschichte kommend schon beschrieben hattest.
Rebecca Maskos
Ja – und wo man auch denkt: Warum? Wie wird das inhaltlich begründet? Da werden sowohl Diversität als auch Inklusion nicht verstanden. Wenn Behinderung vergessen wird, würde ich vermuten, dass da wieder Abwehr oder ein Rest von Medizinisierung eine Rolle spielen. Kulturell hat sich zwar einiges getan, aber was ebenfalls so eine Beharrungskraft hat, das sind die Sonderwelten, z. B. Werkstätten und Wohneinrichtungen. Sie werden in Deutschland kaum hinterfragt. Es gibt zwar neuerdings eine Öffentlichkeit für die Ausbeutung, die in Werkstätten stattfindet – nämlich dass der Mindestlohn in Werkstätten mit 1,45 Euro extrem gering ist. Das wird damit begründet, dass dort keine Arbeitnehmer*innen arbeiten, sondern Rehabilitand*innen in arbeitnehmerähnlichen Arbeitsverhältnissen. Werkstätten werden zudem als schützende Orte für behinderte Menschen wahrgenommen. Das sind Narrative, die linke, aufgeklärte Personen reproduzieren und das trägt dazu bei, dass behinderte Menschen weniger sichtbar in der Gesellschaft sind. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wird in besonderen Staatenprüfungsverfahren regelmäßig geprüft. Deutschland ist letztes Jahr überprüft worden und im Grunde hat die Kommission das Fazit gezogen, dass sich hier seit der letzten Prüfung nichts verändert hat.
Janine Dieckmann
Du hast bereits die Bewegungsgeschichte angesprochen: Keine andere Emanzipationsbewegung hat es bisher geschafft, einen zusätzlichen Satz ins Grundgesetz zu erkämpfen. Und dennoch ist das in der Gesellschaft und in der Demokratiearbeit und -forschung so wenig sichtbar. Ich fände es schön, wenn Du noch ein bisschen über die Bewegungsgeschichte berichten könntest.
Rebecca Maskos
Viele Vertreter*innen der Behindertenbewegung sagen, sie kämpfen die gleichen Themen immer wieder, seit Jahrzehnten. 1981 war das Geburtsjahr der Behindertenbewegung in Deutschland. Da gab es viele Protestaktionen wie Besetzungen, Hungerstreiks und Straßenbahnblockaden. Im Grunde war es das erste Mal, dass sich behinderte Menschen zu Aktionsgruppen zusammengeschlossen und sich überhaupt als politische Subjekte verstanden haben. Vor allem im Windschatten der 68er-Bewegung und der Frauenbewegung, die gesagt haben: Das Private ist politisch. Das haben behinderte Menschen auch gesagt: Nicht wir sind das Problem und müssen hier allein mit unseren Barrieren zurechtkommen, sondern diese Barrieren sind menschengemacht und gesellschaftlich.
Die Bewegung hat sich relativ schnell etabliert und zum Beispiel Beratungs- und Selbsthilfezentren in vielen größeren Städten gegründet. Außerdem ist das Konzept der persönlichen Assistenz entstanden, d.h. die Unterstützung und Pflege nach Regie der behinderten Menschen, also jenseits eines fremdbestimmten Dienstplans und in den eigenen vier Wänden. Die Behindertenbewegung macht tatsächlich viel Politikberatung und Lobbyarbeit, das kriegen nur viele nicht mit, dass z. B. von behinderten Jurist*innen auch Gesetzesvorschläge erarbeitet wurden. Die werden dann aber teilweise nicht so umgesetzt wie gedacht, z. B. das Bundesteilhabegesetz 2016. Das war eine große Enttäuschung für viele Aktivist*innen, weil sie sich davon viel erhofft haben. Erst durch soziale Medien werden Themen aufgegriffen, wie aktuell die Werkstätten, sodass sie dann auch irgendwann von den Medien diskutiert werden. Es wird in den sozialen Medien viel verkürzt, aber zugleich sind sie tatsächlich ein Motor der Sichtbarkeit. 2016 hat sich eine jüngere Behindertenbewegung zusammengefunden, es gab viele Protestaktionen und Blockaden gegen die damalige Fassung des Bundesteilhabegesetzes. Außerdem gibt es seit 2013 die „Pride Parade“ in Berlin, Untertitel „behindert und verrückt feiern“. Das ist eine Feierdemonstration, die den Kern der Behindertenbewegung gezeigt hat – nämlich, dass Behinderung für uns etwas Positives ist. Wir sehen es als eine Identität, die wir auch feiern, die letztlich eine eigene Kultur bedeuten kann. Ich denke, es ist für die viele Aktivist*innen schwer, so eine Bewegung aufrechtzuerhalten, weil das Leben mit Behinderung einfach so viele Hürden beinhaltet. Aber es gibt die Bewegung weiterhin und man kann nur hoffen, dass ihre Aktionen in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Denn das sind Momente, bei denen Menschen merken: Das ist hier kein Medizin- oder Pädagogikthema, wir sind hier mitten in der politischen Arena.
Janine Dieckmann
Ja, und es gehört selbstverständlich zur Vielfalt unserer Gesellschaft dazu und damit auch in alle Vielfalts- und Demokratiediskurse und vielfaltsbezogenen Maßnahmen. Vielen Dank für diese wichtigen Impulse und das Interview!
Rebecca Maskos, studierte Psychologie und Disability Studies. 2023 promoviert zur Dr. phil im transdisziplinären Feld der Disability Studies; aktiv als wissenschaftliche und journalistische Fachautorin, Lehrbeauftragte der Alice Salomon Hochschule Berlin und als Weiterbildnerin zur Sensibilisierung für Ableismus und Inklusion; ab Juli übernimmt sie die Professur für Disability Studies von Prof. Dr. Swantje Köbsell an der Alice Salomon Hochschule Berlin.
Janine Dieckmann, Dr., studierte Psychologie und Soziologie an der FSU Jena und promovierte im Bereich der sozialpsychologischen Intergruppenforschung. Seit 2016 arbeitet sie am IDZ mit dem Forschungsschwerpunkt Diskriminierung. Sie ist stellvertretende wissenschaftliche Leiterin des IDZ und leitet den Forschungsbereich „Vielfalt, Engagement und Diskriminierung“.