Von Franziska Martini & Fabian Klinker
Das Internet hat sich als Hauptquelle für aktuelle Nachrichten fest etabliert. Insbesondere junge Menschen nutzen vermehrt auch soziale Plattformen, um sich über das politische und gesellschaftliche Geschehen zu informieren. Auch in Hinblick auf die Klimakrise ist das Online-Angebot von Massenmedien und Nachrichtenportalen und die Art und Weise der digitalen Kommunikation zentral, um faktenbasiert über aktuelle Entwicklungen in der Klimaschutzpolitik, Folgen der globalen Erwärmung wie Umweltkatastrophen und mögliche Lösungswege aufzuklären – gerade in Zeiten von zunehmender Nachrichtenmüdigkeit[1] und einer Vielzahl an (rechts-)alternativen Desinformationsmedien, die über digitale Kanäle öffentliche Meinungsbildungsprozesse maßgeblich prägen. In früheren Beiträgen haben wir bereits gezeigt, dass das Thema Klimaschutz im Europawahlkampf deutscher Parteien keine exponierte Rolle gespielt und in der Bevölkerung laut Umfragen die Dringlichkeit der Bewältigung der Klimakrise gegenüber anderen politischen Problemstellungen abgenommen hat. Wir fragen in diesem Beitrag daher:
Unsere Untersuchungsgrundlage bilden die Beiträge verschiedener Medien auf den Plattformen Facebook, Instagram und X. Insgesamt haben wir die Social-Media-Beiträge von 262 Accounts verschiedener Massenmedien und Nachrichtenportale im Zeitraum des ersten Halbjahres 2024 analysiert. Wir haben untersucht, in wie vielen Posts ein Bezug zur Klimakrise und verwandten Themen hergestellt wird. Dies waren ca. 15.800[2]. Und wir haben danach geschaut, welche Plattformen die Medien für Klimathemen häufiger bzw. seltener nutzen.
Grafik 1: Plattformverteilung klimabezogener Posts verschiedener Medien im ersten Halbjahr 2024
Die meisten Posts mit Klimabezug wurden mit 54 % auf X abgesetzt, gefolgt von Facebook mit 37 %. Instagram-Posts zum Thema Klima machten in unserer Datengrundlage hingegen nur einen Anteil von 9 % aus[3]. Dieser geringe Anteil ist insbesondere dann interessant, wenn man Umfragen zum digitalen Mediennutzungsverhalten heranzieht. Gerade für junge Menschen ist Instagram (und TikTok) zu einer zentralen Quelle des Nachrichtenkonsums geworden: Laut der JIM-Studie von 2022 war Instagram die soziale Plattform, die am häufigsten angegeben wurde, wenn es darum ging, Informationen zum aktuellen Tagesgeschehen zu finden.[4] Es scheint, als würde das Potenzial, diese Zielgruppe zu erreichen, nicht ausgenutzt – zugleich muss berücksichtigt werden, dass es bspw. über sogenannte Instagram-Stories auch andere Formate gibt, die in unserer Datenerhebung nicht berücksichtigt werden konnten. Außerdem lässt die reine Quantität der Posts noch keine Aussage über deren Qualität und Aufbereitung zu.
Als nächstes haben wir untersucht, wie hoch das Beitragsvolumen mit Klimabezug im Zeitverlauf ist und wie es sich zwischen unterschiedlichen Medientypen unterscheidet. Diese haben wir unterschieden in: traditionelle Medien, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Alternativ- bzw. Desinformationsmedien. Außerdem haben wir bei den traditionellen Medien Zeitungen des Springer-Verlags gesondert untersucht[5].
