#3: TheRepublic

In unserer Analyse untersuchen wir die Twitter-Kommunikation zum Launch der News- und Kampagnenplattform „TheRepublic“. Die Ergebnisse zeigen erstens, dass vor allem Kritiker:innen der neuen Website für deren digitale Verbreitung auf Twitter verantwortlich sind. Zweitens belegt eine Analyse von Framing-Strategien, dass kritische Stimmen oftmals wenig kontextualisieren und damit die kritisierten Inhalte ungewollt noch verstärken können. Dies kann zum Anlass genommen werden, eine breitere Diskussion darüber anzustoßen, auf welche Art und Weise Zivilgesellschaft und demokratische Online-Akteur:innen mit problematischen Inhalten im Netz umgehen.    

Am 21.10.2021 wurde zusammen mit diversen Social-Media-Accounts die Website von TheRepublic gelauncht. Mit diesem Projekt zwischen Kampagnennetzwerk und Newsblog aus dem Umfeld der Unionsparteien ist ein neuer Akteur entstanden, der die eigenen Ziele folgendermaßen beschreibt: „Wir stoppen den politischen Linksdrift in Deutschland. […] Wir setzen eigene redaktionelle Ausrufezeichen, produzieren erfolgreiche bürgerliche Formate im digitalen Raum und steigern die Kampagnenfähigkeit der liberal-konservativen Kräfte unseres Landes.“[1]

Unter dem liberal-konservativen Selbstanspruch knüpft TheRepublic jedoch sprachlich und inhaltlich klar an rechtspopulistische Narrative an und verschiebt damit den gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Im kommunikativen Stil Donald Trumps betreibt das Portal Negative Campaigning, produziert politische Feindbilder und wendet sich damit gegen alle Ausprägungen eines vermeintlichen „Linksdrifts“ in Deutschland: Den Einsatz für Gleichberechtigung, demokratische Teilhabe, Klimaschutz und zivilgesellschaftliches Engagement. Der Start dieses Projekts hat dementsprechend viele Reaktionen ausgelöst – von Zustimmung bis Kritik und Empörung (inklusive kritischer Stimmen innerhalb der CDU).[2]


Wir haben den kurzzeitigen Twitter-Trend (Abbildung 1) zum TheRepublic-Launch im Hinblick auf die Online-Kommunikation unterschiedlicher Gruppen- und Diskurspositionen analysiert. Dabei gehen wir insbesondere der Frage nach, inwieweit auch TheRepublic-Kritiker:innen mit ihren Reaktionen die Inhalte der neuen Plattform digital multiplizieren und damit zu einer größeren Reichweite verhelfen, als dies von ihnen intendiert ist.

Clusterbildung im Twitter-Diskurs

Der Twitter-Trend zum Start der Website lässt sich gut über ein Retweet-Netzwerk abbilden (Abbildung 2). Die Daten dazu wurden über den Twitter Explorer erhoben und enthalten alle Tweets und Retweets, die die Keywords therepublic oder therepublicde enthalten und in der Woche vom 19. – 25. Oktober 2021 erstellt wurden. In dieser Visualisierung werden Gruppen von User:innen – sogenannte Cluster – sichtbar, die sich untereinander häufig retweeten und damit auch inhaltlich große Überschneidungen aufweisen.

Zum einen fällt auf, dass sich zwei voneinander beinahe vollständig separierte Cluster und damit auch Kommunikationsräume herausbilden, die auf einen sehr polarisierten Diskurs hindeuten. Zum anderen ist das linke untere Cluster deutlich größer, es sind also wesentlich mehr User:innen (mehr Knoten) zu sehen, die sich untereinander häufiger retweeten (mehr Kanten und größere Knoten) und dabei auch unterschiedliche thematische Aspekte ansprechen (unterschiedliche Farben). Dieses linke untere Cluster, das maßgeblich für den Twitter-Trend verantwortlich ist, setzt sich aus den Kritiker:innen von TheRepublic zusammen. Das Twitter-Netzwerk von TheRepublic selbst und seinen Befürworter:innen (rechts oben) ist demgegenüber vergleichsweise klein und schafft es nur in begrenztem Umfang digitale Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Social Interactions der Top-Tweets nach Cluster

Die in der Netzwerkanalyse explorativ aufgestellten Hypothesen bestätigen sich auch bei einer quantitativen Untersuchung der Social Interactions der Top-Tweets. In unserem Datensatz wurden dazu alle Tweets herausgefiltert, die entweder mehr als 100 Retweets und/oder mehr als 500 Likes aufweisen und denen damit ein besonderer Stellenwert im Twitter-Diskurs zugesprochen werden kann. Die insgesamt 45 Tweets, die diesen Kriterien entsprechen, wurden nach einer qualitativen Durchsicht den Clustern der Kritiker:innen (32 Tweets) und Befüfworter:innen (13 Tweets) von TheRepublic zugeteilt. Die Tweets mit besonders hohen Interaktionswerten sind also hauptsächlich im Cluster der Kritiker:innen zu finden. Noch deutlicher wird dieses diskursive Übergewicht kritischer Stimmen, vergleicht man die Anzahl an Likes (Abbildung 3) und Retweets (Abbildung 4).