Medientyp | 1. Halbjahr 2023 | 2. Halbjahr 2023 | 1. Halbjahr 2024 |
Traditionelle Medien davon Springer-Medien | 15.161 2.226 | 11.559 1.299 | 9.380 814 |
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk | 6.485 | 4.447 | 3.555 |
Alternativ- bzw. Desinformationsmedien | 4.089 | 3.690 | 2.911 |
Tabelle 1: Absolute Anzahl an klimabezogenen Posts nach Medientypen in Halbjahresschritten
Grafik 2: Prozentuale Entwicklung des klimabezogenen Beitragsvolumens unterschiedlicher Medientypen in Halbjahresschritten relativ zum 1. Halbjahr 2023
Es fällt auf, dass das Beitragsvolumen über alle Medienkategorien hinweg seit 2023 stetig abgenommen hat. Nachrichten zur Klimakrise nehmen insgesamt also weniger Raum in der Berichterstattung auf Social-Media-Plattformen ein. Dies kann als Resultat davon interpretiert werden, dass Klima in der Öffentlichkeit als gesellschaftliches Thema an Relevanz verloren hat bzw. von anderen Themen abgelöst wurde (z.B. Europawahl, Krieg in der Ukraine, Israel-Palästina-Konflikt). Darüber hinaus kann die geringere Sichtbarkeit von Klimathemen in sozialen Medien wechselseitig zu deren öffentlichen Relevanzverlust beitragen. Diese Entwicklung ist aufgrund aktueller multipler Krisenlagen und der Ereignisdichte erklärbar, dennoch ist sie bezogen auf die Dringlichkeit einer konsequenten Klimaschutzpolitik fatal – Umweltereignisse spitzten sich auch 2024 weiter zu und machen wie etwa die Flut- und Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland den Ernst der Lage deutlich.
Mit über 60 % haben die Springer-Medien die größte Abnahme im 1. Halbjahr 2024 gegenüber dem 1. Halbjahr 2023 zu verzeichnen. Die Berichterstattung erfolgt hier sehr ereignisbezogen: Das große Beitragsvolumen zum Thema Klima rührte 2023 vor allem von den sehr kontroversen Debatten rund um die Letzte Generation, welche die Medien der Axel Springer AG maßgeblich befeuert haben[6]. Mit dem Nachlassen von öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Letzten Generation räumten BILD und WELT klimabezogenen Themen seitdem deutlich weniger Raum ein.
Auch alternative Desinformationsmedien veröffentlichten stetig weniger Posts über die letzten drei Halbjahre, jedoch mit dem prozentual geringsten Abfall. Das kann als Indiz für die große Mobilisierungsrelevanz dieses Themas für rechte Akteur*innen gelten. Alternative Nachrichtenportale spielen darüber hinaus eine besonders große Rolle in der Verbreitung von Desinformation und von klimaskeptischen Narrativen.[7]
Auch traditionelle Medien (ohne Springer-Medien) und der öffentlich-rechtliche Rundfunk verzeichnen eine starke Abnahme der Posts um 34 % (traditionelle Medien) bzw. 45 % (öffentlich-rechtlicher Rundfunk) vom 1. Halbjahr 2024 gegenüber dem 1. Halbjahr 2023. Gerade diese Medien spielen als etablierte und seriöse Informationsquellen eine wesentliche Rolle in der Kommunikation zur Klimakrise und deren Bewältigung. Der Verlust der (digitalen) Sichtbarkeit könnte dementsprechend hier besonders schwer wiegen.
Die Klimakrise und verwandte Themen spielen aktuell auf Social-Media-Kanälen unterschiedlicher Medien- und Nachrichtenportale eine eher untergeordnete Rolle. Das klimabezogene Beitragsvolumen hat im ersten Halbjahr 2024 über alle untersuchten Medientypen hinweg auf den Plattformen Facebook, Instagram und X im Vergleich zu den Halbjahren 2023 teilweise deutlich abgenommen. Auch wenn die geringere Beitragsdichte durch multiple Krisenlagen und andere weltpolitische Ereignisse erklärbar ist, sollte die Klimakrise vor allem vonseiten etablierter Medien nicht weiter an Aufmerksamkeit einbüßen. Zumal rechte Alternativmedien darauf abzielen, über Desinformation und Klimaskepsis öffentlich zu polarisieren und darüber hinaus das Vertrauen in traditionelle Medien und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schwächen.