Hier zeigt sich, dass die Likes der Top-Tweets des Kritiker:innen-Clusters ca. 5,5  mal und die Retweets 6,3 mal höher ausfallen als diejenigen der Befürworter:innen. Im Durchschnitt erhält ein kritischer Top-Tweet damit ca. 1530 Likes und 240 Retweets, ein TheRepublic-unterstützender Tweet demgegenüber nur ca. 686 Likes und 93 Retweets. Es lässt sich also feststellen, dass die Twitter-Kommunikation rund um das Erscheinen des neuen politischen Akteurs hauptsächlich von dessen Gegenseite bestimmt wird und dieses Cluster die digitale Aufmerksamkeit auf TheRepublic massiv erhöht.

Framing und Reframing von TheRepublic

Diese Ergebnisse werfen nun einige Fragen zum Umgang mit TheRepublic im Speziellen und der kritischen Auseinandersetzung mit ähnlichen Online-Phänomenen im Allgemeinen auf: Einerseits ist das Hinweisen auf problematische Entwicklungen wie der Launch von TheRepublic, die den kommunikativen Stil (neu-)rechter Akteur:innen übernehmen und dementsprechende Narrative für ein breites, unentschlossenes oder klassisch konservatives Publikum anschlussfähig machen, für die demokratische Netzkultur essenziell. Andererseits trägt ein solch großes Twitter-Echo auch maßgeblich dazu bei, dem Projekt TheRepublic überhaupt Reichweite und Relevanz zu verleihen. Wichtig ist also auf welche Art und Weise ein Thema wie dieses aufgegriffen, kommunikativ verpackt und kontextualisiert – also geframed bzw. gereframed – wird, um nicht einen eigentlich unerwünschten Effekt zu erreichen: Die großflächige Verbreitung der kritisierten Inhalte.

Wir haben die Top-Tweets des Kritiker:innen-Clusters qualitativ nach Kriterien des Framings untersucht (Abbildung 5). Dabei haben wir die Tweets in die folgenden drei Kategorien eingeteilt:

  • Multiplizierend: Tweets, die eine kritische Haltung gegenüber TheRepublic ausdrücken, diese aber nur sehr knapp oder gar nicht begründen und gleichzeitig Bilder, Videos oder die Website von TheRepublic verbreiten
  • Aktivierend: Tweets, die eine kritische Haltung gegenüber TheRepublic ausdrücken und bspw. über Links weiterführende Hintergrundinformationen für Rezipienten bereitstellen
  • Informierend: Tweets die eine kritische Haltung gegenüber TheRepublic ausdrücken und diese in einem mehrteiligen Thread begründen und kontextualisieren   


Mit 68% ist die Gruppe der multiplizierenden Tweets mit Abstand die größte. Aktivierende und informierende Tweets machen dementsprechend nur 32% der kritischen Stimmen aus. Die hier als multiplizierend kategorisierten Tweets laufen Gefahr, trotz der ausgedrückten kritischen Positionierung eher als Verstärker der Themen von TheRepublic wahrgenommen zu werden, als eine kritische Auseinandersetzung auf Twitter anzuregen.

Fazit

Der kritische Umgang mit Online-Phänomenen wie dem Launch von TheRepublic bleibt schwierig. Gerade auf sozialen Plattformen wie Twitter, die mit 280 Zeichen pro Tweet nicht viel Raum für Argumentationen lassen, ist ein informierendes Reframing problematischer Inhalte nur begrenzt umsetzbar. Darüber hinaus verlangt die Aufmerksamkeitsökonomie des Internets schnelles Handeln ohne langwierige Recherche und manchmal ist auch ein einfaches Statement öffentlichkeitswirksamer Personen ein effektives Mittel. Dennoch ist es aus unserer Sicht sinnvoll, digitale Kommunikationsstrategien und die Art und Weise der Vermittlung von Inhalten im Sinne der Förderung demokratischer Kultur im Netz verstärkt zu thematisieren. Unser Datensatz der Top-Tweets zeigt, dass insbesondere aktivierende und informierende Tweets viele soziale Interaktionen in Form von Likes und Retweets hervorrufen und deshalb besonders stark zu einem kritischen Demokratiebewusstsein beitragen können. Twitter-User:innen sollten dies beim Umgang mit problematischen Netzinhalten berücksichtigen.
 


[1] TheRepublic (2021): Kontakt. https://www.therepublic.de/home/kontakt/ (zuletzt aufgerufen am 11.01.2022)


[2] Z.B.: Deutschlandfunk Kultur (22.10. 2021): Wie die Union konservativer werden soll. https://www.deutschlandfunkkultur.de/agentur-the-republic-wie-die-union-konservativer-werden-soll-100.html (zuletzt aufgerufen am 11.01.2022) ODER Bellikli, Okan/Holly, Leon; Spiegel Politik (22.10.2021): Wer steckt hinter »The Republic«?. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/the-republic-wer-steckt-hinter-der-neuen-konservativen-kampagnenagentur-a-c8db3664-94b2-4600-8d81-4eca17865b00 (zuletzt aufgerufen am 11.01.2022)


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