Gerade dann, wenn der Klimawandel und die Herausforderungen einer Nachhaltigkeitstransformation der Gesellschaft nicht umfänglich die Schlagzeilen bestimmen, besteht die Herausforderung für Fachjournalist*innen, Publizist*innen und Klimaschutzaktivist*innen, durch gezielte Themensetzung und digitale Kampagnenaktivitäten höhere Sichtbarkeit und Reichweite zu erhöhen. Eine Möglichkeit, digitale Aufmerksamkeit (wieder) zu erlangen, könnte sein, klimarelevante Ereignisse wie Extremwetter, politische Entscheidungen oder medienwirksame Großereignisse wie die Weltklimakonferenz zu „highlighten“. Es könnten Zusammenhänge und Auswirkungen in der Klimakrise aufgezeigt und gleichzeitig verstärkt (bereits bestehende) Lösungsansätze und klimagerechte Zukunftsszenarien in den Fokus gerückt werden, wobei auch entsprechende Expert*innen und Aktivist*innen zu Wort kommen sollten. Indem Aspekte der Klimathematik exklusiv berichtet werden, die als „Neuigkeit“ einen hohen Nachrichtenwert für Medien und Mediennutzer*innen haben, könnte die Chance bestehen, einen Aufmerksamkeitseffekt in den sozialen Medien zu erreichen.
[1] Vgl. Behre, J., Hölig, S., & Möller, J. (2023). Reuters Institute Digital News Report 2023: Ergebnisse für Deutschland.
(Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts, 67). Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut. doi.org/10.21241/ssoar.86851 (zuletzt aufgerufen am 24.07.2024).
[2] Der Bezug zu Klimathemen wurde über eine Liste an Wörtern ausfindig gemacht. Diese waren: *klima* OR *emission* OR *nachhaltig* OR *kohlenstoff* OR *biodiversität* OR *recycling* OR *verschmutzung* OR *naturschutz* OR *wasserschutz* OR *luftqualität* OR *ökolog* OR *erderwärmung* OR *co2* OR *umwelt* OR *energie*. Mit dieser Suchabfrage wurden auch Posts berücksichtigt, die Wörter der Liste als Wortbestandteil enthalten – also z.B. Weltklimarat oder Klimagerechtigkeit.
[3] Dieser Anteil liegt sogar nur bei 5 %, wenn man die Ergebnisse nicht nur auf Beiträge mit Klimabezug beschränkt.
[4] Befragung 12- bis 19-Jähriger, vgl. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2022_Web_final.pdf (zuletzt aufgerufen am 25.07.2024).
[5] Traditionelle Medien: 20 auflagenstärkste Tages- und Wochenzeitungen mit Politikbezug (z.B. Spiegel, Focus, taz, Berliner Morgenpost); Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: ARD, ZDF, alle dritten Programme und deren Hauptnachrichtenkanäle (z.B. Tagesschau, ZDF-heute); Alternativ-, Desinformationsmedien: verschiedene, meist rechtsalternative Nachrichtenportale und Online-Magazine mit desinformativen Inhalten (z.B. inzwischen verbotenes COMPACT-Magazin, Deutschland-Kurier, Junge Freiheit); Springer-Medien: BILD und Welt. Diese Springer-Medien gehören zu den auflagen- und online zu den reichweitestärksten Medien und fallen immer wieder durch kontroverse und polarisierende Berichterstattung gerade auch zu Klimathemen auf, siehe z.B. auch: https://www.volksverpetzer.de/analyse/welt-klimakrise-leugner/ (zuletzt aufgerufen am 07.08.2024); Tschötschel, R. (2023). Polarisation vs consensus-building: how US and German news media portray climate change as a feature of political identities. Environmental Politics, 32(6), 1054–1076; Kaiser, J. (2017). Public spheres of skepticism: Climate skeptics‘ online comments in the German networked public sphere. International Journal of Communication, 11, 1661–1682.
[6] Bei ihren klimabezogenen Posts gehörten #letztegeneration und #klimakleber im Jahr 2023 zu ihren meistgenutzten Hashtags.
[7] Vgl. Knüpfer, C. & Hoffmann, M. (2024). Countering the “Climate Cult” – Framing Cascades in Far-Right Digital Networks. Political Communication, 1-23.